390
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Kommandanten des englischen Unterseeboots „AE 2",
das in den Dardanellen vernichtet wurde, gerichteter, vom
11. April datierter Brief, der in unsere Hände fiel, sagte
über die Nordseeschlacht, die in der Woche vorher statt
gefunden haben sollte, folgendes:
„,Superb' gesunken, Marrior' sinkend, ohne daß die
deutsche Marine Verluste hätte. Freitag, 9. April, lief
schwer beschädigt eine Anzahl Kreuzer ein, ,Lion' fürchter
lich zugerichtet. Der offizielle Bericht verschweigt alles,
was sehr unrecht ist."
Übereinstimmend hiermit besagten zuverlässige Nach
richten von neutraler Seite, die bald nach der Schlacht be
kannt wurden, daß eine Reihe mehr oder weniger mitge
nommener großer und kleiner Schiffe in die englischen Häfen
eingelaufen sei, um ihre auf damals noch unerklärliche Weise
erlittenen Beschädigungen auszubessern. Insbesondere an
der Mündung des Tyne war dies der Fall. Auch in den
Firth of Forth wurde ein am Backbordbug beschädigter
Kreuzer eingeschleppt. In die Themse fuhr ein Linienschiff
mit schwerer Steuerbordschlagseite ein. In Dover lag ein
Großkampfschiff mit starker Backbordschlagseite, bei dem
die obere Hälfte des hinteren Schornsteins fehlte.
Aus welchem Grunde die norwegische Zensur damals
alle Erörterungen und Telegramme über die Schlacht, die
ja in ihren Einzelheiten von mehreren Stellen wahr
genommen worden war, unterdrücken mußte, wurde jetzt
erklärlich. Erklärlich auch der Eifer, mit dem die britische
Admiralität in Abrede stellte, daß eine Seeschlacht zwischen
der deutschen und der englischen Flotte stattgefunden habe.
Sie hatte recht mit dieser Bekanntmachung. Die deutsche
Flotte hatte an dieser Schlacht keinen Anteil. Da neutrale
Schiffe nicht in Frage kamen, konnte es sich nur um eine
gegenseitige Bekämpfung britischer Geschwader handeln,' die
sich im Dunkel der Nacht nicht erkannt hatten. Die Schiffe
„Superb" und „Warrior" gehörten zum wertvolleren Teil
der britischen Kriegsmarine, und ihr Untergang in jener
seltsamen „Seeschlacht" bedeutet für die englische Seemacht
einen empfindlichen Verlust.
Auch unsere L u f t f l o t t e rührte sich wieder, um den eng
lischen Inselbewohnern zu Gemüte zu führen, daß sie sich
im Kriege befinden. Am 14. April, abends gegen acht Uhr,
erschien eines unserer Marineluftschiffe über der Tyne-
mündung, gegen die es Bomben schleuderte. Unter dem
Schuhe der Dunkelheit warf es über Blyth, 20 Meilen von
Newcastle (siehe die Karte Seite 116), einige Bomben ab.
Sodann wurde das Luftschiff über Wallsend, Seaton, Burn
und Cramlington gesehen. Bei der Rückkehr erschien es
wieder über Wallsend, nahe bei Newcastle. Als es ge
meldet wurde, löschte man alle Lichter und griff sogleich hier
wie an den anderen Küstenplätzen zu Maßregeln, um es zu
verjagen. Von dem Schaden, der hier angerichtet wurde
(siehe auch unser Bild Seite 382, das die Wirkung einer
solchen Fliegerbombe veranschaulicht), erfuhr man nichts Ge
naues; Londoner Meldungen stellten ihn als unbedeutend
hin. Wie sich später herausstellte, wurde aber bei diesem
Angriff ein Englisches Schlachtschiff erheblich beschädigt.
Die Reise, die unser Marineluftschiff über englisches Gebiet'
zurücklegte, war zwar nicht sehr weit, bedrohte aber im
äußersten Norden Englands und unfern Schottlands in der
Grafschaft Northumberland ein durch seinen Kohlenbergbau,
seine Eisenhämmer und Glashütten reiches Gebiet und zeigte
vor allen Dingen auch, daß der für den englischen Handel
so außerordentlich wichtige Tynefluß mit South Shields
und Newcastle und den an diesen Plätzen befindlichen
Eisenwerken, Fabriken und Schiffswerften vor deutschen
Bomben nicht mehr sicher sei, sondern jederzeit von unseren
Luftschiffen bedroht werden könne.
Noch mitten in der Freude über den wohlgelungenen
Angriff eines deutschen Marineluftschiffes auf die Tyne-
mündung im Norden Englands, traf das deutsche Volk die
erfreuliche Kunde, daß bereits 24 Stunden später die Be
wohner Englands abermals vom Surren der Zeppelinpro
peller aufgescheucht und in neue große Erregung versetzt
worden seien. In der Nacht vom 15. zum 16. April
statteten mehrere Marineluftschisfe, von Flugzeugen begleitet,
dem südlichen Teile der Ostküste Englands einen unheimlichen
Besuch ab. Nach dem amtlichen Bericht wurden ver
schiedene verteidigte englische Plätze erfolgreich mit Bomben
belegt. Nach Londoner Meldungen wurden in den Graf
schaften Suffolk und Esser 24 Bomben geworfen, wodurch
ein Holzmagazin im Werte von 200 000 Mark infolge
Brandes vernichtet und sechs Häuser zerstört wurden, fünf
weitere in Brand gerieten. Lowestoft, eine Stadt mit regem
Schiffsbau, 16 Kilometer weiter südlich Southwold, Hey
bridge, wo bedeutende Salzwerke liegen, das gewerb-
fleißige Maldon am Zusammenfluß des Blackwater mit dem
Chelmer — alles Orte, die wegen ihrer Lage an der Küste
mit Verteidigungsmitteln ausgerüstet worden waren und
deshalb angegriffen werden durften — wurden von den
Zeppelinen mit Bomben beworfen; ferner erschien ein
deutsches Flugzeug südlich der Themse über Sittingbourne,
nur 12 Kilometer südlich von Sheerneß, und warf dann
auch noch über Faverham, 15 Kilometer östlich von Sitting
bourne, Bomben ab.
Die Marineluftfahrzeuge konnten, durch das Frühlings
wetter Ende April und Anfang Mai begünstigt, eine sehr viel
lebhaftere und erfolgreichere Tätigkeit, über der Nordsee
entfalten als vordem. Namentlich in der Bekämpfung der
feindlichen Unterseeboote waren sie glücklich. Es liegt in der
Art dieses Kampfes, daß nicht in allen Fällen Erfolge eines
Bombenangriffs aus der Höhe mit Sicherheit gesehen werden
können, weil Unterseeboote, wenn sie mit Bomben an
gegriffen werden, meist tauchen, wobei zunächst nicht zu
erkennen ist, ob dieses Tauchen durch einen Treffer ver
anlaßt wurde oder nicht. Immerhin gibt es gewisse An
zeichen für eine ernste Beschädigung, sei es, daß das ge
troffene Boot nicht mehr auftauchen kann oder daß es gerade
wegen der erhaltenen Beschädigung auftauchen muß und
dann mit Sicherheit das Opfer neuer Bomben wird.
Hiernach können wir annehmen, daß tatsächlich die Ver
luste an englischen Unterseebooten in der Nordsee größer
sind, als sie in den amtlichen Bekanntmachungen angegeben
wurden, die ja stets nur das sagen, was mit unbedingter
Gewißheit geschehen ist. Daß es dabei am 3. Mai zu einem
ganz regelrechten Gefecht zwischen Unterseebooten und
Luftschiffen kam, ist unzweifelhaft die neueste Kampf
erscheinung. Englische Unterseeboote griffen vereint aus
großer Entfernung ein Luftschiff mit Geschützen an, das
nun seinerseits zum Bombenangriff schritt, dem stch die
E-Boote allerdings dann sehr bald durch Tauchen zu ent
ziehen versuchten; dabei wurde das eine mit Gewißheit ver
nichtet (siehe unser Bild Seite 391).
Auch die Flotte unserer Verbündeten vollbrachte im
April eine Großtat. Das österreichisch-ungarische Unter
seeboot „U 5", dessen Kommandant der Linienschiff
leutnant Georg Ritter v. Trapp ist, torpedierte am 27. April
im Jonischen Meer den französischen Panzerkreuzer „Loon
Gambetta". Wir haben darüber schon Seite 378 ausführlich
berichtet. Die kühne Tat des österreichisch-ungarischen
Unterseeboots rief in Italien, vor allem in fachmännischen
Kreisen, lebhaften Widerhall hervor. Die Presse äußerte
sich dahin, daß dieser Erfolg der Tüchtigkeit zuzuschreiben
sei, mit der der Führer des Unterseebootes die ihm vorteil
haften Verhältnisse ausgenutzt habe. Infolge der günstigen
strategischen Verhältnissein der österreichischen'Adria könne
die verteidigende Flotte ruhig alle glücklichen Umstände ab
warten und habe so eine lange Reihe von Erfolgen auf
zuweisen- wie Abschlagung des Angriffs auf Eattaro, Ver
senkung-des „Curie", eines anderen Dreadnought und nun
mehr auch des „Leon Gambetta". (Fortsetzung folgt.>
Illustrierte Kriegsberichte.
Sturm auf die Lorettohöhe.
(Hierzu die Bilder Seite 389 und die Kartenskizze Seite 388.)
Am 3. März entrissen unsere Truppen auf der Loretto
höhe dem Feinde 600 Meter Schützengraben, machten
8 Offiziere und 558 Mann zu Gefangenen und erbeuteten
7 Maschinengewehre und sonstiges Kriegsmaterial. Das teilt
der amtliche Bericht des Großen Hauptquartiers mit. Knapp,
aber inhaltschwer. Eine genaue Beschreibung des Sturmes
verdient weiteren Kreisen zugänglich gemacht zu werden.
Wir geben sie hier auf Grund des Berichts eines Mitkämp
fers, den dieser an den „Schwäbischen Merkur" sandte: