Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

166 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Nichten wollen. Es sei also Pflicht der Christen, alle Mo 
hammedaner unschädlich zu machen. Die russischen Sol 
daten im Lager von Lemberg faßten diesen Befehl wört 
lich auf und warfen sich auf ihre mohammedanischen Ka 
meraden, die Tscherkessen und Türken, die im russischen 
Heere dienen. Die mohammedanischen Soldaten ver 
teidigten sich, und so kam es im russischen Lager zu einer 
regelrechten Schlacht, deren Lärm bis in die Stadt Lem 
berg drang und unter den dort stehenden Russen eine 
Panik hervorrief, da sie glaubten, die Österreicher seien da. 
So brachte also der Schluß des Jahres 1914 unseren 
verbündeten Feinden auf allen Schlachtfeldern nur Nieder 
lagen und Verluste. Mit froher Hoffnung konnten die 
Deutschen, Österreicher und Ungarn, mit ihnen auch die 
Türken dem neuen Jahre entgegensehen. 
* * 
Wenden wir uns den Ereignissen zur See zu, so können 
wir in chronologischer Fortsetzung unserer Berichte gleich 
vom ersten Tage des neuen Jahres eine Heldentat unserer 
Unterseeboote verzeichnen. Am 1. Januar 1915 wurde im 
Kanal, unweit Plymouth, das englische Linienschiff „For- 
midable" durch ein deutsches Unterseeboot zum Sinken ge 
bracht. Die Besatzung des Schiffes betrug 760 Mann, von 
denen 201 gerettet wurden. Dieser „Unfall" der englischen 
Marine erregte die britische Bevölkerung außerordentlich, 
um so mehr, als es sich nicht lange verbergen ließ, daß 
ein deutsches Unterseeboot und keine Mine, wie man an 
fangs glauben machen wollte, die Tat ausgeführt hatte. 
Bis weit in den Januar hinein beschäftigte sich die eng 
lische Presse ausschließlich mit dieser deutschen Heldentat, 
die, wie selbst von gegnerischer Seite zugegeben wurde, 
eine ganz ungewöhnliche Leistung darstellt, insofern hier 
einem Unterseeboot geglückt war, was bisher nicht einmal 
ein Torpedoboot vollbracht hatte: einen Angriff auf ein 
ganz gefechtsbereites und unversehrtes Schlachtschiff mit 
vollem Erfolge auszuführen. Noch mehr erregt wurde die 
öffentliche Meinung, als am 10. Januar abermals ein 
großes deutsches Flugzeuggeschwader über der Themse 
mündung erschien, offenbar in der Absicht, London zu 
bombardieren. Nur dem Ungünstigen Wetter hatte es die 
Stadt zu verdanken, daß sie von schwerem Unheil verschont 
blieb. Kaum hatten sich die Engländer von ihrem Schreck 
erholt, so wurden sie durch die Nachricht in neue Unruhe ver 
setzt, daß am 12. Januar abends zwei Unterseeboote im 
Kanal bei Dover gesehen worden waren; von Schein 
werfern entdeckt, wurden sie von den Strandbatterien be 
schossen, kamen aber unbeschädigt davon (siehe auch Seite 78). 
Wenig später erfolgte eine größere Unternehmung 
unserer Luftschiffflotte. Der deutsche Admiralstab meldete 
darüber: 
In der Nacht vom 19. zum 20. Januar haben mehrere 
Marineluftschiffe einen Angriff gegen einige befestigte 
Plätze an der englischen Ostküste unternommen. Hierbei 
wurden bei nebligem Wetter und Regen mehrfach Bomben 
mit Erfolg geworfen. Die Luftschiffe wurden beschossen, 
sind aber unversehrt zurückgekehrt. 
Der stellvertretende Chef des Admiralstabs: 
Behncke. 
Es handelte sich dabei um einen außerordentlich kühnen 
Vorstoß unserer Zeppeline, die nicht weniger als neun be 
festigte englische Plätze beschossen und nicht nur überall 
größte Bestürzung hervorgerufen, sondern auch beträchtliche 
Verluste an Menschenleben und Material verursacht haben. 
Sogar über Sandringham, dem Landsitz des englischen 
Königs, wurde, allerdings in dessen Abwesenheit, eine Bombe 
abgeworfen. 
Am 22. Januar erfuhren wir, daß ein deutsches Unter 
seeboot den englischen Dampfer „Durward", der von Leith 
nach Rotterdam bestimmt war, versenkt hatte. Die Be 
mannung konnte sich retten. 
Kurz darauf fand ein bedeutenderer Seekampf statt, 
über den amtlich folgendes gemeldet wurde: 
Bei einem Vorstoß S. M. Panzerkreuzer „Seydlitz", 
„Derfflinger", „Moltke" und „Blücher" in Begleitung von 
vier kleinen Kreuzern und zwei Torpedobootsflottillen in 
die Nordsee kam es heute vormittag zu einem Gefecht mit 
englischen Streitkräften in der Stärke von fünf Schlacht 
kreuzern, mehreren kleinen Kreuzern und sechsundzwanzig ! 
Torpedobootszerstörern. Der Gegner brach nach drei Ctun- ' 
den, 70 Seemeilen Westnordwest von Helgoland, das Ge 
fecht ab und zog sich zurück. Nach bisheriger Meldung ist 
auf englischer Seite ein Schlachtkreuzer, von unseren Schiffen 
der Panzerkreuzer „Blücher" gesunken. Alle übrigen deut 
schen Streitkräfte sind in die Häfen zurückgekehrt. 
Der stellvertretende Chef des Admiralstabs: 
Behncke. 
Eine Schilderung dieses Gefechts nebst Abbildungen 
finden unsere Leser schon auf Seite 90. 
Eine neue Wendung in der Seekriegführung gegen Eng 
land kündigte sich im Dezember in folgenden Auslassungen 
des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Großadmirals 
v. Tirpitz (Bild Seite 167), gegenüber einem amerikanischen 
Journalisten an: 
England will uns aushungern. Wir können dasselbe 
Spiel treiben, jedes englische Schiff oder jedes seiner Ver 
bündeten, das sich irgendeinem Hafen Englands oder 
Schottlands nähert, torpedieren und dadurch den größeren 
Teil der Nahrungsmittelzufuhr abschneiden! In Unter 
seebooten größeren Typs sind wir England überlegen. Daß 
diese ein neues und großes Kampfmittel in der Seekrieg 
führung find, ist nicht zu bestreiten. Man darf indes nicht 
vergessen, daß die Unterseeboote am besten an den Küsten 
und in flachen Gewässern operieren und daß aus diesem 
Grunde der englische Kanal besonders dafür geeignet ist. 
Die bisherigen Erfolge berechtigen noch nicht zu der Schluß 
folgerung, daß große Schiffe sich nun überlebt haben. Es 
ist noch eine Frage, ob die Unterseeboote sich in anderen Ge 
wässern so ausgezeichnet hätten halten können. Wir haben 
in diesem Kriege sehr viel von den Unterseebooten gelernt 
und glaubten auch, sie würden in drei Tagen erschöpft sein. 
Wir hatten bald erfahren, daß der größere Typ dieser Boote 
um England herumfahren und sogar vierzehn Tage lang 
draußen bleiben kann. Dazu ist nur notwendig, daß der 
Besatzung Gelegenheit zur Ruhe und Erholung gegeben 
wird, und diese verschaffen sich unsere Leute dadurch, daß 
das Boot in flaches, ruhiges Wasser und dort an den Grund 
geht, wo es still liegen bleibt, damit die Mannschaften sich 
ausschlafen können. Das ist nur möglich, wo das Wasser 
verhältnismäßig flach ist. 
Was Herr v. Tirpitz angedroht hatte, traf wenige Wochen 
später auch ein. Am 30. Januar verbreitete unser Unter 
seeboot „bi 21" Schrecken an der englischen Küste. Es 
wurde gemeldet: 
Das deutsche Unterseeboot „bi 21" hat am 30. Januar- 
früh den Küstendampfer „Ben Cruachan" aus North 
Shields durch Torpedoschuß versenkt. Der Kommandant 
ließ der 21 Mann starken Besatzung 10 Minuten Zeit, um 
in die Boote zu gehen. Die Leute wurden später von 
einem Fischerboot aufgenommen und in Fleetwood an der 
Irischen See gelandet. Dasselbe Tauchboot fing gegen 
Mittag den Dampfer „Linda Blanche", der sich auf der 
Fahrt von Manchester nach Belfast befand, genau westlich 
von Liverpool ab. Die aus 10 Mann bestehende Besatzung 
erfuhr die gleiche Behandlung wie die des „Ben Cruachan". 
Ein gestern abend in Liverpool eingetroffener Dampfer 
berichtete, er habe beobachtet, wie das Unterseebodt noch 
einen dritten Dampfer vernichtete. 
Ferner wurde am 31. Januar aus Paris amtlich noch 
weiter gemeldet: Ein deutsches Unterseeboot schoß am 
30. Januar vormittags auf der Höhe von Kap d'Antifer den 
englischen Dampfer „Takomaru" an und versenkte ihn. 
Französische Torpedoboote retteten die Besatzung. Ein 
deutsches Unterseeboot beschoß am gleichen Tag nachmit 
tags in denselben Gewässern den englischen Dampfer 
„Jkaria", dieser versank jedoch nicht. Er konnte unter dem 
Schutze französischer Torpedoboote nach Le Havre geschleppt 
werden. 
Man kann sich denken, wie erschreckend die Vernichtung 
der fünf Dampfer an einem einzigen Tage in England 
wirkte. Man erinnerte sich der Drohung des Herrn v. Tirpitz, 
wonach wir eine Blockyde der englischen Küste durch Unter 
seeboote ausführen wollten. Sollte dies der Beginn der 
Blockade sein? Jedenfalls hatten die Taten unseres „bi 21" 
den Erfolg, daß sich in den nächsten Tagen kein englisches 
Schiff mehr aus dem Hafen wagte. In England schien man 
ratlos zu sein. Dies zeigt ein Eeheimbefehl der englischen 
Admiralität, wonach die britische Handelsmarine angewiesen 
wurde, um den Nachstellungen der deutschen Unterseeboote 
i zu entgehen, unter neutraler Flagge zu fahren.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.