Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
machung Schiffe, die die Flagge Großbritanniens oder 
eines seiner Verbündeten führen, der Zerstörung in diesen 
Gewässern ausgesetzt sind, und daß Reisende, die in der 
Kriegszone auf Schiffen Großbritanniens oder seiner Ver 
bündeten fahren, das auf ihre eigene Gefahr tun." 
Die englandfreundliche amerikanische Presse, wie auch 
die durch Kabelnachrichten bedienten englischen Blätter 
verkündeten mit Stolz, daß diese Warnung auf die Reisenden 
nicht den geringsten Eindruck gemacht habe und sich niemand 
non der Reise habe abhalten lassen. So fuhr denn die 
„Lusitania" am 2. Mai von New Pork ab, nicht nur voll 
beladen mit Munition und anderem Kriegsmaterial für 
England, sondern auch mit einer großen Zahl von Fahr 
gästen, von denen das Schiff nahezu 2000 fassen konnte. 
Die deutsche Botschaft in Amerika ließ es aber bei der oben 
abgedruckten Warnung allein nicht bewenden. Vanderbilt 
und verschiedene andere Amerikaner, von denen man 
wußte, daß sie mit der „Lusitania" nach Europa reisen 
wollten, erhielten dringende 
Warnungstelegramme des In 
halts, daß sie die Reise auf 
geben sollten. Aber es nützte 
nichts. Die englandfreundliche 
amerikanische Presse spottete 
über die Deutschen und erklärte 
sowohl die Warnung wie auch 
die Telegramme für einen lächer 
lichen Bluff, der den Ameri 
kanern und insbesondere den 
Engländern Furcht einjagen 
solle. Die amerikanische Ver 
tretung der Cunard-Linie er 
klärte mit Stolz, es seien alle 
Maßregeln getroffen, um die 
„Lusitania" sicher in Liverpool 
zu landen. Den Reisenden 
wurden aber zwei wichtige Um 
stände verschwiegen: Die „Lusi 
tania" wurde als Hilfskreuzer 
in der Liste der englischen Ma 
rine geführt und war, wie in 
dem englischen Jahrbuch des 
Navy League nachzulesen ist, 
fast ebenso stark ausgerüstet wie 
die Countryklasse der engli 
schen Panzerkreuzer. Außerdem 
führte sie 5400 Kisten Muni 
tion und große Mengen Kriegs 
material mit sich; der größte 
Teil der Ladung bestand somit 
aus Konterbande. Das berech 
tigte die deutsche Regierung, 
das Schiff nicht als Passagier 
schiff zu behandeln, sondern als 
Kriegschiff. Ein Unterseeboot 
kann es niemals mit einem 
Kriegschiff aufnehmen, wenn 
es dieses erst warnt, denn ein einziger Schuß des armierten 
Schiffes kann das Unterseeboot vernichten. Unsere It-Boote 
haben bei Versenkung von Handelschiffen stets das ihrige 
getan, um Mannschaft und Passagiere zu retten. Sie ließen 
ihnen immer Zeit, die Boote zu besteigen, bevor das Schiff 
versenkt wurde. Durch das englische Vorgehen, Unter 
seeboote zu überfahren, Kauffahrteischiffe zu bewaffnen, 
Schiffe anscheinend anhalten zu lassen und dann plötzlich 
auf ein Unterseeboot zu schießen, ist die Untersuchung der 
Schiffe und die Rettung ihrer Bemannung unmöglich ge 
macht worden. Die Schuld hierfür trifft England. Einem 
Kriegschiffe gegenüber, wie die „Lusitania" es war, fällt 
eine solche Rücksichtnahme fort. Es war die Gewissen 
losigkeit des englischen Geschäftsgeistes, der nur auf Profit 
ausgeht, es war der englische Hochmut, der sich einbildete, 
die Deutschen würden es nicht wagen, an ein Schiff wie 
die „Lusitania" heranzukommen, wenn so und so viel 
„prominente" Amerikaner als Fahrgäste an Bord seien. 
Infolgedessen begaben sich die Fahrgäste der „Lusitania" 
auf einen Vulkan, ohne von der Größe der ihnen drohenden 
Gefahr eine klare Vorstellung zu haben. Auf der ganzen 
Fahrt spotteten Engländer und Amerikaner, wie ein ge 
retteter Reisender später erzählte, über den Bluff der 
Deutschen. Aber die Vergeltung für diesen Hochmut blieb 
nicht aus. 
Unmittelbar nach der Abfahrt von New Pork war die 
Stimmung an Bord der „Lusitania" etwas gedrückt, da 
die verschiedenen Warnungen, die den Fahrgästen zuteil 
geworden waren, bei vielen von ihnen doch eine gewisse 
Beklemmung hervorgerufen hatten. Je mehr sich jedoch die 
Reise ihrem Ziel näherte, desto mehr hob sich die Stimmung 
wieder, zumal die Fahrt vom herrlichsten Wetter begünstigt 
war und außerordentlich schnell vonstatten ging. Die Untersee 
bootgefahr wurde für ziemlich gering erachtet. Erst die 
außerordentlichen Vorsichtsmaßregeln, die die „Lusitania" 
traf, als sie sich der Blockadezone näherte, erinnerten die 
Passagiere daran, daß sie sich im Kriege befanden. Es 
durften außenbords keine Lichter mehr gezeigt werden, so daß 
nach Anbruch der Dunkelheit das Deck der „Lusitania" in 
völliger Nacht lag. Die Kapelle spielte nicht mehr auf Deck, 
wie überhaupt jedes überflüssige Geräusch vermieden wurde. 
Den durch diese Maßregeln 
besorgt gemachten Passagieren 
erwiderten die Offiziere des 
Dampfers stets in beruhigend 
ster Form, rieten ihnen aber, 
wenn auch mehr in scherzendem 
Tone, auf alles gefaßt zu sein. 
Im Ernst glaubte jedoch eigent 
lich niemand an das tatsächliche 
Vorhandensein einer Gefahr. 
So kam der Unglückstag, der 
7. Mai, heran, in dessen Abend 
stunden die englische Küste er 
reicht werden sollte. Das ge 
meinsame Mittagessen der Pas 
sagiere erster Klasse verlief wie 
gewöhnlich in heiterster Stim 
mung und war gegen zwei Uhr 
beendet. Die meisten Passa 
giere zogen sich in ihre Kabinen 
zurück, nur wenige blieben auf 
Deck und beobachteten die völlig 
ruhige See. Es war weit und 
breit kein Schiff zu sehen, nur 
am äußersten Horizont zeigte 
sich eine Rauchfahne, die, wie 
sich später herausstellte, einem 
englischen Torpedojäger ange 
hörte. Plötzlich wurde von 
einigen Passagieren in einer Ent 
fernung von etwa 1000Pards 
die Kommandobrücke eines 
Unterseeboots gesichtet. Gleich 
darauf konnte man die weißen 
Schaumlinien eines Torpedos 
sehen. Die „Lusitania" wurde 
am Vorderschiff getroffen. Es 
erfolgte eine laute Erplosion, 
und Teile des aufgerissenen 
Schiffskörpers flogen in die Luft. Bald darauf entstand 
eine zweite Erplosion auf dem Schiff, das sich nach Steuer 
bord zu neigen begann. Bei dem Herunterlassen der Boote 
herrschte Mangel an Ordnung und Zucht, was zur Folge 
hatte, daß nur etwa ein Drittel der Passagiere gerettet 
wurde. Mehrere Boote waren noch gar nicht herabgelassen, 
als das Schiff sank. „Die Bemannung der,Lusitania' sorgte 
nur für sich selbst," sagte der wallisische Grubenbesitzer 
Thomas einem Berichterstatter gegenüber aus. „Es war 
keine Rede von Unerschrockenheit, Ordnung und Zucht, es 
herrschte vollständige Verwirrung. Die Leute drängten 
sich in die Boote. Es wurde zwar gerufen: ,Frauen und 
Kinder zuerst!' — aber es hätten ein paar Revolver da sein 
sollen, um die Ordnung zu erzwingen. Die Luken wurden 
gar nicht geschlossen, man machte nicht einmal den Ver 
such. Die zusammenlegbaren Boote wurden meist nicht 
losgeschnitten oder waren, als man sie öffnete, löcherig." 
Dieser Bericht eines Fahrgastes wurde ergänzt durch folgende 
amtliche Meldung unseres Admiralstabes: 
Aus dem Bericht des Unterseebootes, das die ,-Lusitania" 
zum Sinken gebracht hat, ergibt sich folgender Sachverhalt: 
Das Boot sichtete den Dampfer, der keine Flagge führte, 
am 7. Mai, zwei Uhr zwanzig Minuten nachmittags, an 
Hofphot. A. Hirrlinger, Stuttgart. 
Königl. württ. Oberst Dr. ptiil. & ings. h. c. Wilhelm Groener, 
Chef des Feldeisenbahnwesens. 
Ihm wurde unter anderem im Mai 1915 vom Senat der technischen Hoch 
schule in Stuttgart auf einstimmigen Antrag der Abteilungen für Bau 
ingenieurwesen und für Maschineningenieurwesen einschließlich der 
Elektrotechnik die Würde eines Doktor-Ingenieurs ehrenhalber verliehen 
in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um das Eisenbahn 
wesen durch die unermüdliche Arbeit, die im Frieden weitschauend die 
Anforderungen des Kriegs zielbewußt ins Auge faßte und in den Zeiten 
des Kriegs nicht nur den militärischen, sondern auch den wirtschaftlichen 
Bedürfnissen vollauf gerecht wurde (siehe auch den Artikel S. 396 unten).
	        
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