Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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„Der Mmisterrat hat in Anbetracht, daß er in bezug 
auf die Richtlinien der Regierung in der internationalen 
Politik der Eintracht und der Zustimmung der koustitutio- 
nellen Parteien entbehrt, die angesichts des Ernstes der Lage 
erforderlich wäre, beschlossen, dem König seine Demission 
zu überreichen. Der König hat sich seinen Beschluß vor 
behalten." 
Die Partei Giolittis, der man 
die Schuld am Sturze Salan- 
dras zumaß, konnte siegreich 
ihr Haupt erheben, und bei 
den Zentralmächten glaubte 
man auf kurze Zeit die Kriegs 
gefahr überwunden. Um so 
rücksichtsloser wurde aber die 
Agitation für den Krieg auf 
die Straße getragen, und bald 
war es lebensgefährlich für die 
Friedensfreunde, sich als solche 
zu bekennen, ebenso wie viele 
Österreicher und Deutsche es 
bereits für geraten hielten, aus 
Italien zu flüchten. Viele Tau 
sende dieser Flüchtlinge fanden 
sich in den schweizerischenErenz- 
städten Lugano und Chiasso 
ein, wo sie den Gang der Er 
eignisse abwarten wollten. In 
Rom, Mailand, Turin und an 
deren italienischenStädten wur 
den deutsche Geschäfte geplün 
dert. Die Behörden regten 
keine Hand, diesem Treiben 
ein Ende zu machen. Man 
hoffte nur noch, daß sich di 
Wütenden austoben und ein 
die Zügel straff anziehendes 
Kabinett Eiolitti Ruhe und 
Ordnung herbeiführen würde. 
Doch es kam anders. 
Die Ministerkrise währte 
nur drei Tage. Schon am 
16. wurde gemeldet, der König 
habe die Demission des Mini 
steriums Salandra nicht ange 
nommen. Dies war für die ganze Welt eine große Über 
raschung. Wenn es auch schon vorher bekannt geworden 
war, daß Salandra bleibe, so glaubte man doch, daß in 
sein Ministerium wenigstens neue Männer, Friedensfreunde, 
eintreten würden. Ms gefährlichster Kriegshetzer erschien 
Sonnino, dem man nachsagte, daß er sich mit Haut und 
Haar dem Dreiverbände verschrieben habe. Aber selbst dieser 
blieb auf seinem Posten. Der König hatte sich vor den 
Straßenkundgebungen gebeugt. Er fürchtete für seinen 
Thron, denn der Ruf: Krieg oder Revolution! war der 
letzte Trumpf der Interventionisten. Der König wollte den 
Thron nicht gefährden und wählte den Krieg. Die letzte 
Hoffnung der Neutralisten schwand dahin. Eiolitti reiste 
Viktor Emanuel III., König von Italien. 
von Rom ab. Die Herrschaft der Interventionisten war 
gesichert; gefeiert wurde sie durch abermalige wüste Straßen 
kundgebungen, die in den größeren Städten von gewissen 
losen Kriegshetzern veranstaltet wurden und die Neutralisten 
einschüchterten, so daß sie gegenüber der herrschenden Krieg 
stimmung sich kaum noch bemerkbar zu machen wagten. 
Im ungarischen Abgeordnetenhause stellte am 17. Mai 
der Oppositionelle Graf Andrassy an den Ministerpräsidenten 
die Anfrage: „Entspricht die 
Nachricht der Berliner Blätter 
den Tatsachen, daß der gemein 
same Minister des Auswärtigen 
dem Königreich Italien ein 
territoriales Anerbieten gemacht 
hat zur Sicherung seiner end 
gültigen Neutralität?" 
In der Begründung seiner 
Anfrage hob Graf Andrassy 
hervor, daß er diesem Opfer 
ni>r dann zustimmen könnte, 
wenn es nicht bloß der Ausfluß 
eines augenblicklichen Bedürf 
nisses, sondern die Frucht ziel 
bewußter Politik sei, daß Öster 
reich-Ungarn jenen Gegensatz, 
der sich heute zeige, in Zu 
kunft ausschalten, daß es sein 
Verhältnis zu Italien auf eine 
gesündere, sicherere Basis stel 
len und die Grundlage zu 
einem künftigen Frieden legen 
müsse. „Meiner Ansicht nach," 
sagte der Redner, „würde ein 
Zwist zwischen Italien und der 
Monarchie beiden Staaten nach 
teilig sein; nur ein lachender 
Dritter würde daraus Nutzen 
ziehen, nur der Panslawismus, 
gegen den wir jetzt einen blu 
tigen Kampf führen, würde 
von diesem Gegensatz Vorteil 
haben, und andere Faktoren 
würden die jetzige Gelegenheit 
dazu benutzen, um sich im 
Mittelmeere für ewige Zeiten 
eine Vorherrschaft zu sichern." 
Ministerpräsident Graf Tisza führte in seiner Antwort 
aus: „Die Zeitungsmeldungen, die sich auf die seitens 
unserer Monarchie an Italien gemachten Vorschläge be 
ziehen, sind selbstverständlich nicht authentisch. Ich bemerke 
jedoch, daß sich aus ihnen eine richtige Orientierung über 
die Vorschläge der Monarchie gewinnen läßt. Diese Mit 
teilungen entsprechen der Wirklichkeit in dem Sinne, daß 
die Monarchie in der Tat territoriale Anerbietungen an 
Italien gemacht hat zum Zwecke der Sicherung der dauernden 
Neutralität Italiens. Da wir uns überzeugt haben, daß die 
Beseitigung der Reibungspunkte, das Hervorrufen eines 
Seelenzustandes, der die Voraussetzung einer dauernden, 
Baron Sidney Sonnino. Giovanni Giolitti. Antonio Salandra. 
ttaueniiHer Minister der auswärtigen der für eine friedliche Verständigung mit Österreich- italienischer Ministerpräsident und Minister 
Angelegenheiten. Ungarn eintrat. des Innern. 
Nach photographischen Aufnahmen der Berliner Illustrations-Gesellschaft m. b. H. 
II. Band.
	        
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