Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
(Fortsetzung.) 
Phot. R. Sennecke, Berlin. 
Während unsere Truppen die Russen weiter verfolgten, 
machten die russischen Armeen den Versuch, sich in einer 
neuen vorbereiteten Stellung an Rawka und Nida zu 
halten. Sie wurden von uns überall angegriffen, und schon 
am 21. Dezember hatten unsere Feldgrauen in heftigen 
Kämpfen um den Bzura- und Rawkaabschnitt an vielen 
Stellen den Übergang erzwungen. Auch an dem rechten 
Ufer der Pilica entwickelten sich am 22. Dezember lebhafte 
Kämpfe. Am 23. Dezember wurden die Russen bei To- 
maszow nach hartnäckigen Angriffen auf die Stellungen 
der Verbündeten mit blutigen Köpfen heimgeschickt. Auch 
an den folgenden Tagen wurden starke russische Angriffe 
in der Richtung auf Jnowlodz unter schweren Verlusten 
für die Russen zurückgeschlagen. 
Unterm 24. Dezember ließen sich „London News" aus 
Warschau folgendes melden: „Seit 14 Tagen sind acht 
mal deutsche Luftschiffe über Warschau gewesen. Auch 
über Jwangorod sind feindliche Luftkreuzer mehrmals 
gefahren. Rur in zwei Fällen begannen die Luftkreuzer 
mit einer Beschießung, im allgemeinen haben die Fahr 
ten der Erkundung gedient. Bei der Beschießung von 
Warschau am 9. Dezember betrug die Gesamtzahl der 
Opfer rund 250 Personen, darunter 120 Tote. Es war 
das schwerste Luftbombardement auf Warschau seit dem 
ersten Erscheinen eines deutschen Zeppelin über Warschau 
am 20. August." 
Die Christnacht selbst aber blieb, wie General Litzmann, 
der den Durchbruch bei Brzeziny geleitet hatte, in einem 
Brief mitteilte, „still von Kanonendonner und Kleingewehr 
feuer, wie keine Nacht seit fünfeinhalb Wochen gewesen 
war! Immer wieder vergeblich trat man aus der elenden 
polnischen Kate hinaus unter den Dezemberhimmel, an 
dem der halbe Mond so friedlich hing, wie über der 
heimatlichen Flur. Die Russen wagten es nicht, uns die 
heilige Nacht zu stören, und so hörte man denn tatsächlich 
aus den Soldatenkehlen in eng belegten Alarmquartieren 
bald die teuren, alten Weisen erklingen: ,Stille Nacht, heilige 
Nacht!‘ und ,O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende 
Weihnachtszeit!' Die Weihnachtsbescherung aber war auf 
zwei andere Abende verlegt worden, die eine Hälfte der 
Division zündete die Kerzen an ihren dem nahen Wald 
entnommenen Tannenbäumen schon am Abend des 
23. Dezember an, während die Schwesterbrigade vorn die 
Wache hielt, und diese beging ihr Fest am 25., nachdem in 
der Dämmerung die Ablösung erfolgt war. So kam nie 
mand zu kurz." 
Am 31. Dezember machte dann unsere Heeresleitung das 
Ergebnis unserer Angriffstätigkeit in Russisch-Polen bekannt. 
Die Meldung lautete: 
„Unsere in Polen kämpfenden Truppen haben bei der 
an die Kämpfe bei Lodz und Lowicz anschließenden Ver 
folgung über 56 000 Gefangene gemacht und viele Ge 
schütze und Maschinengewehre erbeutet. Die Eesamtbeute 
unserer am 11. November in Polen einsetzenden Offensive 
ist somit auf 136 600 Gefangene, über 100 Geschütze und 
über 300 Maschinengewehre gestiegen." 
Es sei hier auch noch eines Briefes gedacht, den ein 
Österreicher an einen Berliner Freund geschrieben hat und 
der unter der Bezeichnung „Das gemeinsame Ziel" auch den 
Anteil der österreichisch-ungarischen Armee an den deutschen 
Siegen in Polen kennzeichnet. Es heißt in diesem Briefe, 
aus dem besonders die treue Waffenbrüderschaft der beiden 
Armeen hervorleuchtet, die den endgültigen Sieg der 
vereinigten Mächte verbürgt, unter anderem: 
„Um das gemeinsame Ziel zu erreichen, gab es für 
uns Österreicher und Ungarn nur eins: unsere Front derart 
zu verschieben, daß Euer Hindenburg und unser Dankl in 
stand gesetzt wurden, den Anprall der russischen Massen aus 
zuhalten. Die Einzelheiten über diese Neugruppierung kann 
man natürlich jetzt nicht verraten, aber ich kann Dir nur 
sagen, deutsche Offiziere haben mir versichert, daß Conrad, 
den Ihr fälschlich immer Hötzendorf nennt, geradezu ein 
Geniestück ersten Ranges damit geliefert hat. Przemysl 
ist allerdings nun wieder belagert, Czernowitz wieder in 
den Händen der Russen, diese abermals in den Karpathen — 
aber ihr Vorstoß gegen Breslau und Posen ist endgültig 
Rast einer Fuhrparkkolonne in der Rawkaniederung. 
Tlmerikan. Copyright 1915 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart. 
II. Band. 
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