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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Illustrierte Kriegsberichte.
Im Schützengraben am Dunajec.
(Hierzu die unteren Bilder auf Seite 324 und 325.)
Schier endlos in furchtbarer Eintönigkeit verliefen die
Tage am Dunajec, wo unsere tapferen Krieger in langen
und tiefen Schützengräben treue Wache hielten. Wochen
sind vergangen, seit sie diese Stellungen eingenommen
haben. Die Geschütze dröhnen,
und oft mischt sich in das dumpfe
Pfeifen der Schrapnelle das Ge
knatter der Gewehre, aber im
großen ganzen ist man untätig,
man liegt auf der Lauer und be
obachtet den Feind, der auf Schuß
weite sich ebenfalls gut verschanzt
hat. In den langen, kalten Wochen
des Winters hat man sich so gut
wie möglich einzurichten gesucht.
Unser eines Bild zeigt die „Woh
nung" eines Hauptmanns, die
scherzweise nach dem Namen seiner
Frau „Villa Ninetta" getauft
wurde. Er teilt sie mit seinen
tapferen Offizieren; sie ist ziem
lich geräumig und den Umständen
entsprechend „fast bequem". Aus
dem nächsten Dorf hat man Fen
ster und sogar einen Ofen geholt.
Am Spiritusfeuer versucht man
die Beköstigung, die der Küchen
wagen täglich aus dem nächsten
Etappenort zuführt, durch Beigabe
verschiedener Zutaten und Ge
würze schmackhafter zu machen,
und an der Flamme der rußen
den, qualmenden Petroleumlampe
liest man die Briefe aus der Hei
mat und die Zeitungen, die die
Feldpost gebracht hat.
Schaurig war so manche Nacht
des Winters. Der Sturm heulte,
es war bitter kalt, aber trotzdem
hieß es ununterbrochen auf der
Hut sein. Keinem durfte das Ge
wehr aus den halberstarrten Hän
den entgleiten, niemals durfte ein
Kopf über dem Rande sichtbar
werden, denn auch die Russen im
jenseitigen Graben hielten scharfe
Wache. Oft schneite es ununter
brochen viele Stunden lang. Hoch
lag der Schnee, und damit die
blaugrauen Uniformen kein allzu
leichtes Ziel gewährten, erhielten
die Offiziere und Soldaten weiße
Schneemäntel, um sich ihrer bei
Besichtigungs- oder Patrouillen
gängen zu bedienen. Wie man aus
dem zweiten Bild ersieht, nehmen
sich die Gestalten in diesen Män
teln geradezu malerisch aus.
Dann aber, in den ersten Ta
gen des April, als die Frühjahrs
sonne wieder zu wärmen begann,
kam neues Leben in die Stellungen am Dunajec. Der Schnee
schmolz, und junges, frisches Grün zeigte sich allenthalben.
Frohe Hoffnungen schwellten die Herzen auf einen baldigen
entscheidenden Sieg. Am 2. Mai bereits durchlief die Welt
die Nachricht von der gewonnenen Schlacht am Dunajec!
Gefecht in den Vogesen westlich von
Münster.
(Hierzu die Kunstbeilage sowie das Bild S. 329 und die Kartenskizze S. 328.)
Wie in den Karpathen, so trat auch in den Vogesen der
Charakter des Eebirgskrieges mit allen seinen Hindernissen
und Schwierigkeiten zutage, und das rauhe Klima, der
lange und strenge Winter mit den andauernden Schnee
fällen machten militärische Operationen oft auf Wochen
hinaus unmöglich. Dazu kam, daß unseren Truppen die
besten französischen Streitkräfte gegenüberstanden, die als
hervorragende Gebirgsoldaten bekannten Alpenjäger, ge
wandte und entschlossene Scharfschützen, die jeden Fels
block und Baumstumpf als Deckung zu benutzen wissen und
Münster versuchten, die durch ihre Lage als Knotenpunkt
der Eisenbahnlinie nach Kolmar und der über den Schlucht
paß nach Eerardmer führenden Straße von nicht zu unter
schätzender strategischer Bedeutung ist. Am 19. Februar
begannen die Franzosen, die vor wenigen Tagen erst in
dem weiter südlich gelegenen Eebweiler Tale mehrere
Kilometer weit zurückgedrängt worden waren, von den
Höhen des Reichsackerkopfes aus ihr Artilleriefeuer auf
die deutschen Stellungen zu richten, und starke feindliche
Truppenansammlungen, die von Stoßweier gemeldet
oft, in den Kronen dunkler Tannen versteckt, den vor
wärts stürmenden Gegner mit vernichtendem Maschinen
gewehrfeuer überschütten.
Die Franzosen, die die Berghöhen im Süden und
Norden von Münster, darunter auch den Großen und.
Kleinen Reichsackerkopf besetzt hielten, konnten von ihren
höher gelegenen und gedeckten Stellungen aus die deutschen
Schützengräben, die sich von Münster aus das Tal der Fecht
entlangzogen, beherrschen und so unsere Truppen vom
weiteren Vordringen abhalten. Einige Wochen lang lag man
sich so auf beiden Seiten in der Verteidigung gegenüber, als
die Franzosen von den von ihnen besetzten Ortschaften
Mühlbach und Stoßweier aus einen Vorstoß auf die Stadt
Russischer UbeE auf eine
deutsche Prov^tkolonne.
Nach einer OriMzeichrmng
von O.stte.
wurden, deuteten auf einen bevorstehenden französischen
Angriff. Die deutsche Heeresleitung indes wollte dem
Feind zuvorkommen, und so gingen unsere Truppen
selbst zum Angriff vor; man wollte den Feind überraschen.
„Endlich kommt für uns der langersehnte Tag des Vorrückens,
des Sieges und für manchen Kameraden des Todes," so
heißt es in dem Feldpostbrief eines Mitkämpfers. „Im
Gänsemarsch rücken wir vor, in Abständen von 10 Metern
voneinander. Gespenstisch recken sich die Aste der Bäume
in die Luft und nehmen im blassen Licht des dämmernden
Morgens phantastische Formen an. Hier und da bricht
unter der Schneelast ein Zweig mit einem trockenen, knacken
den Geräusch, das die tiefe Stille jäh unterbricht und uns
atemlos aufhorchen läßt. Der Befehl lautet streng: nicht
sprechen, nicht rauchen, keinen Schuß abfeuern. Man
marschiert gewöhnlich unter dem Feuer der feindlichen
Batterien, aber man hat sich vor jedem Alarm zu hüten;
trifft man auf eine feindliche Feldwache, die man nicht
umgehen kann, so muß sie mit dem Bajonett niedergemacht
werden ... Lautlos schleichen wir weiter, langsam, halb
gebückt, den ansteigenden Berghang hinauf. Zuweilen
umgibt uns der Nebel und hüllt uns fest in seinen feuchten
Mantel. Das sind die Augenblicke, in denen es einen wie
eine Herzbeklemmung überkommt,
in denen einen die Furcht befällt,
abgeschnitten und plötzlich vom
Feind umzingelt und gefangen zu
werden. Aber da gibt der Offizier
auch schon das Zeichen zum An
griff. Klirrend hören wir seinen
Säbel aus der Scheide sausen, und
dann erschallen die Worte: ,Am
Waldrand vor uns feindliche
Schützen! Zum Sturm, marsch,
marsch!‘ Aus hundert Kehlen tönt
das schmetternde Hurra durch die
kalte Winterluft, mit gefälltem
Bajonett stürmen wir vor und neh
men den ersten französischen Gra
ben, der, mit Tannenzweigen halb
verdeckt, auf die in der Nacht fri
scher Schnee gefallen war, von
ferne kaum zu erkennen war. Der
Feind ist überrumpelt, und ehe er
Zeit zur Verteidigung gewinnt, ist
der größere Teil niedergemacht,
während der Rest der Leute die
Arme hochstreckt, zum Zeichen, daß
für sie der Krieg zu Ende ist, wie
sie uns in gebrochenem Deutsch
zurufen."
Es war ein Bataillon württem-
bergifcher Landwehr, das im Laufe
des Vormittags des 19. Februar
diesen ersten erfolgreichen Angriff
auf die Franzosen unternahm (siehe
das Bild auf Seite 329) und ihnen
nach heldenmütigemKa'mpfdieVor-
berge westlich von Münster und den
Kleinen Hörnleskopf entriß. Unter
dessen entbrannte im ganzen Fecht
tale an den Hängen des Reichs
ackerkopfes ein äußerst erbittertes
Ringen, in dem unsere Truppen
ständig an Boden gewannen. Zu
besonders schweren Kämpfen kam
es im nördlichen Abschnitt, aus
dem der Barrenkopf und Kleinkopf
gleich natürlichen Festungen em
porragen. Ein bayrisches Regiment
und württembergische Landwehr
haben hier Außerordentliches ge
leistet.
Eigentümlich hatte sich die
Lage bei dem Dorfe Stoßweier
entwickelt. AIs der Gegner am
21., dem 3. Eefechtstage, den
Ort noch nicht geräumt hatte,
wurde beschlossen, ihn im Sturm
zu nehmen. Bayrische Kaval
lerie, württembergische Landwehr und badischer Land
sturm gingen im Tal gegen die schmale Ostfront des
Dorfes vor, das sie in erbittertem Nahkampf von Haus
zu Haus nahmen.
Nach viertägigem, heftigem Kampf wurden die Fran
zosen bis zur deutschen Grenze zurückgeworfen. Die fran
zösische Hauptstellung auf den Höhen östlich Sulzern und
der Reichsackerkopf westlich Münster, die Orte Hohrod-
berg, Hohrod, Stoßweier und Mühlbach wurden von unseren
Truppen im Sturm genommen; Sulzern und Metzeral
räumten die Franzosen, die 600 Gefangene, 800 Tote,
4 Maschinengewehre und eine Menge sonstigen Materials
verloren, ohne Kampf.