Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
Reißaus. Der Angriff war abgeschlagen; mit 60 neuen 
Gefangenen kehrten die Bedeckungsmannschaften zu den 
ihnen anvertrauten Wagen zurück. 
Französische Gebirgsartillerie. 
(Hierzu das Bild Seite 334.) 
Frankreich hatte nach den letzten amtlichen Angaben in 
Europa zwei Eebirgsartillerieregimenter mit zusammen 
fünfzehn Batterien, davon dreizehn bei den Alpentruppen, 
zwei in Korsika. Da wir im deutschen Heer Gebirgs 
artillerie nur für den Kolonialdienst kennen, also in der 
Heimat nicht zu Gesicht bekommen, wird es interessieren, 
über diese eigenartige Waffe etwas Genaueres zu hören. 
Das französische Geschütz, im Gesamtgewicht von rund 400 
Kilogramm, kann in vier Teillasten von je 100 Kilogramm durch 
vier Maultiere befördert werden; eine Batterie braucht 
für ihre vier Geschütze samt Munition dreiunddreißig solcher 
Tiere, die bekanntlich ausgezeichnete Bergsteiger sind. 
Das Rohr hat bei achtzehn Kaliberlängen 65 Millimeter 
Seelenweite und einen sogenannten exzentrischen Schrauben 
verschluß gleich dem der Feldkanone. Dagegen verkörpert 
das Eebirgsgeschütz hinsichtlich der Rückstoßaufnahme einen 
eigenartigen technischen Gedanken, dessen Wert oder Un 
wert sich erst aus den Erfahrungen dieses Krieges ergeben 
wird. Beim gewöhnlichen Rücklaufgeschütz treibt der Schuß 
das Rohr auf der feststehenden Wiege nach rückwärts; 
dabei preßt es im unterhalb angebrachten Druckbehälter 
die Luft zusammen, die dann das Rohr wieder nach vorn 
in Feuerstellung bewegt. Beim Eebirgsgeschütz wird das 
Rohr, sobald es aufgestellt ist, mit Hilfe eines Zahnrads und 
zugehöriger Zahnstange auf der Wiege nach hinten ge 
kurbelt, bis es einklinkt. Dabei hat es die im Untergehäuse 
augebrachten Vorholfedern gespannt. Ist es nun gerichtet 
und geladen, so wird es ausgeklinkt und durch die Federn nach 
vorn geholt, bis ein Auslöser den Bolzen selbsttätig aushebt 
imb den Schuß abfeuert. Dess n Rückstoß treibt das Rohr 
wieder nach hinten, wo es einklinkt und von neuem geladen 
werden kann. Der Rückstoß wird also zum Teil durch die 
den a^orlnitf bewirkende Federkraft aufgehoben und da 
durch erheblich gemildert; der Rest dient zum Rückholen des 
Rohres bis zur Festhalteklinke. Airs diesen Gründen kann 
die Heuunvorrichtung viel leichter gebaut sein, ebenso die 
Lafette, was ja gerade bei einem Geschütz, das von 
Tieren getragen werden soll, ein erheblicher Vorteil 
ist. DagegenZäßt sich nicht leugnen, daß ein sogenannter 
Nachbrenner das Rohr, das dann bereits zu weit vor 
gelaufen ist, aus der Richtung schleudert und auf diese 
Weise Unglück bei den eigenen Truppen verursachen 
kann. Man wird ja nach dem Kriege sehen, ob die Fran 
zosen trotzdem diesen Rohrvorlauf auch auf das Feldgeschütz 
übertragen oder beim Rohrrücklauf bleiben. Die Lafette des 
Eebirgsgeschützes zerfällt in drei Teile, von denen der vorderste 
die Seitenrichtmaschine, der mittlere die Höhenrichtmaschine 
enthält; der hinterste trägt den Sporn, der im Verein mit den 
Radschuhen zum Verankern des Geschützes im Feuer dient. 
Sicherungsmaßregeln 
an der Südschweizer Grenze. 
(Hierzu die Bilder Seite 336.) 
Mit einer Ausdauer, die sich durch nichts ermüden läßt, 
verkündeten die Pariser und Londoner Blätter seit Kriegs 
ausbruch fast allwöchentlich, daß sich „demnächst" auch 
Italien in den europäischen Völkerstreit einmischen werde, 
und zwar zugunsten des französisch-englisch-russischen Drei 
verbandes. Besonders um die Mitte April sagten sie dies 
mit Sicherheit voraus. Kein Wunder, daß schließlich auch 
die neutrale Schweiz durch solche Gerüchte beunruhigt 
wurde, haben doch dieselben Dreiverbandsblätter schon 
seit Jahren das Schreckgespenst an die Wand gemalt, daß im 
Fall eines Zusammenstoßes Österreich-Ungarn und Italien 
versuchen würden, unter Mißachtung der Neutralität einander 
durch schweizerisches Gebiet in die Flanke zu fallen. In 
der vorletzten Aprilwoche hat sich denn auch der Schweizer 
Bundesrat mit der Frage befaßt, kam aber nach gründ 
licher Prüfung zu der Ansicht, daß neue militärische Vor 
sichtsmaßregeln nicht nötig seien. Ein gewisser Grenzschutz 
besteht natürlich jetzt schon, wie in fast allen neutralen 
Staaten Europas, für die Dauer des Krieges auch in der 
Schweiz. Aber der Verkehr dieser Sicherungsposten mit 
denen jenseits der Grenze erfolgt auf durchaus freundlichem 
Fuße, soweit die Verschiedenheit der Sprache kein Hinder 
nis bietet, und auch wenn einnral eine auf einem llbungs- 
marsch befindliche österreichisch-ungarische Schneeschuh 
truppe einen Jodler als Gruß herüberschickt, wird er von 
den sportfrohen. Schweizern gern und kräftig erwidert. 
»Die fapfecen deutschen Offiziere bei Neuve Chapelle." iSiehe Seite 338.) 
Nach einer Originalzeichnung von Johs. Gehrts.
	        
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