Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
gerufen wurde, wenn man sich vor Augen hält, daß noch 
einige Tage vorher Lloyd George im englischen Unterhause 
über die ausgezeichnete Arbeit der Munitionsfabriken und 
die starke Zahl der jetzt im Kampfe stehenden englischen 
Soldaten Erklärungen abgegeben hatte, die einen wahren 
Jubel hervorriefen, wenngleich die konservativen Blätter 
nicht recht an den Fortschritt der Munitionsfabrikation 
glauben wollten. Jedenfalls aber war man in ganz Eng 
land überzeugt, daß es dem neuen englischen Heere gelingen 
werde, die deutsche Linie zu durchbrechen. — 
Zu ebenfalls teilweise sehr bedeutenden neuen Kämpfen 
kam es Mitte März zwischen Maas und Mosel. Dem herr 
lichen Siege unserer Truppen in der Champagne vom 
9. März folgten zunächst einige^Tage der Ruhe. Bald 
flackerte der Kampf an einigen Stellen wieder aus. Doch 
alle französischen Angriffe waren erfolglos und brachten dem 
Gegner nur Verluste. Auch an den nächsten Tagen unter 
nahmen die Franzosen bei Le Mesnil Teilangriffe auf 
unsere Stellungen, wurden jedoch stets unter schweren 
Verlusten zurückgeschlagen. Am 18. März entspannen sich 
nördlich des genannten Ortes und nördlich von Beau-Sejour 
erbitterte Kämpfe, die damit endeten, daß sich die Fran 
zosen unter schweren Verlusten, auch an Gefangenen, zu 
rückziehen mußten. Auch um die Höhe 196, nordöstlich von 
Le Mesnil, kan: es an diesem Tage zu Kämpfen, von denen 
ein Artillerieoffizier nachstehende packende Schilderung gab: 
„Am Nachmittag steigerte sich das Artilleriefeuer des 
Gegners zu einem rasenden Schnellfeuer, das sich vor 
unserem Abschnitt auf einen Raum von einigen hundert 
Metern des Schützengrabens vereinigte. 
Ununterbrochen dröhnen die Detonationen, wie ein 
ungeheurer Paukenwirbel, der auf unsere Linien trommelt. 
Man glaubt den Berg unter sich beben zu fühlen. Die 
Luft zittert in unzähligen Wellen, die die Nerven in einen 
aufregenden Zustand höchster Anspannung versetzen. Uber 
dem Schützengraben steigt eine hohe Wand empor von hoch 
geschleuderten Staubwolken und schwarzem Rauch, wie ein 
wallender Vorhang, aus dem grelle Flammen zucken. 
Alle Batterien, die wir auf dem Abschnitt vereinigen 
können, legen mit ihrem Schnellfeuer einen Feuerriegel 
vor unsere Gräben. 
Ich suche mit dem Scherenfernrohr das Gelände ab, 
um vielleicht aus irgendeinem Anzeichen in den benach 
barten Abschnitten einen Schluß auf den Verlauf des un 
sichtbaren Kampfes ziehen zu können. 
Auf einmal sehe ich durch das Glas Kolonnen in einer 
breiten Front, Schulter an Schulter gedrängt und mehrere 
Glieder tief. Deutlich erkenne ich die Käppis — hier 
springt über die Linien ein Schein auf von dem Stahl der 
Bajonette. Hinter der langen geschwungenen Linie der 
kahlen Hochfläche stehen sie wie eine dunkle Mauer gegen 
den hellen Himmel. Durch das Telephon geht der Befehl: 
Alle verfügbaren Geschütze gegen Höhe 196! 
Die schwarze Masse war jetzt auf der Höhe und schwankte 
wie eine gewaltige Woge vorwärts in einem schweren, 
wuchtigen Rhythmus. 
Es war ein glühendes Feuer von Wut: Wann kommt 
der erste Schuß? Auch die Batterieführer, die es mit an 
gesehen hatten, erzählen, wie sie mit geballten Fäusten 
in ihren Beobachtungstellen standen. 
Aus der Mitte löst sich eine Kompanie und stürmt mit 
glänzendem Schneid. Weit vor allen ein Offizier mit einer 
hinreißenden, begeisterten Bewegung. Aus der zögernden 
Menge schließen sich einzelne beherzte Leute und kleinere 
Gruppen an. In unserem Schützengraben ein wilder Nah 
kampf. Uber dem rechten Ende der französischen Linie blitzt 
es zweimal kurz hintereinander auf. Klar und scharf 
sehe ich die runde gelbe Rauchwolke, aus der ein Spreng- 
kegel von Eisenstücken in die dichte Linie herunterschlägt. 
Dann tanzen auch weiße Schrapnellwolken immer schneller. 
Blutig und elend bricht die stolze Front zu Boden. Auf den 
Hängen liegen sie zu Hunderten in dunklen unförmigen 
Flecken. Trümmer fluten zurück, von Entsetzen und Grauen 
gejagt. Zersprengt fliehen sie über die Hochfläche oder 
laufen bestimmungslos hin und her in ihren phantastisch 
flatternden langen Mänteln. Das Feuer fegt noch über 
die Höhe. Einzelne bleiben plötzlich stehen in einer ge 
krümmten, aufwärts gebogenen Haltung — man glaubt 
zu sehen, wie ihre Hände krampfhaft die Leere zu fassen 
suchen — und fallen. 
In dem französischen Bericht war zu lesen von merk 
lichen Gewinnen westlich und östlich der Höhe 196, nord 
östlich von Le Mesnil. 
Wir kennen die Phrase ebenso wie die andere von dem 
leichten Vorrücken in der Gegend von 3E. So nennen sie 
ihre Sturmangriffe, die vor unseren Stellungen zusammen 
brechen. Sie vergessen zu sagen, daß sie, nachdem sie 
60 Meter vorstürmten, wieder zurückliefen. Auch bei dem 
großen Angriff vom 18. März, von dem sie eine Entscheidung 
erhofften, schien es ihnen nicht erwähnenswert zu sein, daß 
nur ihre Toten an den Stellen lagen, die sie gewonnen 
hatten." 
Auch bei Verdun versuchten die Franzosen an diesem 
Tage vorzudringen, was jedoch mißlang; ebenso wurden 
sie in der Woevreebene blutig abgewiesen. Besonders 
verlustreich waren für den Gegner die Kämpfe am Ost 
rande der Maashöhen bei Combres. Nördlich von Beau- 
Sejour setzten unsere Truppen an den nächsten Tagen ihre 
Vorwärtsbewegung fort und nahmen dabei mehrere fran 
zösische Schützengrabenlinien, auch wurden rund 300 Mann 
zu Gefangenen gemacht. Am 22. März richteten sich 
kleinere Vorstöße der Franzosen besonders gegen Combres, 
Apremont und Flirey, scheiterten jedoch sämtlich, und bei 
einem Nachtangriff nördlich des letztgenannten Ortes er 
litten unsere Gegner eine neue Niederlage. Am folgenden 
Tage griff der Gegner im Priesterwalde, nordwestlich von 
Pont-ä-Mousson, unsere Stellungen an, wurde aber auch 
hier zurückgeworfen. Hartnäckige Kämpfe entspannen sich 
an den nächsten Tagen auf den Maashöhen südöstlich von 
Verdun, bei Combres und in der Woevreebene. Schon 
am 27. März aber wurden sie zu unseren Gunsten ent 
schieden. Am 30. griffen die Franzosen von neuen: im 
Priesterwalde, westlich von Pont-ä-Mousson, an, wurden 
aber bald zurückgeschlagen; auch die in den nächsten Tagen 
wiederholten Vorstöße mißlangen sämtlich. Nach den ersten 
tastenden Versuchen und von unseren Fliegern beobachteten 
Verschiebungen hinter der französischen Front sowie ein 
leitenden Jnfanteriekämpfen im Priesterwalde und westlich 
davon begann am 3. April eine heftige Tätigkeit der fran 
zösischen Artillerie im Norden bei dem vielumstrittenen 
Combres und auf der Südfront zwischen Mosel und Maas. 
Die deutschen Vorposten gingen, als sich die feindliche In 
fanterie entwickelte, planmäßig von Regniöville und Fey- 
en-Haye auf die Hauptstellung zurück. Am Ostermontag, 
dem 5. April, begann der eigentliche Angriff der Franzosen 
auf der Südfront, zunächst nördlich Toul, dann auch im 
Priesterwalde und gleichzeitig am Nordflügel, südlich der 
Orne, sowie zwischen Les Eparges und Combres. Ein Er 
folg war den Franzosen nirgends beschieden. Wo kleine 
Trupps an einzelnen Stellen bis an die deutschen Gräben 
oder selbst in sie hinein gelangten, wurden sie überall wieder 
geworfen. Am heftigsten entbrannte der Kampf an zwei 
Punkten: Zwischen der Maas und Apremont kamen die 
Franzosen in dem waldigen Gelände nahe an die deutschen 
Stellungen heran, ehe vernichtendes Feuer sie auf kurze 
Entfernung empfing. Besonders aber entwickelte sich öst 
lich von Flirey eine regelrechte Schlacht. Den französischen 
Schützen, die unter geschickter Ausnutzung jeder Gelände- 
falte vorgingen, folgten starke Reserven, um den Angriff 
nach Norden vorzutragen. Hier fand die deutsche Artillerie 
große Ziele und gelangte zu gewaltiger Wirkung. Nach 
kurzer Zeit waren die Reserven in wilder Flucht, während 
der Schützenangriff im deutschen Eewehrseuer blutig zu 
sammenbrach. Bei Flirey selbst mußten die Unsrigen, uni 
ihre Gräben zu behaupten, in nächtlichem Kampfe zum 
Bajonett greifen. 
Wie die französischen Offiziere mit allen Mitteln ver 
suchten, ihre Leute zum Vorgehen zu bringen, zeigt folgen 
der Befehl des Generals Dubail, des Führers der ersten 
französischen Armee, vom 5. April: 
„Seit drei Monaten haben die deutschen Armeekorps 
zwischen Maas und Mosel durch zahlreiche und energische 
Angriffe unserseits zu leiden gehabt, so daß ihre Wider 
standskraft nunmehr beträchtlich vermindert ist. Mehrere 
Regimenter mußten in der letzten Zeit abgelöst werden, 
die anderen wurden infolge der ihnen von uns zugefügten 
Verluste zurückgenommen oder haben den Abschnitt ge 
wechselt, zum Beispiel die bei Les Eparges gelichteten 
bayrischen Regimenter der 33. Division; die anderen wurden 
auf andere Teile des Kriegschauplatzes geschafft, um die
	        
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