Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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den genauen Generalstabskarten. Langsam erhob der Chef 
seine rechte Hand, mn sie den jugendlichen Kameraden znnr 
Glückauf, zum Lebewohl, vielleicht auf ewig Lebewohl zu 
reichen. 
„Meine Herren, Sie werden bemerkt haben, das; ich 
gerade Sie für die wichtigste Aufgabe gewählt habe. Ich 
erwarte bestimmt, das; Sie mein Vertrauen rechtfertigen. 
Ich weist, daß Sie mit ganzem Herzen rind ganzer Kraft 
bei der Sache sein werden, und wünsche Ihnen Glück. Auf 
Wiedersehen!" 
Von diesen bedeutungsvollen Worten des hochgeachteten 
Führers sauste und brauste es den jungen Offizieren noch 
in den Ohren, als sie schon vor den kleinen grauen Autos 
standen und einsteigend den Kraftwagenlenkern den Ab 
fahrtsbefehl erteilten. Beide hörten sich ganz mechanisch 
den begleitenden Offizierstellvertretern den Auftrag er 
läutern. Immer noch fühlten sie die Gegenwart des 
Generals, schauten sein sorgenhartes Antlitz, seine hoffenden, 
vertrauensvollen Augen. Beide fühlten, wie sich etwas 
Unwiderstehliches, Eisernes in ihnen aufrichtete, Gestalt 
bekam, Kraft gewann. Und dann waren sie auf einmal 
init jedem Nerv, mit jedem Gedanken in der Wirklichkeit, 
glühend begeisterte Sklaven des stählernen höheren Willens, 
der sie in die dunkle Nacht hinaus, der gähnenden Gefahr 
entgegendrängte. 
Gefastt und klar, beinahe Wort für Wort getreu kam 
der Auftrag des Führers von ihren Lippen und füllte ihre 
Begleitmannschaft mit demselben unwiderstehlichen Drang, 
dem brennenden Wunsch zum Handeln. Alle die Männer 
vergasten im Nu ihre persönlichen Hoffnungen und Wünsche, 
fühlten sich zusammengeschweiht zu einem Hebel, der die 
Sache des Vaterlandes an schwierigster Stelle zu fördern 
bestimmt war. Nicht brechen und nicht biegen! Durch 
halten! Durchkommen! Das war der Gedanke, der alle 
beseelte. Um jeden Preis sollte verhindert werden, dast 
die neuen Truppenmassen, die die Franzosen und die 
Engländer gegen diesen schwachen Punkt der deutschen 
Stellung an die Front führen wollten, ihr Ziel zu dieser 
ungelegenen Zeit erreichten. Ein Tag, ein halber Tag, ja 
eine Stunde Verzögerung mustte für die Feinde Mißerfolg 
bedeuten. 
Mutvoll atmeten die Männer, die zu dem kühnen 
Unternehmen im stumpfgrauen Kraftwagen dahinsausten, 
auf in dem Bewußtsein, dem Gegner diesen Mißerfolg 
gründlich zu bereiten. Ihre Gedanken schweiften in diesem 
Augenblick hinaus zu den Kameraden, die an anderen 
Stellen einen ähnlichen Auftrag zu erfüllen hatten. Im 
Geiste sahen sie ihre beiden und die anderen sechs Autos 
an die feindlichen Linien heranschießen, sahen das Karten 
bild mit den Brücken und Tunnels, die es zu zerstören und 
zu verlegen galt. Dann dachten sie wieder mit Stolz, daß 
sie die schwierigste Aufgabe hatten, die Zerstörung der 
Eisenbahn- und Flußbrücke bei R... 
Jetzt kamen sie durch die letzten deutschen Vorposten- 
linien. Und nun bückten sie sich zu dem Boden des Wagens, 
und jeder der Männer warf einen hellen Mantel über und 
band die ungefüge Schirmmütze auf den Kopf. Hinter 
ihnen ging langsam der Mond auf und zeigte den Lenkern 
mit geschnittener Schärfe die Straße zwischen den steilen 
dunklen Schatten der dürr belaubten Pappeln, umhüllte 
die Wagen für die Entgegenschauenden schützend mit seinem 
leicht flimmernden Strahlenmantel. 
Der englische Doppelposten, zwei lange, schläfrige 
Burschen, die hinter einer der Pappeln auf das Geräusch 
des nahenden Autos lauschten, schrak zusammen, als das 
Geräusch plötzlich anschwoll und Hui! Hui! die beiden 
Wagen vorbeiflogen. Die Männer beschwatzten zwar sofort 
den Plan, Alarm zu schlagen, aber sie beruhigten sich 
dann damit, daß sie jeder deutlich die englischen Mützen 
und die englischen Mäntel gesehen, ja mehr, daß sie 
deutlich Fetzen von englischen Wörtern und Sätzen über 
militärische Dinge gehört hatten. 
Die Unsrigen atmeten auf. Es war ihnen, als ob 
der schwierigste Teil ihrer Aufgabe bereits gelöst fei. Tau- 
feud gegen eins war zu wetten, daß die englische Feld 
wache, die jetzt auftauchte, damit rechnen würde, daß der 
Doppelposten bereits die vorgeschriebene Kontrolle aus 
geübt habe. So kam es auch. Ohne Aufenthalt, ohne 
Störung gelangten sie durch die feindlichen Linien. 
Die Wagenlenker, junge Leute mit scharfen Augen, 
sicherer Hand und feinem Gefühl, trieben allmählich ihre 
Wagen bis auf die höchste Geschwindigkeit, mit unermüd- 
Englische Kavalleriepatrouille verfolgt ein deutsches Automobil. Nach einer Originalzeichnung von JohS. Gehrts. 
II. Band. 
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