230
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16.
unterbrochenen Kämpfen hat der Gegner seit dem 16. Fe
bruar nacheinander mehr als sechs voll aufgefüllte Armee
korps, ungeheuerliche Massen schwerer Artilleriemunition
eigener und amerikanischer Fertigung — oft mehr als
100 000 Schutz in 24 Stunden — gegen die von zwei
schwachen rheinischen Divisionen verteidigte Front von
8 Kilometer Breite geworfen. Unerschütterlich haben die
Rheinländer und die zu ihrer Unterstützung herangezogenen
Bataillone der Garde und anderer Verbände dem An
sturm sechsfacher Überlegenheit nicht nur standgehalten,
sondern sind ihm oft genug mit kräftigem Gegenstotz zuvor
gekommen. So erklärte sich, datz, obwohl es sich hier um
reine Verteidigungskämpfe handelt, mehr als 2460 un
verwundete Gefangene, darunter 35 Offiziere, in unseren
Händen blieben. Freilich sind unsere Verluste einem
tapferen Gegner gegenüber schwer. Sie übertreffen sogar
diejenigen, die die gesamten an der Masurenschlacht be
teiligten deutschen Kräfte erlitten. Aber sie sind nicht
umsonst gebracht. Die Einbuße des Feindes ist auf min
destens das Dreifache der unsrigen, das heißt auf mehr
als 45 000 Mann zu schätzen. Unsere Front in der Cham
pagne steht fester als je. Die französischen Anstrengungen
haben keinerlei Einfluß auf den Verlauf der Dinge im
Osten auszuüben vermocht. Ein neues Ruhmesblatt hat
deutsche Tapferkeit und deutsche Zähigkeit erworben, das
sich demjenigen, das fast zu derselben Zeit in Masuren er
kämpft wurde, gleichwertig anreiht.
Oberste Heeresleitung.
Rach diesen herrlichen Erfolgen unserer Truppen sandte
Generaloberst v. Einem folgendes Telegramm an den König
von Sachsen:
Eurer Majestät melde ich alleruntertänigst, datz in der
Winterschlacht in der Champagne die Königlich Säch
sischen Reserve-Jnfanterieregimenter Nr. 101, 104 und 107,
Teile des Infanterieregiments Nr. 177 und die Haubitzen
abteilung des 8. Reservekorps mit großer Auszeichnung,
unermüdlicher Ausdauer und Todesverachtung gefochten
haben. Die Schlacht bedeutet ein Ruhmesblatt in der
Geschichte dieser vortrefflichen Truppenteile. Seiner Maje
stät dem Kaiser und König habe ich die gleiche Meldung
erstattet. v. Einem, Generaloberst und Befehlshaber.
(Fortsetzung folgt.)
Illustrierte Kriegsberichte
SaniLäLsLakLische
Maßnahmen im Operationsgebiet.
Von Paul Otto Ebe.
(Hierzu die Bilder Seite 228 und 229.)
Für die Sanitätsoffiziere und -Mannschaften beginnen
die dienstlichen Anstrengungen schon auf den Märschen.
Müssen sie doch bei jedem Halt, also in der Zeit, in der
die Truppen ein wenig ausruhen können, sich der Marsch
schäden saufgelaufene Füße, Durchreiten, Übelkeit, Hitz-
schlag) annehmen. Die Kranken, die nicht bei der Truppe
verbleiben können, werden in Krankensammelstellen unter
gebracht, die in Ortschaften eingerichtet werden müssen.
Praktischerweise benutzt man Schulzimmer, Wartesäle,
Scheunen und dergleichen. Leichtkranke werden nach Mög
lichkeit mitgenommen. Unter Umständen läßt man sie auf
den Kranken- oder Sanitätswagen der Sanitätsformationen
weiterfahren, oder-sie dürfen auf die Wagen der Eefechts-
oder großen Bagage ihrer Truppen aufsitzen. Kranke, die
nicht beförderungsfähig sind oder deren Wiederherstellung
längere Zeit in Anspruch nimmt, werden der nächsten
Etappenbehörde, einem Krankenhause oder im Notfall der
Ortsbehörde anvertraut.
Dann muß das Personal sich schleunigst marschfähig machen,
um in Eilmärschen seinen Truppenteil wieder einzuholen.
Entspinnt sich ein Gefecht, so werden beim Eintritt
größerer Verluste, also wenn zum Beispiel die gegnerische
Artilleriefeuerzone durchschritten werden muß, durch den
Truppenteil die Truppenverbandplätze errichtet (siehe Bild
Seite 229). Zu diesem Zweck verfügt jedes Bataillon zu
vier Kompanien über zwei Arzte, vier Sanitätsmannschaften,
sechzehn Krankenträger und die als Hilfskrankenträger aus
gebildeten Musiker, sowie einen Jnfanteriesanitätswagen;
bei den übrigen Truppengattungen ist das Verhältnis ein
ähnliches.
Für die Wahl der Verbandplätze sind die folgenden An
forderungen zu berücksichtigen: die Plätze müssen Deckung
gegen Sicht und möglichst auch gegen Feuer bieten. Nun
kann man sich bei der Anlage verhältnismäßig leicht gegen
Jnfanteriefeuer schützen. Etwas anderes ist es mit dem
Artilleriefeuer. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, daß
es kein entsetzlicheres Gefühl gibt, als einen Tag lang ver
wundet und bewegungsunfähig auf einem Verbandplatz
liegen zu müssen, über dem die feindlichen Granaten
krachend zerbersten. Anderseits muß man bedenken, daß
die Reichweite der schweren Geschütze, hauptsächlich in der
Nähe der Festungen, ein Bestreuen des Geländes bis un
gefähr 10 Kilometer hinter die vorderste Schützenlinie
hinaus gestattet; die Verbandplätze, hauptsächlich die vor
deren, die sich nur 1 /a—II/2 Kilometer hinter dem Rücken
der fechtenden Truppen befinden, sind also immer auf gut
Glück dem feindlichen Artilleriefeuer ausgesetzt. Gegen
Flachbahnschüsse kann man sich noch durch Ausnutzung der
toten Winkel schützen, wie sie Eeländevertiefungen, Stein
brüche, Hohlwege bilden. Doch g^gen Bogenschüsse hilft
aüch dies nicht viel.
Trotzdem benötigen wir unsere Verbandplätze so nah
wie möglich an der Front. Sie müssen für die Ver
wundeten leicht und rasch auffindbar und zugänglich sein.
Ein Haupterfordernis ist gutes Trinkwasser in der Nähe
und Schutz sowohl gegen heftige Sonne als auch gegen
Regen. Erwünscht ist die Nähe von Ortschaften, aus denen
man Stroh, Betten, Bettstellen, Bretter, Fuhrwerke, Be
leuchtung und Verpflegung beitreiben kann. Ein Zu
sammenarbeiten mehrerer Verbandplätze durch Vereinigung
hat sich bewährt und war auch in den Vorschriften vorgesehen.
Mehren sich die Verluste, so daß sie die Leistungs
fähigkeit der Truppensanitätskräfte übersteigen und die
Sanitätskompanie voll beansprucht wird, so befiehlt der
Truppenbefehlshaber dem Divisionsarzt, wo der Haupt
verbandplatz zu errichten ist, der den Verwundeten in
höherem Grade, als es bei den Truppenverbandplätzen
möglich ist, ärztliche Hilfe gewähren und ihre Aberführung
in die Feldlazarette bewerkstelligen soll.
Die Errichtung des Hauptverbandplatzes geschieht durch
die Sanitätskompanie, die aus 9 Ärzten und 250 Mann
schaften besteht. Hier können sehr viel Verwundete versorgt
werden, da die Ausrüstung an Zelten, Instrumenten, Ver
bandmitteln, Schienen und Gips für Eipsverbände, sowie
Lebensmitteln für die Erschöpften sehr vielseitig und reichlich
ist. Zwei Sanitätswagen, zwei Packwagen und ein Lebens
mittelwagen bleiben beim Hauptverbandplatz, der bei Tage
durch die National- und Genfer Flagge, bei Nacht durch eine
rote Laterne kenntlich gemacht werden muß, während der
militärische Führer der Kompanie, ein Offizier, das Aus
schwärmen und Sichverteilen der mit der Genfer Binde ver
sehenen Krankenträger und der Hilfskrankenträger leitet,
die mit einer roten Binde kenntlich gemacht werden. Außer
dem leitet er das gedeckte Vorfahren der acht Krankenwagen
der Kompanie bis möglichst dicht hinter die Front, wo sie
den Wagenhalteplatz bilden (siehe Bild Seite 228) und die
Verwundeten, die durch die Krankenträger zurückgebracht
werden, zum Hauptverbandplatz zurückfahren.
Auf dem Hauptverbandplatz selbst leitet der Chefarzt
den Dienstbetrieb und trifft seine Maßnahmen für Bei
treibung von allen Hilfsmitteln zur Verwundetenfürsorge,
da es bei jedem größeren Gefecht Tag und Nacht zu ar
beiten gilt, um dem großen, anhaltenden Andrang gerecht
zu werden.
Dementsprechend ist der Hauptverbandplatz auch nur
eine Art Abergangstation. Die Verwundeten werden zur
besseren Abersicht, und um ihnen Verbandwechsel sowie
unnötige Untersuchungen zu ersparen, eingeteilt in Marsch
fähige, Transportfähige und Nichttransportfähige; dies ist
an einem Wundtäfelchen mit 0, 1 oder 2 roten Streifen
sofort zu erkennen, auf dem auch noch kurze Angaben über
Verwundung, ersten Verband und dergleichen vermerkt sind.