Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18, 
Phot. R. Sennecke, Berlin. 
Eine neu eröffnete Lesestube für Offiziere und Mannschaften 
im Ortsquartier. Außenansicht. 
La„drszei»»»K 
Die Mannschaften liegen auf 
Strohsäcken im Stall, Mann 
an Mann, wir Unteroffiziere 
haben uns in den Stuben oben 
und unten am Stall häuslich 
niedergelassen. Wir haben Prit 
schen mit Strohsäcken und einem 
Leintuch sowie zwei Teppiche. 
Das ist der ganze „Schlaf- 
salon" ! Seit wir hier sind, die 
ersten zehn Tage jeden Tag 
Regen, dann drei Tage gut 
und jetzt wieder Regen,, dann 
wieder etwas Sonne, dann wie 
der Regen. Das Essen ist gut; 
abends und morgens gibt es 
Kaffee, abends mit Wurst oder 
Käse. Was hier nicht Heideland 
ist, ist Sand, der bei Trocken 
heit viel Staub macht und sehr 
schlecht zum Gehen ist. Etwa 
zwanzigtausend Engländer, 
Franzosen und Belgier sind hier 
untergebracht, und zwar alle 
getrennt für sich in riesigen 
Zelten. Die Franzosen sind 
alle Landwehrmänner oder alte 
letzte Jahresklassen von Reser 
visten, die einen sehr guten Ein 
druck machen, sehr anständig 
und fleißig sind. Ich habe kürz 
lich mit einem Franzosen längere Zeit gesprochen, wobei er 
mir unter anderem sagte: Wir Franzosen würden heute viel 
lieber mit Deutschland zusammen gegen England gehen, als 
mit England gegen euch, denn wir wissen jetzt, daß nur 
England am ganzen Kriege schuld ist. Das französische Volk 
hat keinen Krieg gewollt, das war das Werk der Regierung 
und darunter etlicher Hetzer, wie Poincars und Delcassö. 
Dann sind unter den Franzosen sehr viel alte Leute 
mit grauen Haaren, weitaus die meisten sind verheiratet 
und haben Weib und Kind daheim. Gestern habe ich wie 
der mit vier Franzosen gesprochen, die in einem Garten, der 
einem der Kantinenwirte gehört, arbeiteten, davon waren 
drei verheiratet, alles Landwehr. Ich fragte sie, ob sie etwas 
von Weib und Kind wissen, was alle drei mit trauriger 
Miene verneinten. Die Gefangenen dürfen jeden 1. und 
15. des Monats heimschreiben. Natürlich wird alles gelesen vor 
der Absendung, und soweit Frankreich 
von den deutschen Truppen besetzt ist, 
geht die Post auch durch, weiter natür 
lich nicht. 
Die Engländer dagegen sind frech, 
eingebildet und zum Teil auch faul. 
Heute mittag hatte ich Gelegenheit, 
in einer Badeanstalt, in der soeben 
Engländer gebadet wurden (Dusch 
bäder), einige Zeit zuzusehen. Der 
Badewärter sagte mir dann, wenn 
die Engländer da sind, da kann man 
machen, was man will, sie gehen 
einfach nicht, wenn dagegenFranzosen 
da sind, so genügt ein einziger Wink, 
und sie trocknen sich ab und ziehen sich 
an. Du meinst aber, ich wäre für die 
Franzosen deshalb so eingenommen, 
weil ich zwei Jahre mit ihnen in 
Genf arbeitete. Nein, jeder Posten, 
mit dem man darüber spricht, klagt 
über die Engländer, während man 
über die Franzosen stets das Gegen 
teil hören kann. Ganz besonders 
kurios nimmt sich die Uniform des 
Schottländers aus, mit den bloßen 
Knien und den grünkarierten Röcken. 
Sonst ist die Uniform der Engländer 
ganz entschieden praktischer als die 
der Franzosen. Die Engländer haben 
gelblichgrüne Röcke und Hosen, ähn 
lich wie wir, und Schildmühen von 
gleicher Farbe. Weiter haben wir 
unter den Herren Engländern 
noch eine ganz besonders kennt 
lich gemachte Klasse: die Minen 
leger. Die sind zur Hälfte rasiert 
und die Haare auf einer Seite 
kurz geschoren. Das sind die 
Engländer, die unter deutscher 
Flagge in Flußmündungen Mi 
nen legen wollten und dabei ab 
gefangen wurden. Bewacht 
werden die Gefangenen nur 
von Landstürmern. 
Die Zahl 
der Gefangenen in 
Deutschland. 
Am 1. April 1915 befanden 
sich in deutscher Gefangenschaft: 
Franzosen: Offiziere und 
sonstige im Offiziersrang ste 
hende Personen 3868, Mann 
schaften 238 496. 
Russen: Offiziere und son 
stige im Offiziersrang stehende 
Personen 5140, Mannschaften 
504 210. 
Belgier: Offiziere und 
sonstige im Offiziersrang ste 
hende Personen 647, Mann 
schaften 39 620. 
Engländer: Offiziere und sonstige im Offiziersrang 
stehende Personen 520, Mannschaften 20307. 
Zusammen 812 808. 
Die letzte amtliche Liste erschien am 31. Dezember. 
Ihr gegenüber beträgt der Zuwachs bei den 
Franzosen. . 409 Offiziere, 22 591 Mann. 
Russen . . . 1565 „ 197 916 „ 
Belgiern . . 35 „ 2 768 „ 
Engländern 28 „ 1483 „ 
Zuwachszusammen: 2037 Offiziere, 224 758 Mann. 
Der Zuwachs des verflossenen Vierteljahres ist also wieder 
sehr erheblich und beträgt weit über ein Drittel der Ge 
fangenen der ersten fünf Monate. In den ersten April 
tagen wurden weitere Belgier (2 Offiziere, 100 Mann) und 
Russen (5 Offiziere, 360 Mann) gemeldet. 
Phot. R. Sennecke, Berlin. 
Innenansicht der Lesestube für Offiziere und Mannschaften im Ortsquartier.
	        
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