Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

208 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
westlich der Weichsel, nördlich Borzymow und westlich 
Lopuscuo, südwestlich Konskie, hatten wir an diesem Tage 
Erfolge zu verzeichnen. Eine anschauliche Schilderung von 
nächtlichen Kämpfen auf den Schlachtfeldern Polens gab 
der Kriegskorrespondent Granville Fortescue: 
„Soweit das Auge reicht, ist das Land von der Glut der 
Lagerfeuer erhellt. Stoßweise erreicht unser Ohr das 
Knattern der Gewehre. Der Schmutz auf den Wegen reicht 
fast bis über die Räder unseres Autos, so daß wir uns kaum 
vorwürtsbewegen können, aber endlich sind wir nur noch 
4—5 Kilometer von unseren eigenen Batterien entfernt. 
Im Westen breitet sich ein imponierendes Schlachtfeld vor 
uns aus. Im Mondlicht können wir die Schatten sich gegen 
den Schnee abheben sehen. Die flache weiße Ebene ist 
von einer Reihe schwarzer Bäume umragt. Hinter diesen 
sind die Geschütze aufgestellt. Sie erstrecken sich in einer 
langen Linie, und ihre verschiedenartige Stellung wird beim 
Abfeuern durch das Herausschlagen der Flammen kenntlich. 
Statt Eewehrfeuer hören wir jetzt brüllenden Kanonen 
donner. 
In einiger Entfernung, wo der Himmel die Erde zu 
berühren scheint, blitzen andere Lichter auf. Das sind die 
Kanonen des Feindes, also deutsche Kanonen. Oft steigen 
vier große Flammen aus dem matten Halbdunkel auf, vier 
Kanonenschüsse. Am Horizont ist alles in blendendes Licht 
gehüllt. Hin und wieder nimmt man einen anderen Licht 
schein wahr. Es sind raketengleich platzende Granaten. 
Hier und da ein explodierendes Schrapnell. Von Zeit zu 
Zeit schickt ein Scheinwerfer sein unbarmherzig grelles Licht 
über dies Chaos und enthüllt Häuser, Felder und Wege. 
Den Feind suchend blitzt der kalte Schein über die Ebene 
und bleibt endlich bei einem Kreuzweg stehen, wo er deut 
lich die Linien des Schützengrabens zeigt. Das gesamte 
Schlachtbild ist von so ungeheurer Größe, daß das Auge nur 
einige kleinere Einzelheiten davon aufzunehmen vermag. 
Wenn die Schlacht auf der Höhe ist, laufen alle diese ver 
schiedenen Lichter in eins zusammen. Das Knattern der 
Gewehre übertönt sogar das Brüllen der Kanonen. 
Plötzlich, als ob es von einem Windstoß ausgelöscht ist, 
verschwindet das Eewehrfeuer. Später hörte ich, daß es 
die Deutschen waren, die einen russischen Schützengraben 
genommen hatten. Dann brach wieder höllenartiges 
Granatfeuer los. Bei der Feldambulanz werden Ver 
wundete in Scharen herangebracht. Alle haben großen 
Heißhunger, und kaum daß sie verbunden sind, können sie 
eine Stunde lang essen, um nachher in einen Schlaf tiefster 
Erschöpfung zu sinken. Die Truppen sind sehr ermattet. 
Das rauhe kalte Wetter ermüdet sie sehr. Während der 
ganzen Nacht hält der Zustrom von Verwundeten hier an. 
.Ohne Unterbrechung tobt das Kanonengebrüll, so daß die 
iFenster klirren, wie von einem unsichtbaren Sturm be 
wegt." 
Am 22. Januar unternahmen die Russen im nördlichen 
Polen einen Angriff in der Gegend von Prasznysz, der 
jedoch abgewiesen wurde. Aus Blinno und Gojsk wurden 
die Russen herausgeworfen und schwächere, auf Szpital 
Gorny vorgehende russische Abteilungen zum Rückzug 
gezwungen. Am 23. waren wir im Suchaabschnitt bei 
Borzymow erfolgreich. Russische Gegenangriffe scheiterten. 
Am 25. Januar kam es zu kleineren Gefechten bei Wloclawek, 
die für uns ebenfalls erfolgreich verliefen. Eine bei Biezun 
und Sierpc vordringende russische Abteilung wurde am 27. 
zurückgeschlagen. Am folgenden Tage unternahmen unsere 
Truppen nordöstlich Bolimow, östlich von Lowicz, einen 
Angriff auf die russischen Stellungen. Einige Gräben 
wurden von uns genommen und trotz heftiger nächtlicher 
Gegenangriffe bis auf ein kleines Stück gehalten und ein 
gerichtet. Nördlich der Weichsel kam es am 31. Januar 
und 1. Februar zu Zusammenstößen südwestlich Mlawa, 
ferner in der Gegend Lipno und nordwestlich Sierpc, in 
denen die Russen zurückgeworfen wurden. Tags darauf 
führte unser Angriff südlich der Weichsel, östlich Bolimow, 
zur Eroberung des Dorfes Humin. Auch an den folgenden 
Tagen wurden unsere Angriffe hier fortgesetzt. Dabei 
nahmen wir bis zum 4. Februar etwa 6000 Mann und 
26 Offiziere gefangen und erbeuteten mehrere Maschinen 
gewehre. Ein Nachtangriff- den die Russen an der Bzura 
südlich Sochaczew auf unsere Stellungen unternahmen, 
brach in unserem Feuer zusammen. — 
Anfang Februar traf der Kaiser wieder auf dem östlichen 
Kriegschauplatz ein, und vom 7., einem Sonntag, meldete 
das Wolffsche Telegraphenbüro amtlich, daß er Teile 
der im Bzura-Rawka-Abschnitt kämpfenden Truppen be 
sichtigt habe. Eine anschauliche Schilderung dieses kaiser 
lichen Besuches in Russisch-Polen gab W. C. Eomoll in 
der „Norddeutschen Allgem. Zeitung". Es hieß da: 
„Auf dem Warschauer Bahnhof in Lodz fuhr der Kaiser 
mit seinem Gefolge ein, und zu seinem Empfang hatte sich 
dort Exzellenz v. Mackensen (siehe Bild in Band I Seite 467) 
mit seinem Stabe eingefunden. Ein dreißig Wagen langer 
Automobilzug setzte sich in Bewegung und eilte über schnee 
verwehte Straßen und durch verschneite Dörfer zunächst 
nach Lowicz, und dann weiter nach Kompina hinauf, zu 
den dortigen Truppen, die der Kaiser, von seinen Generalen 
begleitet, mit ernsten, aber herzlichen Worten begrüßte. 
Und dann ging es auf einem Umwege dem schönen 
Fürstenschlosse Nivbowo zu. 
, Im Park war in der Mitte einer breiten Allee ein 
schlichter Feldaltar errichtet worden. Truppenabord 
nungen in großer Zahl, Tausende von Mann, hatten sich 
mit ihren Feldzeichen darum geschart. Zwanzig Fahnen 
und Standarten, ein wunderschönes Bild, wehten entrollt 
im Winde. Viele Offiziere waren von der Front gekommen, 
die ja nur wenige Kilometer entfernt liegt, und als der 
Kaiser in langsamem, festem Schritt in Gemeinschaft von 
Exzellenz v. Mackensen, kommandierenden Generalen, 
Divisionskommandeuren, den Herren der Stäbe und seinem 
persönlichen Gefolge in den gottesdienstlich-festlichen Kreis 
seiner Soldaten trat, empfing ihn eine von zwei Regi 
mentern gestellte Kapelle mit der Kaiserhymne. 
Kurz und kraftvoll war der Gruß, der die mit auf 
gepflanztem Bajonett vor Gewehr stehenden Mannschaften 
aus dem Munde des Kaisers traf. Der oberste Kriegsherr 
schritt musternd die Fronten ab. In den Kreis der Fahnen, 
vor dem schwarz gedeckten Feldaltar, trat dann Pfarrer 
Willigmann, um einen Gottesdienst abzuhalten. Mitten 
vor dem Altar stand der Kaiser und hinter ihm seine Heer 
führer, seine Generale, der große Kreis seiner Offiziere. 
,Rosse werden zum Streittage bereitet, aber der Sieg 
kommt vom Herrn' (Sprüche 21, Vers 31), so lautete das 
ausgewählte Predigtwort. Unbeweglich fest stand der 
Kaiser auf seinem Platze. Er sah auf den Feldgeistlichen 
und sang wie jeder Mann. Und während der Predigt 
hing sein Auge unverwandt an den Lippen des Geist 
lichen, der aus dem Leben heraus, aus den Geschehnissen 
der Kriegszeit, sein Predigtwort zu erläutern versuchte. 
Was er sagte, war ein Lob der Mannestreue, der Soldaten 
treue gegen Kaiser und Reich. Gemeinsames Gebet und 
ein Segen, der über die Köpfe aller gesprochen wurde, 
die, helmbar, während sich die Fahnen neigten, rund um 
den Altar standen, schloß den Gottesdienst ab. 
In die Massen kam Bewegung hinein. Die Gewehre, 
die während des Gottesdienstes zusammengestellt worden 
waren, wurden von den Mannschaften wieder ergriffen, 
und sie pflanzten von neuem die Bajonette auf. Dann 
erschollen aber auch schon Kommandorufe. Stille trat ein: 
der Kaiser sprach. ,Soldaten! Es ist mir eine große Freude, 
daß es mir vergönnt war, heute mit euch unter Gottes 
freiem Himmel und vor seinem Altar an diesem schlichten 
Feldgottesdienste teilzunehmen. Für das, was ihr geleistet, 
spreche ich euch meinen Dank und meine vollste Anerkennung 
aus, und überall in der Heimat und bei den Truppen, die 
im Westen kämpfen, blickt man dankbar und stolz auf eure 
Taten. Eine schwere Aufgabe ist uns gestellt. Es gilt, die 
Existenzberechtigung Deutschlands noch einmal vor der 
ganzen Welt zu beweisen. Diese Aufgabe müssen und 
werden wir erfüllen! Keine Überschätzung des Feindes; 
aber auch keine Unterschätzung der eigenen Kraft! Wir 
Preußen sind es ja gewöhnt, gegen einen überlegenen Feind 
zu kämpfen und zu siegen. Dazu gehört das feste Vertrauen 
auf unseren großen Alliierten dort oben, der unserer ge 
rechten Sache zum Siege verhelfen wird. Wir wissen es 
aus unserer Kinderzeit, und als Erwachsene haben wir es 
beim Studium der Geschichte gelernt, daß Gott nur mit 
den gläubigen Heeren ist. So war es unter dem Großen 
Kurfürsten, so war es unter dem Alten Fritz, so war es 
bei meinem Großvater, und so ist es auch unter mir. Wie 
der große Schotte es ausfprach: Ein Mann mit Gott ist 
immer die Majorität. Einen Vorteil haben wir gegen 
über unseren Feinden: Sie haben keine Parole, sie wissen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.