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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Mot. A. SrohS, Berlin.
Vrückenwache bei Lille.
Das Vaterland wird dieser Leistung seine Dankbarkeit
und Bewunderung nicht versagen. Meine Pflicht ist es,
allen Offizieren und Soldaten der fünften und sechsten
Armee irn Namen des allerhöchsten Kriegsherrn den wärmsten
Dank zu sagen. Trotz des unter schweren Opfern und ge
waltigen Leistungen erzielten Erfolges dürfen wir noch
nicht ruhen, doch der hervorragende Geist der mir unter
stellten Truppen bürgt dafür, daß wir die uns gestellte
Aufgabe auch siegreich zu Ende führen werden zur Zu
friedenheit unseres allerhöchsten Kriegsherrn, zum Ruhme
des Heeres und zum Wohle des Vaterlandes.
Potiorek, Feldzeugmeister."
Gegen Ende Oktober war eine Änderung in der serbischen
Regierung eingetreten. Am 27. Oktober wurde der ehe
malige serbische Gesandte in Wien, Jovanowitsch, mit der
Stellvertretung Paschitschs als Außenminister betraut. Die
serbische Kammer hielt am 29. Oktober eine Sitzung ab.
Ministerpräsident Paschitsch machte dabei den Parteiführern
und der Skupschtina Mitteilungen über die Lage. Im
Anschluß hieran fand unter dem Vorsitz des Kronprinzen
ein Kronrat statt, dessen Ergebnis geheim gehalten wurde.
Wie trostlos die inneren Verhältnisse Serbiens um diese
Zeit schon waren, beweist eine Meldung des k. u. k. Korre
spondenzbüros aus Sofia vom 30. Oktober; hiernach
erhielt das bulgarische Ministerium des Innern aus Stru-
mitza eine Depesche, wonach seit drei Tagen serbische, von
Offizieren angeführte Komitatschibanden plündernd und
brennend gegen die bulgarischen und muselmanischen Dörfer
in den Bezirken Doiran, Eewgheli und Jschtip vorgingen und
die Bevölkerung ermordeten. Die Familien der nach
Bulgarien geflüchteten Bulgaren und Türken wurden von
Haus und Hof gejagt und die gesamte bulgarische und musel
manische Bevölkerung ganz offen ausgerottet. Serbische
Komitatschi banden die zurückgebliebenen Männer in
Gruppen zu fünfzig und sechzig aneinander und streckten
sie durch Gewehrsalven nieder. Auf diese gräßliche Weise
wüteten sie namentlich in den Dörfern Dorluvassi, Memeschli,
Kotschari und Bramovasso.
Derartige Metzeleien konnten nicht dazu beitragen, den
Serben Freunde in Bulgarien und in der Türkei zu er
werben; es wurden mit diesen Greueltaten nur der öster
reichisch-ungarischen Armee die Wege geebnet. Es ist
eben der Verzweiflungskampf der Serben, der keine Über
legung kennt und in seinem Wüten nur das letzte Zucken
eines dem Untergang nahen Staatswesens darstellt.
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„Nördlich und südlich Albert vorgehende, überlegene
feindliche Kräfte sinb unter schweren Verlusten für sie
zurückgeschlagen" — so berichtete unser Großes Haupt
quartier am 30. September nach Berlin. Wir sind in der
Lage, über diesen Kampf eine Schilderung aus feindlicher
Feder zu bringen, mit deren Wiedergabe wir uns gewiß
nicht dem Verdacht der Schönfärberei aussetzen werden.
„Daily Mail" läßt sich von ihrem Berichterstatter in
Frankreich drahten: In den letzten Tagen fuhren die
Deutschen fort, ihre Front in nordwestlicher Richtung aus
zudehnen. Die Verbündeten erwiderten diese Bewegung,
indem sie ebenfalls ihre Front verlängerten; von beiden
Seiten wurden wiederum große Verstärkungen herbei
geschafft, wozu lange Gewaltmärsche nötig waren. Die
französischen Soldaten legten 20—25 fenglische^ Meilen täglich
zurück. Die Deutschen machten wiederholt stürmische Angriffe,
und es soll ihnen bisher gelungen sein, ihrer Front die nämliche
Länge zu erhalten, die jene der Verbündeten hat. Am
26. September beschlossen die Deutschen anscheinend, einen
Keil in die Front der Verbündeten zu treiben. Die Spitze
jenes Keils war die Stadt Albert. Der Versuch wäre fast
gelungen. Die Deutschen hatten eine große Menge Artillerie
zusammengezogen, und die französische Infanterie hatte
einen schweren Stand; aber sie wußte ein lebendiges Feuer
zu unterhalten. Abends war der ganze Himmel erleuchtet
von springenden Geschossen. Am 27. September fingen
die Deutschen an, sichtbar an Gelände zu gewinnen, und
am nächsten Tage rückten sie noch immer vor. Ihr weiteres
Vordringen konnte nur aufgehalten werden durch starke
Ansammlung französischer Schnellfeuerbatterien. Am
29. September setzten die Deutschen ihre Anstrengungen
noch fort. Im weiteren Verlauf des Kampfes wurde der
ganze Ort Albert durch Artilleriefeuer zerstört. Die Be
wohner flohen nach Amiens, die ganze Straße war mit
Flüchtlingen besetzt. Über der in Flammen stehenden Stadt
sah man abends rote Glut zum Himmel auflodern, aus der
sich aber ganz unbeschädigt die Kirche mit ihrem hohen
Turm und dem vergoldeten Mariabild heraushob. —
Also auch der Feind mußte hier zugeben, daß der deutsche
rechte Flügel imstande war, sich dem Umfassungsversuche
des französischen linken Flügels anzupassen, das heißt sich
genügend nach Nordwesten zu verlängern, um diese Um
fassung unmöglich zu machen. Albert, wo die deutschen
Truppen einen energischen Stoß' auf die französische Front
machten, liegt 30 Kilometer nordöstlich von Amiens an dem
Flüßchen Ancre, an dem eine deutsche Ulanenabteilung
eine Brückensprengung vorgenommen hatte. 36 Kilometer
südlich von Albert liegen die von den Deutschen mit stür
mender Hand genommenen Höhen von Roye, und zwischen
diesen und Albert die ebenfalls eroberten Höhen von Fresnoy
(siehe Bild Seite 4/5). Die Stellungen von Roye und
Fresnoy sperren für einen von Westen vorgehenden Gegner