Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
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Schützenschwärme auf, die hauptsächlich im italienischen
Feldzug von 1859 gute Erfolge hatten. Dahinter folgten
jedoch immer noch dichte Kolonnen, aber im Gelände ver
steckt. Die Artillerie verfügte über größere Schußweite,
deshalb konnten ihr unbeschadet Schützen vorgelegt werden,
über die sie hinwegschoß.
Im Kriege 1870/71 war das französische Chassepot
gewehr bis auf 1200 Meter zu gebrauchen. Die flachere
Flugbahn bewirkte einen größeren bestrichenen Raum, die
größere Anfangsgeschwindigkeit eine stärkere Durchschlags
kraft. Die Geländebenutzung nahm zu. Man focht in
Schützenschwärmen,' nur die Hauptreserve ging immer
noch in geschlossenen Halbbataillonen oder Kompanie
kolonnen mit schlagenden Trommeln, fliegenden Fahnen
und rauschender Regimentsmusik zum Handgemenge vor.
Pulverdampf wogte über dem Kampfplatz, Helme, Degen
und Schärpen des Paradeanzugs blitzten. Die Offiziere
hielten es für unter ihrer Würde, sich hinzulegen oder
beim Sturm vom Pferde zu steigen. Doch begann die
Entfaltung, das ist das Auseinanderziehen der Kompanien
frühzeitig außerhalb des Artilleriefeuers, was die Tiefe
vergrößerte, und die Frontausdehnung hatte sich eben
falls gestreckt.
Rach dem Kriege wurde ein neues Gewehr mit erheb
lich vergrößerter Schußweite eingeführt. Die eingliedrige
Schützenlinie mit zwei Schritt Zwischenraum kam auf und
brachte das „sprungweise Vorgehen", wobei die Schützen
linie sich —im Unterschied zu früher — durch Hinlegen und
Deckungausnützen fast unsichtbar machen konnte, um nach
einigen raschen Sprüngen vorwärts, die Geländegewinn
brachten, wieder im Boden zu verschwinden. Die Tiefe des
Schlachtfeldes wurde außerdem noch vergrößert durch das
Einsetzen der drei Züge einer Kompanie nacheinander
und ebenso der Bataillone.
Die Erfahrungen in Südafrika und Ostasien brachten
als Fortschritt einen noch größeren Tiefenabstand infolge
der wieder erheblich vergrößerten Schußweiten der neuesten
Gewehre und Geschütze. Auch die Artillerie wurde un
sichtbar, indem sie sich hinter den Höhen aufstellte und in
direktes Schießverfahren einführte. Der Pulverdampf kam
in Wegfall durch Einführung des rauchschwachen Pulvers.
Geschlossene Truppenkörper können sich heutzutage nur
noch in Deckung auf dem Schlachtfeld bewegen oder auf
stellen, sonst durchschlagen sogar schon Jnsanteriegeschosse auf
1000 Meter fünf bis sechs Mann hintereinander, während
Artilleriefeuer auf so große Ziele von vernichtender Wirkung
sein würde. Die Leere des Schlachtfelds von heute wird
also nur unterbrochen durch dünne Schützenlinien, durch
Sprünge in kleineren Fronten bis zu Gruppen, um dem
Maschinengewehrfeuer zu entgehen. Ferner wird das Kriechen
angewendet. Man bedient sich der Mimikry, führte die
glanzlosen feldgrauen Uniformen und Helmüberzüge, bräu-
nierte Säbelscheiden, verhüllte Trommeln und Hörner,
matte Achselstücke und Feldbinden ein. Die Offiziere
steigen vor Beginn des Gefechtes vom Pferde, und nicht
genug damit: man gräbt sich ein, bedeckt die Erdauswürfe
mit Gras und Strauchwerk, auch gegen oben, wegen der
Flieger.
Ein solch modernes Schlachtfeld veranschaulicht unser
Bild Seite 138/139, das der Beschauer gleichsam von einer
weit überragenden Höhe im Vordergrund aus überblickt.
Zur Erhöhung der Verständlichkeit sind hier wichtige Stel
lungen, wie z. B. Schützengräben oder Artillerielinien,
übertrieben scharf eingezeichnet, während sie sich in der
Wirklichkeit ja gerade wenig oder gar nicht vom Umgelände
abheben. Das Bild ändert sich freilich, sobald Nahangriffe
erfolgen, in denen oft Mann gegen Mann mit Kolben und
Bajonett vorgeht, wenn es von der letzten Feuerstellung
zum Sturmangriff auf die gegnerische Infanterie oder
Artillerie kommt.
Rechts vorn befindet sich ei» Minenwurfapparat, und der Soldat dahinter hält eine Minenboinbe in der Hand. Im Hintergrund kann man eine aus ein
Holzgestell gebrachte Geivehrgranate sehen, während die zwei Mann vorn links Handgranaten habe», zum Schleudern in die feindlichen Gräben.