Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Verhinderung der Ausfuhr infolge der Sperre außerordent 
lichen Schaden. Aber damit noch nicht genug: die Türkei hob 
auch die Kapitulationen auf, und zwar mit Genehmigung 
der Dreibundstaaten. Die Kapitulationen sind die Grund 
lage des verwickelten Fremdenrechts, das die Stellung der 
Nichtmohammedaner in der Türkei regelt. Es sind Ver 
träge und Privilegien, die von den christlichen Staaten im 
Hinblick auf die Unvollkommenheit der osmanischen Gesetz 
gebung und die religiösen Vorurteile des türkischen Volkes 
schon seit dem 15. Jahrhundert zugunsten ihrer in der 
Türkei ansässigen Angehörigen durchgesetzt worden sind. 
Diese Kapitulationen haben ihre Vorläufer in den Rechten 
und Vorrechten, die einst in dem alten byzantinischen Reich 
die Angehörigen der italienischen Handelsrepubliken ge 
nossen haben. Rach der Eroberung Konstantinopels durch 
die Türken wurde diese byzantinische Einrichtung natürlich 
aufgehoben, und die Kapitulationen unserer Tage, wie sie 
die Türkei nach dem Muster des Vertrages zwischen Frank 
reich und der Pforte mit fast allen europäischen Staaten 
abgeschlossen hat, stellten eine ganz selbständige Neubildung 
dar. Nach dem neuen Kapitulationsrecht nahmen die 
Angehörigen der fremden Staaten eine bevorzugte Stel 
lung in der Türkei ein. Sie bildeten mit ihrer Steuer- und 
Abgabenfreiheit, mit dem Recht der eigenen Gerichtsbarkeit 
Streitkräfte wirken konnte. Auf seiten der Regierung war 
schon alles vorbereitet für die sofortige Ausweisung aller 
Untertanen der Dreiverbandmächte, die Schließung aller 
ihrer Schulen und anderen Einrichtungen und die Auf 
hebung aller ihnen gewährten Erlaubnisse und Vergünsti 
gungen. 
In einer an die auswärtigen Vertretungen gerichteten 
Zirkularnote legte die Pforte dar, daß die Ausdehnung 
der zum ottomanischen Gebiet gehörenden Gewässer vom 
militärischen Standpunkt aus durch eine in einer Entfer 
nung von sechs Seemeilen von der Küste angenommene 
Linie begrenzt werde. Das Marmarameer (siehe auch die 
Karte Band I Seite 342) gehöre als Binnenmeer in seiner 
Gesamtheit zu den territorialen Gewässern. Bezüglich des 
äußeren Einganges in die Dardanellen (s. auch das Kärtchen 
Band l Seite 494) und den Bosporus werde die Kreisfläche 
mit einem Durchmesser von sechs Meilen, die ihren Mittel 
punkt in der Linie Kum—Kalessi—Sedil—Bahr beziehungs 
weise Anadoli—Feuer und Rumeli—Feuer habe, als unbe 
dingte Verbotzone erklärt. Die Note bezeichnete noch andere 
verbotene Zonen und erklärte, daß fremden Kriegschiffen 
bei Tag und bei Nacht die Einfahrt in die verbotenen 
Zonen untersagt werde. 
Eine Forderung Englands, die Türkei möge den eng- 
Der Hafen von Sebastopol. 
und der vollen Freiheit der Niederlassung, des Handels, 
des Verkehrs, der Religionsübung gewissermaßen einen 
Staat im Staate, und dieser Zustand schuf der türkischen 
Diplomatie immer neue Quellen der Sorge und Ver 
wicklung, weil die Privilegien der Fremden oder die auf 
ihnen beruhenden Reformpläne der Mächte leicht mit der 
Oberhoheit der Pforte oder mit der Würde des Kalifats 
in Widerspruch gerieten. Es war daher schon lange das 
Streben der türkischen Regierung, die Kapitulationen auf 
zuheben, und der nunmehr tatsächlich vorgenommene Schritt 
zeigt, wie sehr das türkische Nationalgefühl mit der Zeit 
gewachsen ist. Es sah in dem Bestehen der Kapitulationen 
das traurige Erbe der Vergangenheit und konnte sich mit 
der Verletzung der eigenen Hoheitsrechte zugunsten der 
Fremden nicht mehr zufrieden geben. 
Der schärfste Einspruch gegen die Maßnahme war er 
folglos. Auch an Drohungen ließ man es nicht fehlen, um 
die Türkei nachgiebig zu machen, aber sie zeigte diesmal 
eine außerordentliche Willensstärke. Der Konflikt war am 
2. Oktober bereits scharf zugespitzt. Mit der Sperrung der 
Dardanellen glaubte die Pforte, Rußland als die am meisten 
geschädigte Macht veranlassen zu können, bei seinen Ver 
bündeten dafür einzutreten, daß deren Geschwader die 
dortigen Gewässer räumen und den Schiffsverkehr nicht 
weiter hindern sollten. Überdies gibt diese Sperrung der 
Türkei freie Verfügung über nahezu die gesamte Flotte 
im Pontus, wo sie demzufolge stärker als die russischen 
lischen Handelschiffen im Schwarzen Meer die Rückkehr 
nach den neutralen Gewässern durch den Bosporus gestatten, 
lehnte die Pforte bedingungslos ab. Sie erklärte, daß sie 
nicht mehr in der Lage sei, ihren Minengürtel in den Dar 
danellen auszuschließen. 
Welcher Geist in der islamitischen Welt herrschte und 
mit welchen Augen man von da aus den europäischen Völker 
krieg betrachtete, beweist ein Artikel des seit 22 Jahren in 
Kalkutta erscheinenden „Habl ul Matin", der Anfang 
Oktober nach Europa gelangte. Es heißt da: 
„Wenn wir berücksichtigen, daß Deutschland in dieser 
kritischen Zeit der Türkei zwei seiner besten Kriegschiffe 
verkauft, so werden wir erkennen, daß Deutschland während 
des Krieges nicht nur die Ottomanen an sich ziehen wollte, 
sondern alle Muselmanen der Welt. Ohne Zweifel wird 
die Türkei, die in der islamitischen Welt einen unbegrenzten 
Einfluß besitzt, das Vorgehen Deutschlands nicht vergessen 
und nicht zögern, es zu unterstützen, wenn nicht materiell, 
so doch wenigstens moralisch." 
„Habl ul Matin" stellte weiter fest, daß die von Erey 
gespielte abscheuliche Intrige eine Abkühlung der Ottomanen 
England gegenüber herbeigeführt habe. Erey habe die 
traditionellen Beziehungen zwischen England und der 
Türkei vernichtet und die wahren Interessen Englands den 
Königreichen Griechenland und Montenegro geopfert. Die 
falschen Auffassungen Ereys brächten alle Muselmanen 
in Verzweiflung. Indier, Ägypter und Perser betrachteten
	        
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