Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
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Eine JägerpaLrouille beobachtet den Feind.
besonders wacker kämpfende Kroaten.
Südlich der Stadt währte der Kampf
zwei Tage gegen die hervorragenden
Schützenregimenter der Russen. Nur
mit unendlich großer Mühe wurden
diese davon abgehalten, noch im letzten
Augenblick mit Fässern, die mit Stroh
und Benzin gefüllt waren, die in die
Stadt führende Brücke anzuzünden.
Als aber die Brücke erobert war, da
begann auf der Seite der Russen eine
wilde Flucht. Die Kroaten an der
Spitze, stürmten die Befreier hinter
ihnen her, vertrieben sie aus der Stadt
und verfolgten sie noch weit gegen
Norden. Die Nachzügler wurden ge
fangengenommen. Ein unbeschreib
licher Jubel durchhallte die Stadt,
als die „roten Teufel", wie unser
Bild zeigt, auf dem Ringplatz von Kolo-
mea erschienen.
Die
Erstürmung von Prasznysz.
Von Generalleutnant z. D. Baronv.Ardenne.
(Hierzu die Bilder Seite 288 und 289.)
Die russischen Nordarmeen haben
durch Marschall Hindenburg viermal
zermalmende Schläge erhalten — bei Tannenberg, Eu
ro alti , Lodz-Lowicz und an den Masurischen Seen.
Jedesmal betrug ihr Verlust Hunderttausende von Krie
gern und Hunderte von Geschützen. Trotzdem traten
sofort nach den unerhörten Niederlagen neue russische
Streitkräste auf, an das Haupt der Hydra erinnernd,
das, abgeschlagen, den drohenden Rachen verdoppelte.
Nach der Winterschlacht an den Masurischen Seen ging
die allgemeine Ansicht dahin, daß die Russen das Land
nördlich des Bug und Narew räumen würden. Statt
dessen quoll eine neue Armee, die so beträchtlich war wie
die vernichtete 10., auf der Front Erodno-Lomza, Ostro-
lenka, Prasznysz angreifend hervor und nötigte zu neuen
Kämpfen. Während Marschall Hindenburg bei Kalwarija,
Suwalki, Augustow, Ossowiecz die Früchte seines großartigen
Sieges einsammelte, konnten der neuen russischen Angriffs
armee verhältnismäßig nur schwache Kräfte entgegen-
Ausschwärmen einer Radfahrerpatrouille.
gestellt werden. Unter diesen war besonders zu nennen
das Reservekorps des Generals v. Morgen, der sich schon
in der masurischen Schlacht durch seine Verteidigung von
Lyck die höchste Anerkennung seines Kriegsherrn und den
Orden Pour le merite errungen hatte (siehe Band I
Seite 467 u. 480). Westlich verschoben bis in die Gegend von
Neidenburg, stand er am 23. Februar etwa zwei russischen
Armeekorps gegenüber, die sich an diesem Tage im Voll
besitz der festungsartig ausgebauten alten Stadt Prasznysz
befanden. General v. Morgen beschloß einen kühnen Angriff,
wie er in seinem Charakter liegt. Seine zwei ostpreußischen
Reservedivisionen flügelweise zu umfassendem Angriff an
setzend, packte er die Stadt in überraschendem Sturm von
drei Seiten. In wildem Straßenkampf wurden die Russen
niedergeschlagen wie einige Tage vorher in Eydtkuhnen,
Wirballen und Johannisburg. 10 000 Gefangene, über
20 Geschütze, ein großes Lager von Maschinengewehren
und unzähliges Heeres
gerät waren die Sieges
beute. Der Rest der
Russen floh gegen Pul-
tusk und Nowo - Eeor-
giewsk. Sie kehrten aber,
auf drei volle Armee
korps verstärkt, in weni
gen Tagen zurück. Das
siegreiche Morgensche
Korps, von Osten, Süd-
osten und Süden ange
griffen, mußte eine Lrnks-
rückwärtsschwenkung un
ter Aufgabe von Prasz
nysz vornehmen. Schon
in den ersten Tagen des
Mürz wurde diese vor
übergehende Schlappe
ausgeglichen; die Kämpfe
nördlich von Prasznysz
haben aber seither ihren
Fortgang gefunden, etwa
wie ein glimmendes
Feuer auf feuchtemWald-
boden. Eine allgemeine
Bemerkung dürfte hier
angebracht sein. Wenn
die russischen Armeen
sich nach der Niederwer
fungrasch wieder erholen,
so ist das nicht allein
durch den Menschenüber-
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II. Band.