Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/13. 
(Fortsetzung.) 
Nachdem Fürst Radio Dimitriew in der Durchbruch 
schlacht und während der anschließenden Verfolgung 
der Verbündeten bis zum 12. Mai 143 500 Mann sowie 
gegen 100 Geschütze und 350 Maschinengewehre eingebüßt 
hatte, befahl er den Rückzug an den unteren San, der von 
Przemysl bis zur Mündung gehalten werden sollte. Hierzu 
hatte die Armee, wie gefangene Offiziere aussagten, den 
Befehl, sich auf dem westlichen Flußufer auszustellen und 
bis zum äußersten zu halten. An sich wäre dies wohl möglich 
gewesen, nachdem die Russen während der vergangenen 
Monate im Weichsel—San-Bogen bei Sieniawa, dann bei 
Jaroslau und Radymno große, stark ausgebaute Brücken 
köpfe auf dem westlichen Flußufer angelegt hatten. In 
Wirklichkeit erwies sich die Ausführung des Befehls als un 
möglich. Die Truppe war durch die erlittene Niederlage 
und den Rückzug so schwer erschüttert und durcheinander 
geraten, daß nur eine schwache Verteidigung der Sanlinie 
möglich war; wie groß die eingerissene Unordnung war, 
konnten unsere gegen den 
San vorrückenden Trup 
pen daran erkennen, daß 
sich unter den Gefange 
nen immer wieder Ver 
sprengte aus allen mög 
lichen Verbündender rus 
sischen Front fanden, die 
berichteten, daß die Füh 
rer bestrebt seien, durch 
einandergekommene Ver-" 
bände ohne Rücksicht auf 
die ursprüngliche Regi 
mentseinteilung neu zu 
ordnen. 
Von den verschieden 
sten Kriegsschauplätzen 
wurden die entbehrlich 
scheinenden Teile heran-, 
gezogen und mit der 
Bahn an den unteren 
San gebracht, so daß an 
dieser Flußlinie nicht we? 
Niger als 23 verschiedene 
Infanteriedivisionen sich 
den Verfolgern entgegen 
stellen wollten. Radko 
Dimitriew mußte aber 
wohl inzwischen das Ver 
trauen in die Wider 
standskraft eines großen 
Teiles seinerbeiEorlice— 
Tarnow beteiligt gewe 
senen Truppen verloren 
und die am schwersten 
ers chütterten Verbünd e 
weit hinter den San zu 
rückgenommen haben, 
denn unsere Flieger mel 
deten am 12. und 13. Mai 
den Rückmarsch langer 
russischer Kolonnen vom 
unteren San nach Osten 
und Nordosten. Es blieb demnach im wesentlichen den 
Neuangekommenen Verstärkungen vorbehalten, den San 
zu halten, besonders den Brückenkopf von Jaroslau, auf 
dessen Behauptung der russische Heerführer viel Wert zu legen 
schien. Am 14. begannen die Verbündeten, die Przemysl 
von Süden her abgeschlossen hatten und längs der ganzen 
Sanlinie bis nahe an den Fluß und dessen Brückenköpfe 
herangerückt waren, mit dem Angriff auf Jaroslau. Der 
Feind hatte die Höhen westlich der Stadt zu einer Art 
Festung ausgebaut. Von langer Hand vorbereitet, zogen 
sich hier die Schützengräben in weitem, nach Westen gerich 
tetem Bogen vom Flusse durch die westlichen Vorstädte 
nach dem Meierhof und dem Schlosse des Grafen v. Schi- 
mienski und durch den Park zur Jupajowkahöhe, die mit 
Amerikan. Copyright 1916 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart. 
II. Band. 
Slowakische Vorposten in einer Ruine in den Karpathen. 
Schloß und Meierhof den Schlüssel der Stellung bildete. 
Den Regimentern der preußischen Garde und des 6.^ öster 
reichisch-ungarischen Armeekorps war es vergönnt, sich in den 
Besitz von Stadt und Brückenkopf Jaroslau zu setzen. , Die 
Verteidigung bestand aus der 62. russischen Division, zu 
deren Unterstützung Teile der 41. und 45. Division be 
schleunigt herangeführt wurden, die die dortigen Befesti 
gungsanlagen besetzten und durch Legung neuer Draht 
hindernisse in aller Eile noch weiter zu verstärken suchten. 
In zweitägigem Kampfe entriß die Garde dem Feinde 
Jaroslau und warf ihn hinter den Fluß zurück. Die Re 
gimenter Elisabeth und Alexander erstürmten, untermischt 
mit österreichisch-ungarischen Truppen, im Nachtangriff 
den Meierhof und das Schloß samt Park, dessen uralte 
Bäume wie Streichhölzer von Granaten geknickt wurden, 
während die umfangreichen Schloßbauten den Flammen 
zum Opfer fielen. 
Den Plan zu dem Vorgehen auf dem südöstlichen Krieg 
schauplatz, das zu den 
glänzenden Erfolgen der 
Verbündeten in den Kar- 
pathmführte, hatte, wie 
amtlich bekannt gegeben 
wurde, der Chef des 
deutschen Generalstabes 
v. Falkenhayn (siehe Bild 
Seite 61) entworfen. 
Dem entsprach es, daß 
dem General vom Deut 
schen Kaiser der Schwarze 
Adlerorden, von Kaiser 
Franz Joseph das Groß- 
kreuzdesStephansordens 
verliehen wurde. Von 
beid en Herrs ch ern würd en 
bei der Verleihung be 
sonders der scharfe Blick 
d e s G eneralstabs ch efs und 
die der Vorbereitung und 
Durchführung des großen 
Planes entgegenstehen 
den Schwierigkeiten un 
umschränkt anerkannt. 
Die hohen Zahlen der 
Siegesbeute an Kriegs 
gefangenen, die in der 
gewaltigen Schlacht in 
Westgalizien und in den 
Karpathen gemacht wur 
den, haben die an sich 
ungeheure Schar der 
Russen, die in den Ge 
fangenenlagern Deutsch 
lands und Österreich- 
Ungarns untergebracht 
sind, unheimlich an 
schwellen lassen. Zu Be 
ginn des Monats Mai 
waren in Deutschland 
513 000, in Österreich 
und Ungarn mindestens 
301 000 russische Gefangene untergebracht. Seither sind auf 
den Kampfplätzen im Südosten, wo die verbündeten Heere 
gemeinsam fechten, mindestens 188 000, auf den nord 
polnischen und kurländischen Schlachtfeldern von deutschen 
Truppen allein nahezu 16 000 Gefangene erbeutet worden. 
1018 000 Mann haben also die russischen Heere bisher 
schon an Gefangenen eingebüßt. Der Rückschluß auf die 
Höhe der russischen Eesamtverluste, die eine geradezu un 
geheuerliche Höhe erreichen müssen, liegt nahe genug. 
Die Zahl der in den Gefangenenlagern der Zentralmächte 
untergebrachten Franzosen belief sich am 20. Mai auf etwa 
254 000, diejenige der Engländer auf 24 000, der Belgier 
auf 40 000 und der Serben auf 60 000, so daß die Ge 
samtzahl der Kriegsgefangenen, die in unseren Lagern ver- 
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