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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Die unmittel
bare Wirkung des
Sieges war die nun
mögliche Beschie
ßung des Bahnhofs
Saint-Paul in der
Vorstadt Soissons
und damit die Be
herrschung der wich
tigen Eisenbahn
linie im Aisnetal.
Die beinahe sie
ben Tage währen
den Kämpfe, die
zudem vielfach auf
nächste Entfermmg
durchgefochten
werden mutzten,
brachten eine Fülle
von hochdrama
tischen Einzelhei
ten. Rührend wa
ren die Momente,
wo das Schwe
sterregiment des
Leibregiments, die
„48er", von brausendem Hurra begrüßt, diesem zu Hilfe
kam. Desgleichen war das Einsetzen von Maschinengewehr
abteilungen (siehe die Bilder Seite 196), die auf der Wald-
höhe auffuhren und die Aisnebrücken unter Feuer nahmen,
ein Vorgang von unauslöschlichem Eindruck, nicht minder
der Sturm auf der Hochfläche von Vregny.
Die Heldenfahrt der „Emden II".
^Hierzu die Bilder Seite 198 und 199.)
Als der englische Draht jubelnd die Nachricht vom See
gefecht bei den Kokosinseln (siehe Seite 42) in die Welt
trug, da erfüllte uns tiefe Trauer, schien doch damit die
Heldenmär von den Taten unseres Kreuzers „Emden" ab
geschlossen. Aber sie hat eine Fortsetzung erhalten, fast
glänzender und jedenfalls romantischer noch als der erste
Teil. Während nämlich
Kapitän v. Müller und
die Seinen sich mit echt
deutschem Todesmut
stundenlang gegen den
übermächtigen Gegner
wehrten, befanden sich auf
der Insel Keeling 47 Mann
von der Emdenbesatzung
unter Kapitänleutnant
v. Mücke und den Leut
nanten Gytzling und
Schmidt, die dorthin aus
geschifft waren, um die
englische Funkenstation
zu zerstören.Untätig mutz
ten sie dem letzten Kampf
ihres geliebten Kreuzers
zusehen. Als dann das
Ende nicht mehr zweifel
haft war, beschlossen sie,
sich auf der Insel zu ver
schanzen und aus ihr ein
zweites, wenn auch klei
neres Tsingtau zu machen.
Dann aber erinnerten
sie sich, daß im Hafen
ein alter Dreimastschoner
„Ayesha" von etwa 100
Tonnen lag. Sofort
waren sie entschlossen,
mit diesem Fahrzeug,
das der Volksmund bei
uns später in „Emden II"
umtaufte, zu weiteren
Abenteuern auf die weite
See hinauszusteuern. Der
Schoner wurde aufge
takelt, so gut es
ging, mit ein paar
Maschinengeweh
ren ausgerüstet, die
man Zufällig bei
sich hatte, und die
Odyssee begann.
Am 28. November
erreichten sie Pa-
dang aufSumatra.
Aber ihren Auf
enthalt dort berich
tete Ansang Ja-
nuardie holländische
Zeitung „Nieuwe
Blad". Die Behör
den wollten in
strenger Wahrung
der Neutralität das
Fahrzeug erst nicht
als Kriegschiff gel
ten lassen; aber
Kapitänleutnant
v. Mücke, der die
deutsche Kriegs
flagge gehißt hatte,
bestand ebenso höflich wie fest auf seiner Ansicht und sehte
seinen Willen durch. Nach internationalem Seebrauch
durfte er 24 Stunden lang die Ausrüstung seines Schoners
nach Möglichkeit vervollständigen. Das geschah, und an
hilfreichen Händen fehlte es nicht; lagen doch in dem
Hafen eine Anzahl deutscher Kauffahrteischiffe für die
Dauer des Krieges fest. Nachdem noch seitens der be
geisterten Landsleute ein wahrer Regen von Liebesgaben
über die wagemutige Besatzung niedergegangen war, fuhr
der Schoner am folgenden Abend unter den Klängen von
„Deutschland, Deutschland über alles" und der, „Wacht am
Rhein" wieder von dannen. Lange hörte man nichts von ihn:
außer spärlichen, undeutlichen Berichten englischer Blätter,
die wissen wollten, daß Kapitänleutnant v. Mücke an der
Küste Hinterindiens einen Dampfer kaperte, als Hilfskreuzer
ausrüstete und eine Zeitlang damit den englischen Handel
dort empfindlich störte.
Aber für größere Unter
nehmungen fehlte es an
Waffen und Munition.
So entschloß man sich
endlich zu dem fast aus
sichtslosen Wagnis, die
Heimkehr nach dem deut
schen Vaterlande zu ver
suchen. Und es gelang!
Der Indische Ozean wur
de durchquert, die von
Engländern und Fran
zosen streng überwachte
Straße von Perim (Bab
el Mandeb) überwunden,
und eines schönen Tages
erschien S. M. S. „Aye
sha" vor dem arabischen
Hafen Hodeida, wo seine
Mannschaft nach langer
Irrfahrt in Sicht eines
französischen Kreuzers
landete. Daß sie von
den Türken mit Jubel
aufgenommen wurde,
kann nicht wunderneh
men, nicht minder aber
läßt sich begreifen, daß
uns Freude und berech
tigter Stolz erfüllt über
diese Heldenfahrt deut
scher Blaujacken, die im
Zeitalter der Panzer
riesen und meilenweit
tragenden Geschütze kein
Mensch mehr für mög
lich gehalten hätte.
Patrouille der Schneeschuhtruppe in ihrer neuen Schneeschuhuniform» die sich ebensowenig von
der Landschaft abhebt, wie die feldgraue Uniform in der schneefreien Jahreszeit.
Die seltsame Wirkung der Beschießung eines Hauses bei La Pommeraye.