Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

244 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
oberflächlicher Rechnung beträgt das Gewicht einer einzigen 
Breitseite der größten Schiffe, die für die Beschießung in 
Betracht tarnen, 30 000 Kilogramm. Man denke sich eine 
solche Last durch die Luft brausen und gegen die Forts am 
Ufer niederstürzen! Und dabei wurden nach fachmännischer 
Schätzung bis zunr 14. März an den Dardanellen 6000 Schüsse 
abgefeuert. Dennoch hielten die Türken nicht nur die 
Meerenge fest in der Hand, sondern hatten noch die Ge 
nugtuung, eine ganze Anzahl feindlicher Kriegschiffe zu 
Schaden zu bringen. Unter den oben genannten Namen 
sind es vor allem zwei, die besonders ins Auge fallen. 
„Lord Nelson" führt seinen Namen nach dem Helden von 
Abukir, dem Netter der Türkei vom Untergange, und 
kämpft nun, um den letzten Hort des Islam zu vernichten, 
an der Seite derselben Nation, als deren erfolgreicher Be 
kämpfe! der Admiral einst die Todeswunde empfing. Und 
erinnert man sich bei dem Namen „Suffren" nicht des See 
mannes, der im amerikanischen Unabhängigkeitskriege die 
britische Flotte verbrannte, bei Kap St. Vincent, bei den 
Kapverdischen Inseln und in den ostindischen Gewässern 
die Engländer schlug, wo sie sich ihm entgegenstellten? 
So zeigen schon die Schiffsnamen, wie unnatürlich das 
mächtige Wasserhosen aufsteigen ließen. Um halb zwei Uhr 
erreichte das Feuer seinen Höhepunkt. Es war jetzt auf 
die Forts Tschmimelik, Hamidije und die umliegenden be 
festigten Plätze konzentriert. Der gewaltige Kampf mo 
derner Schiffsartillerie gegen die starken Küstenforts bot 
ein grausiges Schauspiel. Nach ein Uhr flaute der Kampf 
zeitweilig ab, wurde aber bald darauf wieder mit solcher 
Heftigkeit aufgenommen, daß die Forts in Rauchwolken 
zeitweilig verschwanden. Um zwei Uhr änderten die An 
greifer ihre Taktik, indem sie einzelne Batterien in un 
regelmäßigen Zeitabständen beschossen. Das Einschietzen 
wollte schwer gelingen. Die Granaten fielen vielfach zu 
kurz und ins Wasser oder zu weit und dann in die Stadt 
Tschanak-Kale. 
Die Nachmittagsbeschießung hatte um drei Uhr fünfzehn 
Minuten ihre höchste Steigerung erreicht, als plötzlich das 
französische Linienschiff „Bouvet" mit dem Heck zu sinken 
begann, während der Bug sich hoch zum Himmel reckte. 
Die Mannschaften der türkischen Forts, deren Kampfesmut 
auf das höchste entfacht war, brachen in brausende Nufe der 
Begeisterung aus. Torpedoboote und andere Fahrzeuge eilten 
dem sinkenden Schiff zu Hilfe, konnten aber nur 25 Mann und 
Ansicht von Smyrna. 
Band ist, das Engländer und Franzosen in diesem Kampfe 
verbindet. Der dritte aber, zu dessen Gunsten dieser ver 
gebliche Kraftaufwand entfaltet wurde, hielt sich weislich 
fern: Wo war die russische Flotte, als die Engländer und 
Franzosen ihr Pulver verschossen und ihr Leben aufs Spiel 
setzten? Sie blieb in ihrem sicheren Hafen und ließ die 
Bundesgenossen sich mühen, damit Rußland eines Tages 
der Herr des Mittelmeeres sein könne, wenngleich dies Ziel 
bis jetzt in unerreichbarer Ferne zu liegen scheint. 
Die Versuche der Verbündeten, die Durchfahrt durch 
die Dardanellen zu erzwingen, erreichten ihren Höhepunkt 
in der skebenstündigen Schlacht vom 18. März, in der die 
Mannschaften der türkischen Forts mit wunderbarem 
Heldenmut in einem Hagel von Geschossen aushielten. Die 
ganze Atmosphäre war verdunkelt von explodierenden Ge 
schossen, aufgeworfenen Erdsäulen und von Pulverwolken. 
Meilenweit erbebte die Erde. Die Verbündeten fuhren 
um halb zwölf Uhr vormittags in den Dardanelleneingang 
und warfen ihre Geschosse in die Stadt Tschanak-Kale. 
An dem Gefecht nahmen 16 Panzerschiffe, darunter 4 fran 
zösische Kreuzer, und mehrere Torpedobootzerstörer teil. 
In der Stadt fielen die Geschosse immer zahlreicher, wühlten 
die Straßen auf und erfüllten die ganze Umgebung mit 
dichtem Rauch, während die zu kurz gefallenen Geschosse 
5 Offiziere retten, da das Schiff durch die Erploston einer 
Mine unter Wasser und durch einen Volltreffer über Wasser 
auf das schwerste beschädigt war und rasch sank. 
Wenige Minuten später wurde ein britisches Schiff 
von einem türkischen Geschoß auf dem Vorderdeck getroffen. 
Mit gekapptem Mast, der im Gewirr der Takelage über 
Bord hing, versuchte das Schiff den Ausgang der Darda 
nellen zu gewinnen, was offenbar infolge eines Maschinen 
schadens von Sekunde zu Sekunde schwerer wurde. Gleich 
darauf erhielt ein anderes britisches Schiff einen Voll 
treffer auf Deck mittschiffs und mußte sich gleichfalls vom 
Kampfplatz entfernen. Um vier Uhr fünfundvierzig Minuten 
mußte ein drittes britisches Kriegschiff, schwer beschädigt, 
unter rasendem Feuer der türkischen Batterien sich aus 
dem Gefecht ziehen. Am demütigendsten für die Ver 
bündeten war es, als das britische Schiff sich gezwungen 
sah, innerhalb des Feuerbereichs der türkischen Batterien 
auf Strand zu laufen. Eine volle Stunde lang versuchten 
die Engländer mit ihren Geschützen das der Vernichtung 
geweihte Schlachtschiff zu decken, bis acht Volltreffer die 
Aussichtslosigkeit all dieser Bemühungen zeigten. Darauf 
folgten weitere zehn Minuten peinvollen Rückzugs. End 
lich gewannen die Schiffe unter einem Hagel von Ge 
schossen den Ausgang der Dardanellen, während die
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.