Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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mit eigenen Augen gesehen hatten, verfolgten den Feind 
mit großer Erbitterung. Dieser verschanzte sich bei Tau 
roggen und richtete vom dortigen hochgelegenen Kirch 
turme sein Artilleriefeuer gegen die deutschen Verfolger. 
Die Unsrigen mußten, um die eigene Artillerie heran 
zubringen, zunächst einen tragfähigen Übergang über die 
Jezioruposchlucht Herstellen, wodurch viel Zeit verloren 
ging, die der Feind seinerseits zur Verstärkung seiner An 
lagen und zum Bau von Hindernissen ausnutzte. In der 
Nähe des Gutes Tauroggen wurde durch die deutsche In 
fanterie, unterstützt von Pionieren, bei eisiger Kälte — es 
war inzwischen wieder Frostwetter eingetreten — unter 
schwierigsten Verhältnissen ein erster Steg hergestellt. Bis 
zum Abend des 28. März wurde ein zweiter fertig, der als 
Schnellbrücke über das inzwischen zu Eis gewordene Wasser 
der Jura hinübergeschoben wurde. 
Am 29. März drei Uhr morgens waren die Erkundungen 
beendet. Um diese Stunde begann der Sturm unter Füh 
rung des schon bei Memel vortrefflich bewährten Majors 
v. Nußbaum, dessen ausgezeichnetes Bataillon das Zeichen 
zum Vorgehen and) für die sich anschließenden Landwehr 
und Landsturmbataillone gab. Uber das Eis des Flusses 
hinweg stürmten die deutschen Truppen die feindlichen 
Schützengräben und setzten sich in Besitz der Stadt Tauroggen. 
Von drei Seiten angegriffen, gaben die Russen nach 
schwersten Verlusten ihren Widerstand auf und flüchteten 
nach Zurücklassung von mehr als 500 Toten und etwa 
ebensoviel Gefangenen in die Wälder, nachdem sie in den 
vorhergehenden Tagen dieselbe Zahl von Gefangenen in 
deutscher Hand gelassen hatten. So fand der geplante 
Russeneinfall auf Tilsit ein für die deutschen Waffen ruhm 
volles Ende, und kein Russe befand sich jetzt mehr auf 
deutschem Boden. — 
Von den kriegerischen Ereignissen in Russisch-Polen war 
im Februar längere Zeit nichts Wichtigeres zu melden. 
Am 11. Februar hörten wir, daß rechts der Weichsel ein 
Vorstoß unserer Truppen in der Gegend nordwestlich 
Sierpc uns einige hundert Gefangene einbrachte. Am 
folgenden Tage wurde die genannte Stadt genommen und 
wieder mehrere hundert Gefangene gemacht, sowie 6 Ge 
schütze erbeutet. In den folgenden Tagen überschritten 
unsere Truppen die untere Skrwa und rückten gegen 
Racionz vor, das sie am 14. Februar besetzten. Auch nörd 
lich der Weichsel war es zu erbitterten Kämpfen gekommen, 
die für uns sehr günstig verliefen. Wir besetzten hier am 
15. Februar Bielsk und Plock und machten etwa 1000 Ge 
fangene. An der Front Plock—Racionz entwickelten sich 
in den folgenden Tagen hartnäckige Kämpfe, deren Er 
gebnis am 17. Februar die Gefangennahme von etwa 
3000 Russen war. Die folgenden Tage brachten Kämpfe 
von nur örtlicher Bedeutung bei Racionz und Prasznysz, 
sowie nordwestlich Ostrolenka. Am 22. Februar drangen 
wir an der Weichsel östlich Plock weiter in Richtung Wyszo- 
grad vor. Bei Prasznysz nahmen die Kämpfe bald an 
Heftigkeit zu, und am 24. Februar wurde diese festungs 
artig ausgebaute Stadt von ostpreußischen Reservetruppen 
im Sturm genommen. 
Ein Mitkämpfer schrieb seinem Bruder darüber fol 
gendes: 
„Links am Anfang der Stadt Prasznysz befand sich 
im ersten der Häuser der Regimentsstab, wohin wir die 
Leitung bauen sollten, und der Verbandplatz, gegenüber 
diesem Hause der Kirchhof und noch weiter rechts die 
russische Kaserne mit Proviantamt. Am Abend des 25. 
hatten unsere Truppen diese gestürmt, dabei 800 Gefangene 
gemacht; jedoch die Stadt war noch in russischen Händen. 
Am 26. vormittags sollten wir die etwa 4 Kilometer lange 
Leitung von der Reservedivision legen, -eine höchst ge 
fährliche Aufgabe, zu der wir fünf Mann uns freiwillig 
meldeten . . . Sprungweise liefen wir bis zum Hause des 
Regimentsstabs, wo wir mit Jubel empfangen wurden, 
da die Jnfanterieleitung schon lange zerschossen war und 
die Munition im Regiment... zu Ende ging . ° . Ich hatte 
nun Zeit, mir draußen die ganze Sache zu besehen. Ge 
rade fiel ein Infanterist, der sich an der Mauer vorwagte, 
schwerverwundet h-in. Zwei Krankenträger hatten ihn 
kaum hochgehoben, als auch sie zusammenbrachen; der eine 
war sofort tot. Weiter links spähte ein Infanterist über die 
Kirchhofsmauer: ein Kopfschuß, und er sank mit dem Ge 
wehr der Mauer entlang zur Erde. Da also unsere Leute 
Wie es vor Reims über den Erdhöhlen in Vaudesincourt aussieht. 
Phot. Leipziger Presse-Büro.
	        
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