Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Phot. A. Grohs, Berliir.
Graf Zeppelin (X) im Felde.
Phot. A. Grohs, Berlin.
Begrüßung des greisen Generalfeldmarschalls Grafen v.Häfelev (X)
Ln einem französischen Dorf.
in imabsehbaren Reihen näher. Riesigen Schlangen
linien gleich wälzen sich die ungeheuren Massen heran;
soweit das Auge schaut, Truppen, Truppen, Truppen!
Niemals habe ich ein solches Bild gesehen, und niemals
werde ich es wiedersehen! Unwillkürlich mutz ich an die
strategische Idee denken, an den unsichtbaren Willen, der,
planvoll und sicher seinem Ziele folgend, diese erdrückenden
Massen durch das erschlossene Tor von Lunsville hinüber
wirft in Feindesland! Staunen und Bewunderung er-
fatzt mich gegenüber einer Heeresleitung, für die dieser
für das Laienauge schier unentwirrbare Knäuel des mili
tärischen Aufmarsches Klarheit, volle Übersicht und Ordnung
hat. So unruhevoll das alles auf den Laien wirkt, im
Grunde vollzieht es sich doch in einer eisernen Ruhe. Schwer
und drohend wuchten die Feldgeschütze vorbei — ich meine
sie schon donnern zu hören vor den Wällen von Toul!
Das Schlachtfeld einst und heute.
Von Paul Otto Ebe.
(Hierzu das Bild Seite 138|139.)
In den Kriegen Friedrichs des Großen, als die Stein-
schlotzmuskete eine Tragweite von 400 Schritt, wirksame
Schußweite aber nur bis 200 Schritt hatte, als die Ar
tillerie sich noch vor die Infanterie schieben mutzte, da ihre
Kugeln in großen Sprüngen über das Gelände hüpften,
sehen wir die Truppen in genauer Seitenrichtung mit dicht
aufgeschlossener Kampfordnung in ununterbrochenem Vor
gehen bis in die feindlichen Linien hineinrücken, wobei
Infanterie und Kavallerie die Entscheidung im Drein
schlagen mit der blanken Waffe suchten.
Erst zu Ende des 18. Jahrhunderts begleitete das Schützen
gefecht der Musketiere den Sturmangriff der Pikeniere,
die nach wie vor in langen dichten Fronten, in voller Mannes-
grötze und gut gerichtet heranmarschierten. Das Feuern
aus dem Hinterhalt oder gar ein Deckungnehmen war bei
der „schweren Infanterie" verpönt, der die Ehre zufiel, die
Schlachtfront zu bilden.
Diese Lineartaktik wurde durch die französischen An
sichten zur Zeit des Siebenjährigen Krieges umgewandelt
in Schützenschwärme, die ein Feuergefecht führten — diese
mutzten aber wegen der Vorderlader stehend laden — und
dichte Kolonnen, die einen noch stärkeren Druck der Masse
darstellten, indem die hinteren Glieder im Sturmschritt
über die am Anfang der Kolonne gefallenen Kameraden
hinwegeilten.
Auch zur Zeit des Schlachtenmeisters Napoleon mag es
ein prachtvoller Anblick gewesen sein, wenn „das Ereignis",
wie er das selbst einmal nannte, eintrat, (st meinte damit
das Eingreifen seiner starken Jnfanteriereserve mit viel
Artillerie und der Masse seiner Reiterei, die er vorerst zu
seiner Verfügung Zurückbehalten hatte, um sie einzusetzen,
wenn das Gefecht der vorderen Linie ihm einen schwachen
Punkt des Gegners gezeigt hätte. Lange Artillerielinien
wurden dann auf nahe Entfernung an den Gegner heran
gefahren und überschütteten ihn mit Kartätschen, während
sich riesige Jnfanteriemassen als festgeschlossene, tiefe Ko
lonnen, oft aus 12 Bataillonsfronten gebildet, nebst ganzen
Divisionen von Dragonern und Panzerreitern im Trab
auf die feindlichen Jnfanterielinien zuwälzten, um deren
moralische Kraft zur Abgabe ruhig gezielter Salven zu
brechen und sie dann mit der blanken Waffe bei der Um
fassung oder beim Zentrumsdurchbruch niederzumähen.
Die einmal in Fluß gebrachten Massen machten erst in der
feindlichen Stellung wieder halt. Die Massenstotztaktik der
Reserve war die imposante Taktik Napoleons gegenüber
der alten Lineartaktik, bei der alles in einer Linie angriff.
Damit wurde das Schlachtfeld an Tiefe erweitert, die
Schlacht zeitlich verlängert und die Zeit neu eingeteilt.
Der Sturm war nicht mehr der Angriff selbst, sondern nur
ein Teil von ihm, und zwar der größte.
Das Exerzierreglement von 1812, ein Werk Scharn
horsts, entwickelte überaus glücklich das Neue aus dem Alten.
Ein Schützengefecht im Schwarm wurde vor der Front
geführt, teilweise sogar selbständig, bis der Gegner sturm
reif war. ' Die Linie der Masse des dahinter zurückgehaltenen
Bataillons gab, wenn die Front frei wurde, geschlossen
Massenfeuer ab, während dichte Kolonnen zum Sturm
angriff schritten. Diese drei „Treffen" hatten, wenn sie
beisammen waren, einen Abstand von je 150 bis 300 Schritt
voneinander und so große Zwischenräume, wie sie zum Auf
marsch zur Linie benötigten.
1848 kam das Zündnadelgewehr auf, ein Hinterlader.
Seine Vorzüge wirkten auf die Taktik und damit auf das
Aussehen eines Gefechts. Der mit Vorderladern aus
gerüstete Gegner bot ein sechsmal so großes Ziel wie die
in Deckung befindlichen Besitzer der Hinterlader, die nicht
mehr stehend, von oben her, laden mutzten. Dazu konnten
letztere dreimal soviel Schüsse lösen, so daß sich die nun
mehrige Treffwahrscheinlichkeit zur bisherigen etwa wie
1 zu 18 verhielt. Die „Tiefe des Gefechts" wurde aber
mals vergrößert und Eeländebenutzung notwendiger als
je , denn in einer Ebene wäre man von 500 Schritt an
mindestens 16 mörderischen Salven ausgesetzt gewesen. Die
starren Gefechtsformationen lösten sich also größtenteils in