Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15»
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nicht mehr in den Forts, sondern an anderen Stellen. Sie
könnten deshalb auch nicht vernichtet sein. Die Erwiderung
der Angriffe der Flotte durch die Türken beschränke sich
auf nur 100 Schutz am Tage, die zur Täuschung des Feindes
über den Stand der großen Batterien aus einigen alten
Geschützen der Forts abgefeuert würden. Der Korre
spondent glaubt nicht, datz ein Bezwingen der Meerengen
möglich sein werde. Die Türken hätten große Truppen
massen an beiden Ufern der Durchfahrt vereinigt, darunter
sehr viel schwere Artillerie. Die feindlichen Angriffe hätten
seit Dienstag an Heftigkeit sehr nachgelassen.
Am 5. und 6. Mürz richteten die Verbündeten ihre Be
schießung auf die Forts von Smyrna. Daran waren drei
größere englische und ein französisches Kriegschiff, die von
kleineren Schiffen begleitet waren, beteiligt. Der an
gerichtete Schaden war unbedeutend, nur wenige Personen
wurden verwundet, dagegen ein kleines feindliches Schiff
schwer beschädigt und ein Minensucher in den Grund ge
bohrt. Die 60 Granaten, die der Feind abfeuerte, waren
fast ohne Wirkung.
Da die englische Admiralität in diesen Tagen wieder
von Erfolgen der Verbündeten wissen wollte, brachte das
Wolffsche Büro folgende Richtigstellung:
„Die Meldungen der englischen Admiralität, die von be
deutenden Erfolgen der Verbündeten bei den Angriffen
auf die Dardanellen zu berichten wissen, sind augenscheinlich
nur darauf berechnet, einen moralischen Druck auf die
Balkanstaaten auszuüben und bei den Neutralen Stim
mung zu machen. Tatsächlich erreichte noch kein Fahrzeug
der Verbündeten bisher das Minenfeld, und keine einzige
Mine ist weggeräumt.
Die Landungsversuche am 5. bei Kum-Kale und Seddil-
Bahr scheiterten völlig. An beiden Stellen wurden die
Angreifer unter großen Verlusten durch Bajonettangriffe
der Türken zurückgeworfen und ins Meer getrieben. Die
inneren Dardanellenforts griffen noch gar nicht in den
Kampf ein.
Die Stimmung in Konstantinopel ist ruhig und zu
versichtlich, das politische und wirtschaftliche Leben geht
den gewohnten Gang."
Am Sonntag, den 7. März, erstreckte sich das Feuer
der feindlichen Geschütze vor allem auf das Fort Hamidije.
Auch die türkischen Batterien an den Engen der Dardanellen
bei Kum-Kale wurden von sechs feindlichen Panzerschiffen
beschossen. Im Verlauf des Bombardements wurde ein
französischer Dampfer außer Kampf gesetzt, ein englischer
beschädigt, wonach sich die angreifende Flotte zurückzog.
Die türkischen Batterien litten hierbei nicht. Auch Smyrna
wurde von drei feindlichen Panzerschiffen beschossen, die
jedoch, ohne irgend eine Wirkung erzielt zu haben, wieder
abfahren mußten. Am 8. nahmen sie eine Stunde lang
ihr erfolgloses Feuer wieder auf. Am Nachmittag des
selben Tages beschossen vier englische Kriegschiffe mit
Unterbrechungen die türkischen Batterien an den Darda
nellen außerhalb der Treffweite. Das Feuer wurde wie
bisher aus großer Entfernung eröffnet, und zwar gegen
die Batterien von Dardanos, sowie gegen das Fort Med-
jedije; diese erwiderten und erzielten trotz der großen
Entfernung Treffer. Bald nach Beginn der Beschießung
griff ein englischer Dreadnought von der Bucht von Saros
aus über die Berge der Landzunge auf der europäischen
Seite hinweg in den Kampf ein. Die Granaten schlugen
teils auf dem europäischen Ufer ein, teils im Wasser, wo
sie platzten. Die türkischen Batterien erwiderten das Feuer
mit wenigen wohlgezielten Schüssen und zwangen das
englische Schiff zum Rückzüge. In der Nacht vom 10. zum
11. März versuchten feindliche Schiffe unter dem Schutze
von Kreuzern und Torpedobootzerstörern die äußerste
Minensperre wegzuräumen, nachdem zuvor größere Schiffe
die Scheinwerferaufstellungen wirkungslos beschossen hatten.
Die Dardanellenbatterien eröffneten das Feuer und ver
senkten drei Minensucher, worauf sich die Gegner unver
richteter Sache zurückzogen. Schon in der Nacht zuvor
war ein feindliches Transportschiff in der Nähe von Myti-
lene durch türkische Seestreitkräfte versenkt worden.
Am 11. und 12. März herrschte an den Dardanellen wie
auch vor Smyrna fast vollständige Ruhe. Der voran
gegangene zwanzigtägige Kampf um die Meerenge hatte
den Verbündeten teilweise außerordentlich schwere Schäden
an Schiffs- wie Menschenmaterial gebracht, denen so gut
wie kein Erfolg gegenüberstand. Dadurch wurde das Ver
trauen der türkischen Bevölkerung an den Dardanellen und
in Smyrna außerordentlich gehoben. Hohe Militärs, die
den Kämpfen in den Dardanellenforts an mehreren Tagen
beiwohnten, waren voll uneingeschränkten Lobes über die
Haltung der türkischen Truppen, ihre wundervolle Disziplin,
ihre Genauigkeit im Schießen und über die Begeisterung,
die sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an den Tag legten.
Die Presse des Dreiverbandes setzte allerdings in gewohnter
Weife tendenziöse Behauptungen in die Welt. Demgegen
über verbreitete die offiziöse türkische Agentur Milli am
15. März folgenden Bericht:
„Die englischen und französischen Berichte über die Be
schießung der Dardanellen sind lächerlich. Wir erklären
nachdrücklich, daß ,Agamemnon', ,Lord Nelson', ,Corn-
wallis', ,Dublin', ,Bouvet', ,Suffren', ,Saphir' havariert
sind, die ,Queen Elizabeth' von drei Granaten schweren
Kalibers getroffen wurde und daß das Hospitalschiff
,Canada' mit einer großen Zahl Verwundeter nach Malta
abging. Die Wirksamkeit unseres Feuers wird von den
englischen Berichten zugegeben, die, nachdem sie stolz ver
kündigt hatten, daß sie unsere Batterien zum Schweigen
brachten, melden, daß dieselben Batterien sie am nächsten
Tage wieder beschossen hätten. Diese Berichte sind das
Beste, was von unseren Feinden zu unseren Gunsten ver
öffentlicht werden könnte. Heute befindet sich kein feind
licher Soldat an der Meerenge der Dardanellen, noch in
ihrer Umgebung. Wenn die Verbündeten wirklich, wie
sie in ihren Berichten erwähnen, zahllose Batterien zum
Schweigen gebracht hätten, müßten sie, statt auf die Um
gebung der äußeren Dardanellenforts zu schießen, sich be
reits in Konstantinopel befinden."
Die türkischen Soldaten, die Tag und Nacht an den Ge
schützen standen, im Hagel der Geschosse ausharrten und
zur Verteidigung ihres Vaterlandes nicht einen Fuß breit
zurückwichen, haben hiermit Bewunderungswürdiges ge
leistet. Beispiellos war die Wucht der Angriffe, die Eng
länder und Franzosen gegen die Meerenge richteten. Nach
Das englisch-französische Geschwader vor den Dardanellen.