Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Nach Osten hin steht längs dein Ostrand der Maas die 
oft genannte Löte Lorraine, jenes Hochplateau, das steil 
nach Osten zur Ebene — die Woevre — gen Metz hin ab 
fällt. Im Süden liegen die Maashöhen, stark befestigt durch 
die Südforts der Festung, die im weiteren Verlaufe in die 
Sperrfortskette übergehen. Hier treffen wir auf den wich 
tigen Ort St.-Mihiel, dessen Zitadelle, das Camp des 
Romains, ebenfalls seit vielen Wochen in deutschem Besitz 
ist (siehe den Bericht Band I Seite 960). Wie ein Keil 
von Osten her schiebt sich diese starke Stellung ip die fran 
zösische Maasfront hinein, denn 
das angrenzende Fort Lionville ist, 
wenn auch zum Schweigen ge 
bracht, noch in französischem Be 
sitz. Die wichtige Stellung hat Ver 
bindung mit Metz; häufige fran 
zösische Vorstöße gegen diese Linie 
wurden allemal unter großen Ver 
lusten für die Franzosen abgewiesen. 
Ich erinnere nur an Thiaucourt, 
das die südliche Straße beherrscht. 
Im Westen der Festung aber 
lagert sich der Argonnenwald vor, 
in einer Länge von etwa 100, bei 
einer Breite von etwa 30 Kilometer. 
In seinem südlichsten Teil von der 
großen Heerstraße Verdun—St.- 
Menehould—CHLlons durchschnit 
ten, ist er ein wegloses, undurch- 
dringbares Waldgebiet mit starkem 
Unterholz — ein Urwald. Von 
Ehalons her schiebt sich das histo 
rische Lager, das Camp de CHLlons, 
heran, mit allen seinen, militäri 
schen Zwecken dienenden Einrich 
tungen heute stark belegt. Man 
erkennt hieraus die Schwierigkeiten, 
die einem Vordringen von Norden 
sich entgegenstellen. Mit der Ein 
nahme von Vienne wurde der erste 
Schritt hierzu getan; dann hören 
wir aus den amtlichen Berichten, 
daß es weiter vorwärts geht durch 
das unwirtliche Waldgebiet. Es ist 
ersichtlich und bedarf weiter keiner 
Ausführung, wie sehr ein solches 
Vordringen auf die französische 
Maasstellung am westlichen Ufer 
von Einfluß sein würde. 
Verdun verteidigte sich 1870 
mit großer Tapferkeit; doch hat das 
damalige Verdun mit dem heutigen 
lediglich den Namen gemein. Ein 
echtes Beispiel Vaubanscher Bau 
art , die vier Tore so regelrecht an 
gelegt, daß man vom Paradeplatz 
aus gleichzeitig durch die Tore nach 
allen vier Windrichtungen sehen 
konnte.150 Geschütze und 6500Mann 
Besatzung. 
Wie klein klingt das heute, 
wo ein Armeekorps gewiß nicht 
ausreicht zur Verteidigung dieses 
Platzes. . Wir vermuten deren 
mehrere in diesem Gebiet. Ende 
September eingeschlossen, fiel 1870 
der Platz, der keine gesonderten 
Forts Hatte, erst Anfang November. 
Heute ist Verdun ein Feldlager allerersten Ranges, 
ein „einziger Panzerturm", wie sich General Maitrot 
ausdrückte. Der Schwerpunkt liegt aber nicht so sehr 
in der Anlage der Werke selbst, als im Vorgelände, und 
hier wieder im Westen, im Gebiete der Argonnen; 
aber auch das ganze Ostufer des Flusses bis hinab zu 
dem heißumstrittenen, heute von uns besetzten St.-Mihiel 
wird erst in unserem Besitz sein müssen, soll eine erfolg 
reiche Beschießung beginnen können. Dann allerdings 
wird die überlegene deutsche schwere Artillerie schnelle 
Arbeit tun können, so wie sie es tat bei Maubeuqe und 
bei Antwerpen. 
Der obengenannte General Maitrot, ein bekannter 
Militärkritiker, bemängelte kurz vor dem Kriege die 
artilleristische Ausrüstung des Platzes, die unserem 21-oin- 
Geschütz nicht ebenbürtig sei. Jetzt soll schwerstes Schiffs 
geschütz herangebracht sein; ob dieses aber unseren 42-e.m- 
Mörsern gewachsen sein wird? 
Die „Times" beschäftigten sich mit der Frage, wie in 
diesem Gebiete zwischen Mosel und Maas südlich Verdun 
wohl die französische Frontlinie verlaufe, die „unregelmäßig 
und verwickelt sei", und erzählten: „Anfangend im Norden 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
unsere Truppen das starke Vienne -ls- Chateau (siehe das 
untenstehende Bild), um das ziemlich vier Wochen lang 
ein heftiger Kampf getobt hatte. Dieser auf erhöhtem 
Felsplateau liegende kleine Ort bildet den Schlüssel 
punkt zum Westabhang der Argonnen. 
Die Franzosen hatten sich hier zwischen den rechten 
Flügel unserer Abschließungsarmee von Verdun und den 
linken Flügel unserer großen Aisnefront hineingeschoben 
und unterbanden den direkten Verkehr. Dem ist nunmehr 
vorgebeugt. 
bei Verdun, läuft die französische Linie in einem Halb 
kreise östlich an der Festung vorbei, überschreitet nach Süden 
die Maas, läuft hinauf links des Flusses, springt dann mit 
einem scharfen Winkel nordöstlich bis in die Nähe von 
V'gneulles, läßt St.-Mihiel links liegen und erreicht östlich 
Thiaucourt." 
Das mag im großen ganzen stimmen, nur sei bemerkt, 
daß Thiaucourt in deutschem Besitz ist. Das ist wichtig, 
da dieser Ort in französischem Besitz die Straße nach Metz 
unterbrechen würde. 
Jeder Schritt vorwärts im Argonnenwald ist ein sehr 
beachtenswerter Erfolg für uns. Am 7. November stürmten 
Erstürmungen Vrvnne-le- 
ChZteau im Ä^mnenwald am 
7. Novesver 1914. 
Nach einer OrPalzeichnung von 
Professor AM Hoffmann. 
Der Durchbruch bei Lodz. 
Von Generalleutnant z. D. Baron v. Ardenne. 
(Hierzu die beiden Bildnisse Seite28.j 
Mitte November führte Generalfeldmarschall v. Hinden- 
burg einen seiner genialen strategischen Schachzüge aus: 
Linksabmarsch vermittels der Eisenbahn von Schlesien bis 
in die Gegend von Thorn—Wreschen, dann Angriff auf 
beiden Ufern der unteren Weichsel gegen den rechten Flügel 
der russischen Armee, siegreiche Schlachten bei Wloclawek, 
Plozk usw. und Einkreisung eines starken russischen Heeres 
teils (4. Armeekorps) bei Lodz. Zu den einkreisenden Truppen 
gehörte auch die 3. Gardedivision unter Generalleutnant Litz- 
mann. Sie stand am 21. November nach harten Kämpfen 
gegen den bei Lodz festgehaltenen Feind und nach der 
schweren Erstürmung seiner Stellungen bei Feligsin etwa 
20 Kilometer östlich Lodz, mit der Front nach Westen. Da 
tauchten gewaltige Kolonnen frischer russischer Kräfte, von 
Warschau uud südlich kommend, im Rücken der Divi 
sion auf. Am Morgen des 23. November schien die Lage 
geradezu verzweifelt. Die Division war von übermächtigen 
Feinden rings umschlossen. Ein Offizier aus dem Stabe 
Litzmanns schreibt in einem Bericht, 
daß er unwillkürlich an eine Stelle 
aus Schillers Jungfrau von Orleans 
habe denken müssen: 
„Als wir nun die Höhen erreicht 
und in das Tal herunterstiegen, da 
stand in weiter Ebene vor uns der 
Feind, und Waffen blitzten, da wir 
rückwärts sahn. Umrungen sahn wir 
uns von beiden Heeren, nicht Hoff 
nung war zu siegen noch zu fliehn; 
da sank dem Tapfersten das Herz..." 
Historisch interessant ist, daß diese 
Worte Prinz Friedrich Karl von 
Preußen in der Schlacht von Vion- 
ville—Mars-la-Tour (16. August 
1870) mit einem Anflug von spöt 
tischem Humor seinem Stabe vor 
trug, als die französische Übermacht 
das Schicksal des Tages zu ent 
scheiden drohte. 
In der verzweifelten Lage, in 
der sich General Litzmann befand, 
verließ ihn keinen Augenblick die 
ruhigste Überlegung. In parallelem 
Vorgehen mit dem in gleicher Lage 
befindlichen, von General v. Schef- 
fer-Boyadel befehligten 25. Re 
servekorps bereitete er den Durch 
bruch durch die russische Mauer vor. 
Erst wies er dem von Warschau 
kommenden Gegner grimmig die 
Zähne, löste sich dann von ihm los 
und ging in westlicher Richtung auf 
Brzeziny 20 Kilometer östlich Lodz 
zurück, um von da den Anschluß an 
deutsche Truppen gewinnen zu kön 
nen. Auf dem Wege dahin mußten 
Wälder und Dörfer erstürmt wer 
den, die von Russen dicht besetzt 
waren; doch vermuteten diese den 
Angriff nicht in ihrem Rücken, da 
sie von den aus der Richtung War 
schau kommenden Kameraden ge 
deckt zu sein glaubten. Ungeheure 
Marschleistungen, unterbrochen von 
den blutigsten Nachtgefechten, ließen 
in einzelnen Etappen Brzeziny ge 
winnen und dahin noch 3000 Ge 
fangene mitschleppen (das 25. Re 
servekorps brachte deren 10000 bis 
12 000 zurück). Brzeziny wurde 
in der Nacht zum 24. November 
von den seit vier Tagen ununter 
brochen im Gefecht befindlichen 
Truppen der 3. Gardedivision (in 
erster Linie des Lehrinfanterieregi 
ments) gestürmt ; dann aber wurde 
kehrtgemacht und der verfolgende Feind angegriffen und 
geworfen, um den nachfolgenden deutschen Heeresgruppen 
eine rettende Gasse zu öffnen. Die Artillerie fuhr teilweise 
in langem Galopp durch den verblüfften Feind. Wirklich 
eine Waffentat ohnegleichen. 
Von Brzeziny aus war der Anschluß an das 25. Reserve 
korps gewonnen und der Weg nach Nordwesten, zum An 
schluß an die Armee Hindenburgs, wieder offen. 
Kaiser Wilhelm belohnte General Litzmann durch die 
Ernennung zum kommandierenden General eines Reserve 
korps. Dieser erließ zum Abschied an seine bisherige 
Division einen Tagesbefehl, der mehr als alle Biographien
	        
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