Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
erbeuteten Schiffe nicht vor ein Prisengericht und führt 
keine Prisenbemannung, die es an Bord des erbeuteten 
Schiffes gehen läßt. Es wendet keine ausreichenden Mittel 
an, um zwischen einem neutralen und einem feindlichen 
Schiff einen Unterschied zu machen. Es nimmt die Mann 
schaft und die Passagiere des zu vernichtenden Schiffes nicht 
an Bord, um sie in Sicherheit zu bringen. Diese Methode 
der Kriegführung fällt demnach völlig außerhalb der Regeln 
aller internationalen Vorschriften, die die kriegerischen Maß 
nahmen gegen den Handel in Kriegszeiten regeln. Die 
deutsche Erklärung setzt die unterschiedslose Vernichtung an 
die Stelle der den Regeln entsprechenden Aufbringung. 
Deutschland wendet diese Methode gegen friedliche Kauf 
leute und nicht am Kriege teilnehmende Schiffsbesatzungen 
an, in der Absicht, zu verhindern, daß Waren aller Art, dar 
unter Vorräte für die Ernährung der Zivilbevölkerung, in 
die britischen Inseln oder nach Nordfrankreich eingeführt 
oder aus diesen ausgeführt werden. 
Deutschlands Gegner sind daher gezwungen, zu Ver- 
geltungsmaßregeln ihre Zuflucht zu nehmen, um ihrerseits 
wieder zu verhindern, daß Waren irgendwelcher Art nach 
Deutschland eingehen oder ausgehen. 
Indessen sollen diese Maßregeln von 
England und Frankreich ohne Gefahr 
für Schiff und Ladung von Neutralen 
und Nichtkombattanten in genauer 
Übereinstimmung mit den Grund 
sätzen der Menschlichkeit ausgeführt 
werden. Demgemäß halten die fran 
zösische und englische Regierung sich 
für berechtigt, Schiffe mit Waren, die 
mutmaßlich für den Feind bestimmt 
sind, ihm gehören oder feindlichen 
Ursprungs sind, anzuhalten oder in 
ihre Häfen zu bringen. Diese Schiffe 
und Ladungen sollen nicht für kon 
fisziert erklärt werden, wenn sie nicht 
auch sonst der Verurteilung als Prise 
unterliegen. Die Behandlung der 
Schiffe mit Ladungen, die vor dieser 
Kundgebung ausführen, soll keine 
Änderung erfahren. — 
Diese Erklärung der französischen 
und englischen Regierung erweckte 
einen Sturm der Entrüstung in allen 
neutralen Staaten. Alle stimmten 
darin überein, daß das Vorgehen der 
Verbündeten völkerrechtswidrig fei, 
denn die Zufuhr könnten sie von 
Deutschland nur dann abschneiden, 
wenn sie die Blockade tatsächlich aus 
führten. Mit Recht wurde von Amerika 
aus die französisch-englische Erklärung als eine papierene 
Blockade bezeichnet, der sich keine Macht zu fügen brauche. 
In dieser papierenen Blockade sah man auch einen Beweis 
der Schwäche der Verbündeten, die ihre Schiffe nicht 
aufs Spiel setzen wollten, um die Blockade wirklich durch 
zuführen. Eine tatsächliche Blockade würde wahrschein 
lich ein schnelles Ende des Krieges herbeigeführt haben. 
Die deutsche Flotte wäre in diesem Fall mit ihren zahl 
reichen Unterseebooten aus den Heimathäfen ausgelaufen, 
um die Blockade zu brechen, und Engländer und Franzosen 
hätten auch mit vereinten Kräften dem Angriff der deutschen 
Flotte kaum standhalten können. 
Der Schaden, der durch die französisch-englischen Ver 
geltungsmaßregeln der neutralen Schiffahrt zugefügt wurde, 
veranlaßte wieder mehrere Proteste und Gegenerklärungen, 
die alle darauf hinausliefen, daß die Verbündeten unbe 
rechtigterweise den Handel der Neutralen kontrollieren und 
ihn vollständig unterdrücken wollen, ohne Rücksicht darauf, 
was Konterbande ist oder nicht. Man wollte den Ver 
bündeten wohl das Recht einräumen, die Zufuhr von 
Konterbande zu verhindern, aber allen Handel der neutralen 
Staaten mit Deutschland zu unterdrücken, sei eine unerhörte 
Vergewaltigung des Völkerrechts. — 
In der zweiten Hälfte des März wurden unsere Feinde 
durch die Wahrnehmung beunruhigt, daß Deutschland mit 
einem neuen Typ des Unterseeboots auf den Plan trat. 
Der erste Vertreter dieses Typs schien „U 29" zu sein, das 
von Kapitän Weddigen befehligt wurde. Die englischen 
Blätter stimmten sämtlich darin überein, daß seit seinem 
Eingreifen eine Wendung im bl-Boot-Krieg eingetreten 
ist. Es seien größere, schnellere und besser gerüstete Tauch 
boote in Dienst gestellt worden. „Morning Post" schrieb: 
„Gleichzeitig mit dem Bemerkbarwerden der lebhafteren 
Tätigkeit der deutschen Unterseeboote sind ihre Aktions 
mittel erheblich größer geworden. Das geht daraus her 
vor, daß bei der Vernichtung zweier Dampfer (,Vosges" 
und ,Falabah Schrapnellgeschütze in Tätigkeit getreten 
sind. Für die englische Schiffahrt bedeutet das eine erheb 
liche Verschärfung der Gefährdung. 
Bislang mußten die Unterseeboote 
Schiffe, die ziemlich weit vorbeifuhren, 
noch entkommen lassen. Jetzt können 
sie auch auf größere Entfernung, 
sogar bi-s 3000 Meter, mit Aussicht 
auf Erfolg das Feuer auf Handels 
dampfer eröffnen. Anscheinend be 
trägt die Schnelligkeit der neuen 
deutschen Tauchboote über dem Was 
serspiegel 20 Knoten, und damit kön 
nen sie selbst mit den größten Über 
seedampfern den Kampf aufnehmen, 
da der Schnelligkeitsunterschied nicht 
mehr viel ins Gewicht fällt oder 
wenigstens durch die Möglichkeit 
des Geschützfeuers ausgeglichen wird. 
Allerdings werden nun auch die Aus 
sichten geringer, Unterseeboote durch 
Dampfer zu rammen. Die Gefähr 
dung dabei ist jetzt größer, da die 
Schiffe damit rechnen müssen, bei der 
Annäherung von den Geschützen der 
Unterseeboote getroffen zu werden 
und ein Leck zu erhalten. Wir sehen 
wenig Verteidigungsmöglichkeiten. 
Das einzige Mittel ist die möglichste 
Verstärkung der Erkundungsdienste 
durch unsere Torpedoboote." Die 
„Times" wiesen auf den Umstand 
hin, daß seit kurzem Unterseeboote 
mit höheren Nummern verwendet würden. So seien ein 
„U 32" und ein „U 36" aufgetreten. Der neue Typ 
scheine erheblich verbessert zu sein und mit der bereits 
1914 durch Marinefachblätter besprochenen Gattung über 
einzustimmen, wonach die neuesten deutschen Unterseeboote 
etwa 70 Meter lang und 7 Meter breit sind, bei Über 
wasserfahrt 760 Tonnen Wasserverdrängung, bei Tauch 
fahrt eine solche von 900 Tonnen haben. Die Schnelligkeit 
über Wasser soll 20 Knoten, unter der Meeresoberfläche 
10 Knoten betragen. Das Blatt hielt es für sehr wohl 
möglich, daß seit dem letzten Sommer zwölf dieser neuen 
Boote gebaut worden seien. „Daily Chronicle" glaubte 
die Schnelligkeit nur mit 15 beziehungsweise 9 Knoten an 
nehmen zu sollen. „Immerhin," meinte das Blatt, „scheinen 
die deutschen Unterseeboote außer mit vier Torpedolancier 
rohren mit einem neuen Geschütz (Vierzehnpfünder) bestückt 
ZU sein." (Fortsetzung folgt.) 
Kriegsgefangener aus Französifch-Guinea. 
Illustrierte Kriegsberichte. 
Die erste Hilfe im Felde. 
Von Dr. med. Paul Bernoulli, Oberarzt d. L., im Felde. 
(Hierzu die Bilder Seite 266 und 267 ) 
Was im Kriege an Samariterdienst geleistet wird, steht 
wie zu Friedenszeiten unter dem Zeichen des Genfer 
Roten Kreuzes. Während nun in Deutschland unter 
normalen friedlichen Verhältnissen die erste Hilfe bei lln- 
glücksfällen, im besonderen bei Massenansammlungen irgend 
welcher Art, abgesehen von der ärztlichen Hilfe, von der 
Freiwilligen Sanitätskolonne, in ihrer bekannten Tracht, 
geleistet wird, die im Dienste des betreffenden „Landes-
	        
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