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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 3934/i5.
Foto: Vereemgde Fotobureaux, Amsterdam.
Französische Artillerie irn Gefecht.
licher Spannung genau die geflüsterten Bemerkungen über
Besonderheiten des Weges erfassend, auf die der Begleit
offizier sie nach der von der Taschenlampe beleuchteten
genauen Karte aufmerksam machte.
Vorauf flitzte das Fahrzeug des Oberleutnants V.,
in seinem Kiel ratterte der Wagen des Oberleutnants v. K.
Oberleutnant B. sah nach seiner Taschenuhr. Er über
legte, berechnete. In wenigen Minuten mutzten sie am
Ziel sein. Er gab denr zweiten Auto einen blitzschnellen
Achtungswink mit der Taschenlaterne.
Nun wuchsen die Spannung und der Tatwille aller ins
Unermeßliche. Revolver und Gewehre wurden entsichert,
die Sprengkörper zurechtgelegt. Jetzt, jetzt, im nächsten
Augenblick mutzte sich das Schicksal dieser Fahrt, das Schick
sal einer Minute im Leben des Vaterlandes, erfüllen.
Jetzt tauchten die Umrisse des Bahnkörpers arif. Ver-
abredungsgemätz ging es nun wieder mit der grötzten Ge
schwindigkeit. „Achtung! Festhalten!" pretzten die Führer
warnend heraus. Im nächsten Augenblick standen die Wagen
mit einem Ruck. Die Männer schwangen sich hinaus. Die
zum Kampf bestimmten Mannschaften stürzten sich auf die
Brückenwache, um sie zu überrumpeln. Unterdes legten
andere die gefährlichen Sprengkörper. Mit Ruhe, mit
grötzter Besonnenheit gingen sie zu Werke. Mochten die
Oberleutnant v. K. schiebt sich die Brieftasche des Freundes
unter den Mantel. Traurig, tieftraurig über den schmerz
lichen Verlust, doch mit fast frohem Stolz, den Angehörigen
die Meldung von einem ehrenvollen Soldatentod machen
zu können. — Ein Auto mutz zurückbleiben. Es wird zer
stört. Das andere zieht an, windet sich hin und her und
schlügt den Heimweg ein.
In diesem Augenblick bebt die Erde. Der Hall, der
Donnerhall von der furchtbaren Erplosion zerreitzt die Stille
der Nacht. Pfeifend und zischend fliegen Steine und Erde
über die Köpfe der Fahrenden hinweg. Sie achten nicht
darauf. All ihre Aufmerksamkeit ist auf den Weg gerichtet,
auf die Gefahren, die auf sie lauern müssen. Der Kampf
lärm und die Erplosion müssen ja den schläfrigsten Feind
hellwach geinacht haben.
Die Deutschen eilen auf einer anderen Landstraße zurück.
Es nützt ihnen nichts, sie werden bemerkt. Englische Reiter
harren weit voraus auf das deutsche Auto. Sie können es
in dem klaren Morgen nach der Mondnacht näher und näher
kommen sehen. Oberleutnant v. K. überlegt einen Augen
blick, was zu tun ist. Im Nu weiß er, daß es ein Zurück nicht
geben kann. Doch er hat wieder Glück. Die Engländer sind
nicht auf der Straße, die die Deutschen fahren müssen, sie
sind auf einem Nebenwege. Und ein von vielen Gräben
anderen kämpfen. Mochten sie fallen. Mochte der Feind
im nächsten Augenblick sich auf die emsig Arbeitenden stürzen.
Wer dachte daran!
Das Glück war ihnen hold. Zurück zu den Autos. Nun
kann der General die Augen beruhigt schließen zum nerven
stärkenden Schlaf. Seine Menschenwerkzeuge haben die
Aufgabe, die das Vaterland ihnen stellen mutzte, wie die
pünktlichsten, genauesten Maschinen erfüllt. Nun dürfen
die Männer nur an sich, ganz allein an ihre eigene Sicher
heit, an ihre eigene Rettung denken. Heiß und blutig
war der Kampf mit der starken Brückenwache. Schweigend,
wie taube, stumme, leblose, ins Stürzen geratene Dinge
warfen sich die Leiber der Kämpfenden gegeneinander und
durcheinander, und das Hallen der Schüsse, das Klirren der
Handwaffen, das Stöhnen Verwundeter und das Seufzen
Sterbender unterbrach nur sekundenlang die nächtliche Stille.
Plötzlich war die Nacht vollständig ruhig. Eiue friedliche
Mondscheinnacht. Dann kam Bewegung in die Gruppe
der dunklen, geduckten, liegenden Gestalten. Drei Mann
lösten sich von den düsteren Massen los und hasteten zu den
Autos. Noch einer hier und da noch einer humpelt und
schleppt sich hinterher. Die heil gebliebenen Kameraden
haben mit ein paar Griffen das Auto abfahrtfertig gemacht
und laufen zurück, den Verletzten zu helfen. Traurig schauen
sie nach den Opfern des Kampfes. Sie müssen liegen
bleiben. Auch Oberleutnant B. ist unter den Gefallenen.
durchschnittenes Gelände liegt zwischen den beiden Straßen.
Zwei Möglichkeiten gibt es für die Feinde. Sie können ver
suchen, von ihrem Haltepunkt aus die Leute im Auto weg
zuknallen; eher aber können sie zum Ziel kommen, wenn
sie dem Auto, trotz des ungünstigen Geländes, den Weg
abzuschneiden suchen.
Nun beginnt ein Rennen auf Leben und Tod. Die
Gäule werden herumgerissen und auf die breite Landstraße
zu gerichtet. Sie stutzen. Dann treibt sie der wühlende
Schmerz der scharfen Sporen in den Flanken vorwärts.
Da stürzt ein Pferd. Andere purzeln mit ihren Reitern
darüber weg. Aber doch nähert sich der Haupttrupp der
Landstraße, auf der das kleine graue Auto wie ein Gespenst
heranbraust. Die Reiter brechen in wütende Schreie aus.
Nur fünfzig, nur dreißig, nur zwanzig Meter noch sind sie
von der Landstraße entfernt. Wenn das Auto nun doch
entwischte! Da flitzt es auch schon vorbei. Wild stürmen
die Reiter hinterher, die Pferde 311 der äußersten Kraft
leistung anspornend.
In dem Auto blinken Gewehrlüufe auf, Feuerzungen
flammen blitzend rot durch den aufgewühlten Staub.
Sausend und pfeifend fahren Geschosse über die Köpfe
der Reiter dahin. Die Pferde spitzen angstvoll die Ohren
und wiehern vor Schreck. Langsamer Hallen die Schüsse.
Genau gezielt. Da wird das erste Pferd rsiterlos, ein
anderer Reiter, mehrere Reiter werden getroffen. Menschen