Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
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acht Tage vorher von uns be
setzter Schützengraben wieder
entrissen. In einem Gegen
angriff eroberten unsere Trup
pen bei Notredame de Lorette
zwei feindliche Schützengräben
und nahmen deren Besatzung
gefangen.
Die folgenden Tage brach
ten ander Front in Flandern
und Nordfrankreich nur Ar
tilleriekämpfe. Am 19. Januar
wurde dem Feinde bei Notre
dame de Lorette ein dritter
Schützengraben entrissen, wo
bei zwei Maschinengewehre
erbeutet und einige Gefangene
gemacht wurden. Doch schon
in der Nacht zum 2-1. Januar
ging dieser dritte Schützen
graben nach harten Kümpfen
wieder verloren. Schlechtes
Wetterzwischen der Küste und
dem La Bassoe-Kanal machte
eine größere Eefechtstätigkeit
in diesen Tagen wieder un
möglich. Am 22. Januar war
fen feindliche Flieger über
Zeebrügge und Gent Bomben
ab, die jedoch keinen Schaden
anrichteten.
Der 24. Januar brachte bei
Bpern und Nieuport heftige
Artilleriekämpfe. Am nächsten
Tage nahmen die Engländer
wieder Westende-Bad und
Middelkerke unter Feuer. Hier
bei wurde eine größere Anzahl
Einwohner getötet und ver
letzt, darunter sogar der Bür
germeister von Middelkerke.
Beiderseits des Kanals von La
Basste griffen unsere Truppen
die Stellungen der Engländer
Phot. Boedecker, Berlin.
Der Kaiser bei den Truppen im Osten in Conrbina,
bei Lowicz a. d. Bzura, im Gespräch mit Generaloberst v. Mackensen.
an. Während sie nördlich des
Kanals nicht zum Ziele kamen,
hatte der Angriff der Badener
südlich des Kanals vollen Er
folg. Hier wurden die eng
lischen Stellungen in einer
Frontbreite von 1100 Metern
im Sturm überrannt, zwei
starke Stützpunkte erobert,
3 Offiziere und 110 Mann ge
fangen genommen, sowie IGe-
schütz und 3 Maschinengewehre
erbeutet. Die Engländer ver
suchten vergeblich, die von uns
für unsere Zwecke sofort aus
gebauten Stellungen zurück
zugewinnen- Am 27. Januar
beschoß die englische Artillerie
aufs neue die Ortschaften
Middelkerke und Slyps an der
flandrischenKüste.Amnächsten
Tage unternahmen die Fran
zosen und Engländer einen An
griff in den Dünen bei Nieu
port. Der Feind, der an einer
Stelle in unsere Stellung ein
gedrungen war, wurde in
nächtlichem Bajonettkampf
wieder zurückgeworfen, wobei
er große Verluste erlitt. In
der Nacht vom 29. zum 30. Ja
nuar entrissen unsere Truppen
den Franzosen südlich des Ka
nals von La Basste im Anschluß
an die schon am 25. eroberte
Stellung zwei weitere Gräben
und machten60Gefangene.Am
30. Januar wurden den Fran
zosen wieder einige Schützen
gräben entrissen, sobeiCuichy,
südlich der Straße von La
Basste—-Bethune, sowie bei
Carency, nordwestlich Arras.
(Fortsetzung folgt.)
Illustrierte Kriegsberichte
Die Winterschlacht an den Masurischen
Seen.
Von Generalleutnant z. D. Baron v. Ardenne.
(Hierzu die Bilder Sette 187—189 und die Kartenskizze Seite 186.)
Die Vernichtung der russischen Armee in Masuren ist
eine Waffentat, die bis in die fernsten Jahrhunderte als
eines der bedeutsamsten Ereignisse der gesamten Heeres
geschichte angesehen werden wird. Die Schlacht kenn
zeichnet sich als eine neuntägige Eefechtsreihe, die, räumlich
nicht immer zusammenhängend, doch von einem einheit
lichen großen Gedanken getragen wurde. Der Befehls-
mechanismus arbeitete vorzüglich: die oberste Leitung lag
in den Meisterhänden des Eeneralfeldmarschalls v. Hinden-
burg, die beiden Armeeführer, v. Eichhorn und v. Below,
übersetzten seinen Gedanken in das Praktische und Taktische.
Die ganze Schlacht dauerte mit den vorbereitenden Kämpfen
neun volle Tage; sie wurde geschlagen in einem verwüsteten
Lande. Der ganze Grimm des nordischen Winters machte
jede taktische Bewegung, jede Benutzung der Straßen fast
zur Unmöglichkeit. Das Unmögliche wurde aber geleistet,
und zwar vielfach von jungen Truppen, die die unge
heuren Strapazen lachenden Mundes ertrugen. Der Gegner
— die russische 10. Armee, 11 bis 12 Infanterie- und
einige Kavalleriedivisionen stark — wurde nicht allein ge
schlagen , sondern vernichtet. 100 000 unverwundete Ge
fangene , über 300 Geschütze und unzählbares Heeres
material wurden eingebracht. Das Gesamtbild der Schlacht
zeigt eine große Rechtsschwenkung der ganzen deutschen
Armee, bei der die Armee v. Eichhorns den schwenkenden,
II. Bnnd.
die v. Belows den Pivotflügel bildete. Bei dieser Schwen
kung verengte sich die Frontbreite ein wenig. Die Richtung,
die anfänglich nach Osten gezeigt hatte, zeigte am Schluß
der Kämpfe nach Süden.
General v. Below stand Anfang Februar einer russischen
Übermacht von wenigstens 200 000 Mann allein gegenüber;
der Landstreifen zwischen der Angerapplinie und den Masu
rischen Seen einerseits und der Grenze anderseits mußte
dem Feinde überlassen bleiben. Die deutschen Truppen
setzten sich zu drei Vierteln aus Landwehr und Landsturm
zusammen. Anfang Februar wurden neue deutsche Korps
verfügbar (General v. Eichhorn), die als nördlicher Flügel
der deutschen Angriffsfront in die Erscheinung traten. Am
7. Februar trat der Südflügel, am 8. der Nordflügel den
Vormarsch an, etwa in der Eesamtfront Tilsit—Johannis
burg (westlich). Es herrschte ein furchtbares Winterwetter
bei strenger Kälte und eisigem Wind. Der Südflügel hatte
zunächst den 40 Kilometer breiten Johannisburger Forst
und sodann die Linie der Pissa zu überschreiten. In Johannis
burg und Bialla lagerten zahlreiche feindliche Truppen, die
Vorstellungen waren stark besetzt. In tiefer Stille begann
am 7. der deutsche Angriff, eingeleitet durch die jungen
Truppen des Generals v. Lihmann, des früheren Führers der
glorreichen 3. Eardedivision (Lowicz—Brzeziny; vgl. S. 33).
Die Pissabrücke bei Wrobeln wurde in der Nacht zum 8. ge
stürmt, nach einem Marsch von 40 Kilometern. Das Neben
korps, General v. Falck, nahm dicht bei Johannisburg
Snopken im Sturm. Beim weiteren Übergang über die
Pissa wurde am 8. Februar General v. Litzmann in seiner
rechten Flanke von einer aus Kolno kommenden russischen
Kolonne angegriffen. Diese wurde blutig abgewiesen. Am
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