Die Geschichte des Weltkrieges 1914/13.
GortfetzungZ
Während sich die im vorigen Hefte geschilderten Fort
schritte in den Argonnen zutrugen, entspannen sich um
jene Zeit auch im Oberelsas; wieder heftige Kämpfe. So
wurde, wie bereits auf Seite 94 berichtet, um den Ort
Alttirch hartnäckig gestritten. Die Franzosen, die hier er
hebliche Kräfte in die Front gebracht hatten, erlitten starke
Verluste. Ferner hatten sich bei Steinbach Kämpfe ent
wickelt, die anfänglich für den Feind günstig waren, denen
aber am 14. Dezember die Rückeroberung dieses Dorfes
folgte, die unsere L:ser BandI Seite 77 eingehend beschrieben
finden. Wir machten hierbei 300 Gefangene^
Am 16. Dezember erstürmten die Unsrigen im Ober
elsatz autzerdem eine vom Feinde bisher zäh festgehaltene
Höhe westlich von Sennheim. Zwei Tage später unter
nahmen die Franzosen beiderseits der Somme Angriffe
gegen die deutschen Stellungen, die ihnen aber nur schwere
Verluste einbrachten. Sie verloren hier 1300 Gefangene
und mindestens 1800 Tote, während unsere eigenen Ver
luste sich dort nur auf etwa 200 Mann bezifferten.
Die große Regsamkeit der Franzosen nach dem 17. De
zember erklärt sich aus folgendem bei einem gefallenen
französischen Offizier gefundenen Heeresbefehl des Generals
Joffre vom genannten Tage:
Seit drei Monaten sind die heftigen und ungezählten
Angriffe nicht imstande gewesen, uns zu durchbrechen.
Aberall haben wir ihnen siegreich widerstanden. Der Augen
blick ist gekommen, um die Schwäche auszunützen, die sie
uns bieten, nachdem wir uns
an Menschen und Material
verstärkt haben. Die Stunde
des Angriffs hat geschlagen.
Nachdem wir die deutschen
Kräfte in Schach gehalten
haben, handelt es sich darum,
sie zu brechen und unser Land
endgültig von den Eindring
lingen zu befreien. Weit mehr
als jemals rechnet Frankreich
auf euren Mut, eure Energie
und euren Willen, um jeden
Preis zu siegen. Ihr habt
schon gesiegt an der Marne,
an der Pser, in Lothringen
und in den Vogesen. Ihr
werdet zu siegen verstehen bis
zum schlietzlichen Triumph.
Joffre.
Im Verfolg dieses Befehls
griffen die Franzosen am
20. Dezember in der Gegend
Souain—Massiges, nordöstlich
von Chülons, heftig an und
drangen an einer Stelle bis
in unseren Vorgraben vor; ihre
Angriffe mißlangen jedoch
sämtlich. 4 Offiziere und
310 Mann nahmen wir ge
fangen. Im Argonnenwald
machten wir täglich Fortschritte,
und am 20. Dezember nahmen
wir hier eine wichtige Wald
höhe bei Le Four de Paris,
eroberten 3 Maschinengewehre,
1 Revolverkanone und nahmen
275 Franzosen gefangen. Am
nächsten Tage versuchte der
Gegner in der Gegend von Souain und Perthes, sowie im west
lichen Teile der Argonnen, nordwestlich und nördlich Verdun
Angriffe, die jedoch unter schweren Verlusten für die Fran
zosen abgeschlagen wurden. Tags darauf entwickelte der
Feind in der Umgegend des Lagers von Chälons eine be
sonders rege Tätigkeit. Weitere Angriffe bei Souain und
Perthes, nördlich Sillery, südöstlich Reims, brachten den
Franzosen abermals bedeutende Verluste. Am 24. Dezember
hoben unsere Truppen bei Chivy, nordöstlich Vailly, eine
feindliche Kompanie aus, die sich vor unserer Stellung ein
genistet hatte; hierbei wurden 172 Franzosen von uns ge
fangen genommen. Bei dem Versuche, uns die Stellung
wieder zu entreißen, hatten die Franzosen starke Verluste.
Am 25. Dezember kam es in den Vogesen, südlich
Diedolshausen, und im Oberelsatz, westlich Sennheim, süd
westlich Altkirch, zu kleineren Gefechten. Am nächsten Tage
griffen die Franzosen unsere Stellungen östlich der Linie
Thann—Dammerkirch an. Sämtliche Angriffe wurden
jedoch abgeschlagen. In den ersten Nachtstunden setzten
sich die Franzosen in den Besitz einer wichtigen Höhe östlich
Thann, die ihnen aber bald durch einen kräftigen Gegenstoß
unserer Truppen wieder entrissen wurde.
Kleinere Gefechte hatten sich auch in der Gegend von
Lihons, südöstlich Amiens, und Tracy-le-Val, nordöstlich
Compiogne, entwickelt, wo wir etwa 200 Gefangene machten.
Angriffe der Franzosen im Meurissonsgrunde in den Ar
gonnen, sowie südöstlich von Verdun brachten ihnen nur
Verluste. Dagegen unternahmen unsere Truppen einen
Vorstoß im Bois Brulö, westlich Apremont, der unter Er-
beutung von drei Maschinengewehren zur Fortnähme eines
französischen Schützengrabens führte. Südöstlich Reims
wurde Ende Dezember die Alger Auberge Ferme von un
seren Truppen gesprengt, und dabei wurde eine ganze fran
zösische Kompanie vernichtet. Am 30. Dezember gewannen
wir unter Fortnähme mehrerer hintereinander liegender
Gräben und Gefangennahme von über 250 Franzosen er
heblichen Boden. Auch am
folgenden Tage kamen unsere
Angriffe hier weiter vorwärts;
wieder fielen 400 Gefangene,
6 Maschinengewehre und zahl
reiche andere Waffen und Mu
nition in unsere Hände. Am
selben Tage schossen unsere
Truppen ein nordwestlich St.
Mihiel bei Lahaymeir liegen
des französisches Lager in
Brand. —
Gerade in der Weihnachts
zeit waren die kriegerischen
Vorgänge, wie wir sahen, be
sonders lebhaft. Trotz dieser
schwierigen Lage wurde aber
überall im Heere, soweit es
nur irgend möglich war, Weih
nachten festlich begangen, wo
bei der Kaiser und die an
deren fürstlichen Heerführer
das Beispiel gaben. In der
Heimat hatte man es sich
natürlich nicht nehmen lassen,
durch zahllose Sendungen von
Liebesgaben unsere tapferen
Soldaten ihre Entbehrungen
vergessen zu machen.
Unsere Darstellung der
Dezemberkämpfe können wir
aber nicht besser schließen als
mit der Wiedergabe des fol
genden, unterm 31. Dezember
vom Kaiser erlassenen Armee
befehls:
An das deutsche Heer und die
deutsche Marine.
Nach fünfmonatigem schwe
rem und heißem Ringen treten wir ins neue Jahr. Glän
zende Siege sind erfochten, große Erfolge errungen.
Die deutschen Armeen stehen fast überall in Feindesland.
Wiederholte Versuche der Gegner, mit ihren Heeresmassen
deutschen Boden zu überschwemmen, sind gescheitert.
In allen Meeren haben sich meine Schiffe mit Ruhm
bedeckt. Ihre Besatzungen haben bewiesen, daß sie nicht
nur siegreich zu fechten, sondern, von der Übermacht er
drückt, auch heldenhaft zu sterben vermögen.
Herzog Albrecht von Württemberg im Felde.
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II. Band.
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