Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Phot. A. Grohs, Berlin. 
Artilleriestellung: Brigadekommandeur Oberst Gropp (X), Korps Zastrow, mit seinen Stabsoffizieren auf einem Hügel zwischen Mlawa und SLerpe. 
Das Geschütz wurde den Russen von deutschen Soldaten entrissen. 
eine gewisse kameradschaftliche Zerrissenheit des Offizierkorps 
für die Kriegsdauer verdecken können. 
Die Wehrverfassung Italiens macht ziemlich bedeutende 
Zugeständnisse an die Finanzlage des Königreichs: mit Rück 
sicht auf sie wählte man die geringe gesetzlich festgestellte 
Friedenspräsenz von (1913/14) rund 14 000 Offizieren, 
250000 Mann und 56000 Dienstpferden. Weit unter der 
Leistungsfähigkeit des Staates steht auch der jährliche 
Rekrutenzuwachs von rund 130000 Mann. Deutlich tritt 
die Rücksichtnahme auf die Volkswirtschaft auch in der Um 
schreibung des Begriffs Dienstpflicht hervor: neben einer 
ersten Gruppe, die volle zwei Jahre dient, gibt es eine zweite, 
die in neunzehnjähriger Gesamtdienstzeit nicht länger als 
zusammen sechs Monate und noch dazu in mehreren Abungs- 
abschnitten dienen must, und eine dritte Gruppe, die grund 
sätzlich in neunzehn Gesamtdienstjahren nur alle vier Jahre 
höchstens einen Monat zu dienen braucht, in Wirklichkeit 
aber seit langer Zeit so gut wie gar nicht einberufen wurde. 
Der Prozentsatz der Wehrpflichtigen, die sich der Einstellung 
entzogen, überstieg zehn Prozent ihrer Gesamtzahl. Die ge 
ringe Friedenstärke und die Durchlöcherung der allgemeinen 
Dienstpflicht haben eine auffallend geringe Belastung der 
Bevölkerung durch Kriegsdienst zur Folge. Während zum 
Beispiel die Schweiz, die ihrer Wehrkraft ein viel weiter 
ausgedehntes Milizsystem zugrunde legt, ohne Hilfsdienste 
über sechs Prozent der Bevölkerung als Kriegsdesignierte 
aufstellt, findet man in Italien hierfür nur drei Prozent, denn 
Veltzoes Almanach für 1913/14 bezeichnet auf Grund amt 
licher Quellen, datz an ausgebildeter Mannschaft verfügbar 
sind 515000 Mann, an Mobilmiliz 245000 Mann, an 
Territorialmiliz 340000 Mann. Der Erschöpfungszustand 
der italienischen Kampftraft seit dem libyschen Krieg war in 
eingeweihten Kreisen bekannt genug, aber recht eigentlich ist 
er doch erst seit den Rüstungen Italiens zu diesem Kriege 
hervorgetreten. Zwei Kriegsminister warf der Kampf um 
die Aufbringung der nötigen Mittel zu Boden, und erst dem 
jetzigen ist es gelungen, mit vorläufig 1 Milliarde die er 
strebte Heeresstärke zu erreichen und die verschleppten Neue 
rungen zum grötzten Teil durchzuführen. Umfangreiche 
Einberufungen zu den Friedenstämmen leiteten die Ver 
stärkung der Friedenspräsenz zu Kriegszwecken ein. Nach 
einander traten die Jahresklassen 1891—93, 1889—90 und 
die sonst befreite zweite Gruppe gewisser Jahrgänge an. 
Den Rekrutenjahrgang 1894 stellte man verfrüht am 7. Sep 
tember ein und den Rekrutenjahrgang 1895 schon am 
1. Januar dieses Jahres. Wie in Kriegszeiten wurde mit 
ihm zugleich die zweite Gruppe des Jahrgangs 1895 ein 
berufen, und zwar zum Höchstmaß der im Frieden gesetzlich 
möglichen Dienstzeit von sechs Monaten. Das Ziel dieser 
ständigen Bewegung der Kriegspflichtigen lag in einer 
schnellen Marschbereitschaft des ganzen mobilen Heeres, und 
zwar bei möglichster Schonung des Erwerbslebens, bevor die 
Kriegserklärung erlassen war. Italien hat jetzt den Höchst 
stand seiner Kriegsbereitschaft erreicht, die Rekruten des Jahr 
gangs 1895 sind ausgebildet. Die Jahresklassen 1891—95 
stehen, ebenso Jahrgang 1888, wieder unter den Waffen. 
Von der Infanterie sind alle Dienstpflichtigen der Jahres 
klassen 1876—80 beordert worden, also Männer bis ein 
schließlich zum 39. Lebensjahr. Der Mangel an Kompanie 
führern bei den Kriegsneuformationen und bei den Sub- 
alternoffizieren in der Territorialmiliz ist ausgeglichen. Die 
artilleristische Verstärkung ist von wesentlicher Bedeutung: 
die Gebirgsartillerie wurde von 36 auf 46 Batterien, die 
Feldartillerie auf 36 Regimenter gebracht. Auch Kriegs 
material ist wohl in genügender Menge vorhanden, und für 
Lieferung von Munitionsvorräten wird auf England ge 
rechnet. 
Die Kriegstärke Italiens ist in der dem Krieg voraus 
gegangenen Friedenszeit auf 1100 000 Mann geschätzt worden, 
aber es ist klar, daß Italien mit äußerster Anstrengung auch 
ein größeres Heer aufstellen kann. Die Mobilmachung ergibt 
das folgende zusammenfassende Bild nach Waffen und 
Jahresklassen geordnet. Es stehen unter den Fahnen: Kara- 
binieri die Jahrgänge 1876—95; Infanterie 1876—80 und 
1888—95; Bersaglieri 1877—81 und 1886—95; Alpini 
1878—83 und 1888—95; Kavallerie 1876—88 (zum Train 
versetzt) und 1892—94; Feldartillerie 1885—95; reitende 
Artillerie 1889—95; Gebirgsartillerie 1882—95; Küsten- 
und Festungsartillerie 1878—81 und 1887—95; Pioniere 
die einzelnen Spezialzweige in verschiedener Stärke; Luft 
schiffer 1892—95; Automobilisten 1876—95; Train 1876 
bis 95; Sanitäter und Zollwächter: 1876—95. Verfügbar 
für künftige Einberufungen sind noch sieben Jahrgänge In 
fanterie, acht Grenadiere, fünf Bersaglieri, vier Kavallerie,
	        
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