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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Warschau von der Vorstadt Praga aus gesehen.
einen gewissen Höhepunkt erreicht hatten, schloß sich das
dreitägige Küstengefecht bei Middelkerke an, in dem das
die deutsche Armee hart bedrängende englische Geschwader
zurückgeschlagen wurde. Sieben der von Admiral Hood
befehligten englischen Schiffe wurden dabei von der
deutschen Feldartillerie außer Gefecht gesetzt. Eines ist
kurz darauf gesunken.
Bei unserem weiteren Vorrücken auf Mern wurde
wiederum Gelände gewonnen, und am 2. November fiel
Messines in unsere Hände (vgl. Seite 98). Gegenüber
dem rechten deutschen Heeresflügel kämpften in den feind
lichen Reihen diesmal auch Inder, aber nicht in geschlossenen
Verbänden, sondern auf die ganze Front der Engländer
verteilt.
Am Tage darauf kam aus dem Großen Hauptquartier
folgende Nachricht über die Kämpfe in Flandern:
„Die Überschwemmungen südlich Nieuport schließen jede
Operation in dieser Gegend aus. Die Ländereien sind für
lange Zeit vernichtet. Das Wasser steht zum Teil über
mannshoch. Unsere Truppen sind aus dem verschwemmten
Gebiet ohne jeden Verlust an Mann, Pferden, Geschützen
zum Stehen gebracht. Das war das Wichtigste. Przemysl
und Czernowitz werden wir uns schon wieder holen.
Es wäre töricht, wenn man da reden wollte, wir Öster
reicher und Ungarn hätten mit Rücksicht auf die Bündnistreue
unser Land geopfert, um das Eure vor der russischen Inva
sion zu retten. Das ist nicht richtig. Wir haben nur, dem
eisernen Muß gehorchend, auf die Erreichung des gemein
samen Ziels Bedacht genommen. Daß wir dabei die be
reits errungenen Früchte unserer Siege wieder fahren
lassen und zum zweitenmal — obwohl auf der ganzen Linie
siegreich! — zurückgehen mußten — lieber Freund, es ge
hörte viel Selbstverleugnung dazu, aber wir mußten es tun.
Und wir haben es getan. Vom ersten Kanonenschuß bis
zu dieser Stunde hat unsere Armee nie für sich, sondern
immer nur für das gemeinsame Ziel gekämpft."
Für die unüberwindliche Kraft und die Herzlichkeit der
deutsch-österreichisch-ungarischen Waffenbrüderschaft zeugte
ferner ein Flugblatt, das zur Weihnachtszeit oon den Sol
daten der österreichisch-ungarischen Armee an die Truppen
unserer im Osten kämpfenden Heere gesandt und in vielen
Tausenden von Eremplaren verteilt worden ist. Das Flug
blatt, das in seiner Schlichtheit den Eindruck tiefster, inner
lichster Aufrichtigkeit hinterläßt, hat folgenden Wortlaut:
„Ein Gruß an Deutschlands Söhne! Als Rußlands
Heeresmassen sich über Galiziens Fluren wie eine böse
Flut ergossen, stockte unser Atem, unser Herz krumpfte sich
zusammen, unser Antlitz erbleichte! Unsere k. u. k. Armee
gab uns den Herzschlag wieder, und die Farbe kehrte in
unser Gesicht zurück. Heldenmütig hielt sie stand und wehrte
sich der Übermacht! Solange, bis es Euch gelang, im
Verein mit unserem Heere dem Feinde zu beweisen, was
es heißt, mit Deutschland in Fehde zu liegen! Ein Feldherr
ward Euch beschieden, wie ihn die Weltgeschichte nicht ge
sehen; ein Kaiser, zu dem wir Österreicher wie zu einem
zweiten Vater emporblicken, der treueste Freund unseres
ehrwürdigen, geliebten Monarchen. So nehmt dies kleine
Zeichen unserer bundesbrüderlichen Liebe an! Wir bauen
auf Generalfeldmarschall Hindenburg und seine Armeen!
Von den Masurischen Seen bis zu den Karpathen ein Heer,
ein Geist, ein einziger Herzschlag! So wie Euer großer
Kaiser sprach: Durch Not und Tod zum Sieg!"
— An die Kämpfe in Flandern, die, wie wir auf Seite 8
bis 12 schilderten, um die Monatwende Oktober-November
und Fahrzeugen herausgezogen. Unsere Angriffe auf
Ppern schreiten vorwärts. Uber 2300 Mann, meistens
Engländer, wurden zu Gefangenen gemacht und mehrere
Maschinengewehre erbeutet."
Aus der Tatsache, daß die deutschen Truppen sich ohne
jeden Verlust zurückziehen konnten, läßt sich ersehen, daß
der deutsche Aufklärungsdienst, der von Flugzeugen und
Luftschiffen besorgt wurde, das geleistet hat, was man von
ihm erwartete. Man muß Belgien, besonders die Umgebung
von Nieuport kennen, um sich ein Bild von den Vorgängen
machen zu können. Das Land ist vollkommen eben. Zahl
reiche Kanäle und Wasserläufe durchziehen die Gegend,
hohe Deiche verhindern das Eindringen des Meeres in das
flache, zum Teil tiefer als der Hochwasserstand liegende Land.
Nun ließen die Franzosen und Engländer die Schleusenwerke
des Mer-Ppern-Kanals an der Küste spielen und die
Gegend unter Wasser setzen.
Um den Stützpunkt Ppern an dem mehrfach genannten
Kanal wurde schon lange erbittert gekämpft. Die Ge
fangennahme von 2300 Engländern und die Erbeutung
von Maschinengewehren waren unter den geschilderten
Umständen immerhin ein erheblicher Erfolg. Von der
Heftigkeit der Kämpfe zeugte eine Nachricht, der zufolge
über dem Kanal in Dover der Kanonendonner der deutschen