Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
in seinen Vorzügen viel mehr zur Geltung als früher; jeder 
Fahrer kannte seine Maschine, wußte sie zu behandeln und 
im Stande zu halten. 
Als dann der Automobilklub wiederholt dieselben Leute 
zu den Manövern entsandte, als die fortschreitende Technik 
das Motorrad immer mehr vervollkommnete, Geschwindig 
keit und Leistungsfähigkeit von Jahr zu Jahr stiegen, da 
vollbrachten unsere Schnellfahrer in den letzten Kaiser 
manövern ganz beachtenswerte Leistungen, und es brach 
sich in weiten militärischen Kreisen die Erkenntnis Bahn, 
daß unsere Technik nun doch ein kriegstüchtiges Motor 
rad ins Feld zu stellen vermag und daß für Melde- und 
Aufklärungsdienst der Motorradfahrer eine wichtige Rolle 
spielt. 
Die bisherigen Erfahrungen in dem jetzigen Weltkrieg 
haben die Kriegsbrauchbarkeit des Motorrades auch glänzend 
bewiesen, und die einschlägige Industrie ist fieberhaft tätig, 
unter Ausnutzung aller bisherigen Lehren der Praxis ein 
technisch möglichst vollkommenes Rad ins Feld zu schicken. 
Daß es für den Militärkraftfahrer von höchster Wichtig 
keit ist, ein in jeder Hinsicht tadelloses Rad zu besitzen, be 
darf wohl keiner 
Erwähnung. Die 
Ansprüche, die an 
Fahrer und Ma 
schine während 
desKriegsdienstes 
gestellt werden, 
sind ganz außer 
ordentlich, so daß 
eben nur ein mit 
allen technischen 
Neuerungen ver 
sehenes und aus 
bestem Material 
hergestelltes Mo 
torrad standzu 
halten vermag. 
Ein kriegstüch 
tiges Motorrad 
muß vor allen 
Dingen einen Mo 
tor von min 
destens 3 Pferde 
kräften besitzen; 
vorzuziehen ist je 
doch ein noch 
stärkerer Motor. 
Wie ein Kriegs-- 
freiwilliger be 
richtet hat, mußte 
er in den Vogesen 
Berge mit über 
20 Prozent Stei 
gung überwin 
den, und dazu sind 
dann die Straßen durch die Wirkung der schweren Geschütze 
auch noch völlig aufgerissen.— 
Unzweifelhaft werden die Motorräder fernerhin im 
Heere immer größere Verwendung finden, und dieser Welt 
krieg wird auf die Motorradfabrikation ebenso befruchtend 
wirken wie auf viele andere Zweige der Technik. 
Die Gewehre der europäischen Mächte*). 
i. Feuertaktik des Fußvolks. 
In der Schlacht wird die Entscheidung nicht durch das 
feine Zielen des einzelnen Schützen, sondern durch rich 
tiges Lenken des Massenfeuers auf die entscheidenden Ent 
fernungen herbeigeführt. Entscheidende Entfernungen nennt 
man solche, auf denen die Steighöhe der Geschosse sich 
nicht wesentlich über die Höhe der Ziele erhebt. Bekannt 
lich beschreiben die Flugbahnen der Geschosse Bogen, die 
um so mehr nach oben gekrümmt sind» je größer die Ent 
fernung ist, auf die geschossen wird. Irren ist mensch 
*) An den Verlag ist aus Leserkreisen der Wunsch herangetreten, 
zum besseren Verständnis der Gefechtsberichte etwas Genaues über 
die heutigen Waffen und ihre Anwendung zu erfahren. Wir be 
absichtigen, diesem Bedürfnis durch eine Folge von Aufsätzen aus 
der Feder unseres waffentechnischen Mitarbeiters zu entsprechen. 
lich. Der Vorgesetzte, der die Visierstellung befiehlt — 
auf die allernächsten Entfernungen hat der Schütze das Visier 
selbst zu wählen — kann die Entfernung falsch schätzen und 
zum Beispiel statt Visier 5OO Meter kommandieren: Visier 
600! Bei flach genug fliegenden Geschossen wird nun ihre 
Garbe doch Treffer erzielen (Chassepot), während Geschosse 
aus nicht so flach schießenden Gewehren dasselbe Ziel über 
schießen würden (Zündnadelgewehr). So wären also 
5OO Meter noch eine „entscheidende Entfernung" für das 
flacher, nicht mehr aber für das weniger flach schießende 
Gewehr. Diese Betrachtung gilt zwar streng nur für die 
Ebene. Da aber die großen Entscheidungen nicht in steilen 
Felsengebirgsschluchten fallen und die großen Schlachtfelder 
von Schützenlinie zu Schützenlinie keine wesentlichen 
Höhenunterschiede aufweisen, ist sie maßgebend für das 
Feuergefecht. 
Während sich nun die Formen der Taktik je nach den 
Fortschritten der Waffe einschließlich ihrer Ladung — be 
sonders nach Feuergeschwindigkeit, Tragweite und wechseln 
der Krümmung der Flugbahn — ändern, bleibt der Zweck 
immer derselbe: den Gegner sturmreif zu machen, das heißt 
seine Wider 
standskraft derart 
zu zermürben, 
daß er dem Bajo 
nettangriff keine 
zu starke Gegen 
wehr mehr zu bie 
tenvermag. Dies 
auf der ganzen 
Schlachtfront zu 
tun, ist unmög 
lich. Es ist Sache 
des Führers, den 
entscheidenden 
Punkt zu erken 
nen. Dorthin hat 
er in kurzer Zeit 
— dies ist wesent 
lich — ein Mas 
senfeuer zu rich 
ten. Waffe und 
Ladung muß also 
so eingerichtet 
sein, daß das La 
den und Feuern 
möglichst schnell 
geht. In dieser 
Beziehung war 
1866 das preu 
ßische Zündnadel 
gewehr dem öster- 
reichischen Vor 
derlader so sehr 
überlegen, daß 
sich das preußische 
Fußvolk daran gewöhnte, die Mitwirkung des Geschützes 
gar nicht abzuwarten. Diese Gewohnheit rächte sich blutig 
bei Weißenburg, wo das Königs-Erenadier-Regiment vor 
dem Eaisbergschloß verblutete, während einige Granaten 
dieses ausgeräuchert hätten. Diese Massenwirkung in kür 
zester Zeit zeigt vollendet, wie an anderer Stelle schon aus 
geführt. das Maschinengewehr. 
Je schneller das Gewehr schießt, desto besser muß der 
Schütze in Feuerzucht sein, sonst verschießt er die Patronen, 
bevor der vom Führer gewollte Augenblick gekommen ist. 
Auch müssen die Patronen möglichst leicht sein, damit- recht 
viele mitgeführt werden können. So gehen bessere Waffen 
und bessere Schulung der Mannschaft Hand in Hand und 
erringen unter besserer Führung den Sieg. Die flacher 
schießenden Gewehre — man nennt diese Eigenschaft „Rasanz" 
— zeigten auch größere Treffgenauigkeit. Diese kommt nicht 
nur beim feingezielten Einzelschuß auf den Kopf über dem 
feindlichen Schützengraben, sondern im Massenfeuer durch 
ein dichteres Zusammenhalten der Eeschoßgarbe zum Aus 
druck — wenn die einzelnen Schützen gnt zielen. Die 
dichtere Garbe ergibt mehr Treffer — wenn der Führer 
das richtige Visier befohlen hat. Immer stoßen wir so 
auf die Notwendigkeit gründlicher Schulung, also nicht zu 
kurzer Dienstzeit. 
Unsere 9ejan^enen 
am 1. Januar 
191^ 
Franzosen 
Russen 
Belgier 
FiigM 
Wannschd/ten 
215 905 
cm 
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TUanmchaften I Offi% 
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1882m 
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309869 
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19316 
Phot. Berliner Illustrations-Gesellschaft m. b. H. 
Am 1. Januar 1915 ureldete die deutsche Heeresleitung einen Bestand von 677 875 Mann und 8138 Offizieren, 
darunter 7 französische, 18 russische und 3 belgische Generale, in den deutschen Lagern für Kriegsgefangene,- 
nicht' einbegriffen in diese Zahlen waren die Kriegsgefangenen der letzten Kämpfe in Russisch-Polen, die 
noch unterwegs befindlichen und die Zioilgefangenen. Die obigen Figuren veranschaulichen durch ihre Gröfie, 
welcher Anteil davo-n auf die verschiedenen feindlichen Völker kommt. Nimmt man die Stärke eines Armee 
korps mit 40 000 Mann an, so bedeuten die in deutschen Händen befindlichen Kriegsgefangenen einen Ver 
lust von rund 15 Armeekorps für unsere Feinde.
	        
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