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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
oberflächlicher Rechnung beträgt das Gewicht einer einzigen
Breitseite der größten Schiffe, die für die Beschießung in
Betracht tarnen, 30 000 Kilogramm. Man denke sich eine
solche Last durch die Luft brausen und gegen die Forts am
Ufer niederstürzen! Und dabei wurden nach fachmännischer
Schätzung bis zunr 14. März an den Dardanellen 6000 Schüsse
abgefeuert. Dennoch hielten die Türken nicht nur die
Meerenge fest in der Hand, sondern hatten noch die Ge
nugtuung, eine ganze Anzahl feindlicher Kriegschiffe zu
Schaden zu bringen. Unter den oben genannten Namen
sind es vor allem zwei, die besonders ins Auge fallen.
„Lord Nelson" führt seinen Namen nach dem Helden von
Abukir, dem Netter der Türkei vom Untergange, und
kämpft nun, um den letzten Hort des Islam zu vernichten,
an der Seite derselben Nation, als deren erfolgreicher Be
kämpfe! der Admiral einst die Todeswunde empfing. Und
erinnert man sich bei dem Namen „Suffren" nicht des See
mannes, der im amerikanischen Unabhängigkeitskriege die
britische Flotte verbrannte, bei Kap St. Vincent, bei den
Kapverdischen Inseln und in den ostindischen Gewässern
die Engländer schlug, wo sie sich ihm entgegenstellten?
So zeigen schon die Schiffsnamen, wie unnatürlich das
mächtige Wasserhosen aufsteigen ließen. Um halb zwei Uhr
erreichte das Feuer seinen Höhepunkt. Es war jetzt auf
die Forts Tschmimelik, Hamidije und die umliegenden be
festigten Plätze konzentriert. Der gewaltige Kampf mo
derner Schiffsartillerie gegen die starken Küstenforts bot
ein grausiges Schauspiel. Nach ein Uhr flaute der Kampf
zeitweilig ab, wurde aber bald darauf wieder mit solcher
Heftigkeit aufgenommen, daß die Forts in Rauchwolken
zeitweilig verschwanden. Um zwei Uhr änderten die An
greifer ihre Taktik, indem sie einzelne Batterien in un
regelmäßigen Zeitabständen beschossen. Das Einschietzen
wollte schwer gelingen. Die Granaten fielen vielfach zu
kurz und ins Wasser oder zu weit und dann in die Stadt
Tschanak-Kale.
Die Nachmittagsbeschießung hatte um drei Uhr fünfzehn
Minuten ihre höchste Steigerung erreicht, als plötzlich das
französische Linienschiff „Bouvet" mit dem Heck zu sinken
begann, während der Bug sich hoch zum Himmel reckte.
Die Mannschaften der türkischen Forts, deren Kampfesmut
auf das höchste entfacht war, brachen in brausende Nufe der
Begeisterung aus. Torpedoboote und andere Fahrzeuge eilten
dem sinkenden Schiff zu Hilfe, konnten aber nur 25 Mann und
Ansicht von Smyrna.
Band ist, das Engländer und Franzosen in diesem Kampfe
verbindet. Der dritte aber, zu dessen Gunsten dieser ver
gebliche Kraftaufwand entfaltet wurde, hielt sich weislich
fern: Wo war die russische Flotte, als die Engländer und
Franzosen ihr Pulver verschossen und ihr Leben aufs Spiel
setzten? Sie blieb in ihrem sicheren Hafen und ließ die
Bundesgenossen sich mühen, damit Rußland eines Tages
der Herr des Mittelmeeres sein könne, wenngleich dies Ziel
bis jetzt in unerreichbarer Ferne zu liegen scheint.
Die Versuche der Verbündeten, die Durchfahrt durch
die Dardanellen zu erzwingen, erreichten ihren Höhepunkt
in der skebenstündigen Schlacht vom 18. März, in der die
Mannschaften der türkischen Forts mit wunderbarem
Heldenmut in einem Hagel von Geschossen aushielten. Die
ganze Atmosphäre war verdunkelt von explodierenden Ge
schossen, aufgeworfenen Erdsäulen und von Pulverwolken.
Meilenweit erbebte die Erde. Die Verbündeten fuhren
um halb zwölf Uhr vormittags in den Dardanelleneingang
und warfen ihre Geschosse in die Stadt Tschanak-Kale.
An dem Gefecht nahmen 16 Panzerschiffe, darunter 4 fran
zösische Kreuzer, und mehrere Torpedobootzerstörer teil.
In der Stadt fielen die Geschosse immer zahlreicher, wühlten
die Straßen auf und erfüllten die ganze Umgebung mit
dichtem Rauch, während die zu kurz gefallenen Geschosse
5 Offiziere retten, da das Schiff durch die Erploston einer
Mine unter Wasser und durch einen Volltreffer über Wasser
auf das schwerste beschädigt war und rasch sank.
Wenige Minuten später wurde ein britisches Schiff
von einem türkischen Geschoß auf dem Vorderdeck getroffen.
Mit gekapptem Mast, der im Gewirr der Takelage über
Bord hing, versuchte das Schiff den Ausgang der Darda
nellen zu gewinnen, was offenbar infolge eines Maschinen
schadens von Sekunde zu Sekunde schwerer wurde. Gleich
darauf erhielt ein anderes britisches Schiff einen Voll
treffer auf Deck mittschiffs und mußte sich gleichfalls vom
Kampfplatz entfernen. Um vier Uhr fünfundvierzig Minuten
mußte ein drittes britisches Kriegschiff, schwer beschädigt,
unter rasendem Feuer der türkischen Batterien sich aus
dem Gefecht ziehen. Am demütigendsten für die Ver
bündeten war es, als das britische Schiff sich gezwungen
sah, innerhalb des Feuerbereichs der türkischen Batterien
auf Strand zu laufen. Eine volle Stunde lang versuchten
die Engländer mit ihren Geschützen das der Vernichtung
geweihte Schlachtschiff zu decken, bis acht Volltreffer die
Aussichtslosigkeit all dieser Bemühungen zeigten. Darauf
folgten weitere zehn Minuten peinvollen Rückzugs. End
lich gewannen die Schiffe unter einem Hagel von Ge
schossen den Ausgang der Dardanellen, während die