Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Vierter Band. (Vierter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
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Hatten bisher die französische und die englische Presse 
Cadornas Bemühungen, die österreichisch-ungarischen Er 
folge wegzuleugnen, nach Kräften unterstützt, so waren die 
Fortschritte der k. u. k. Truppen in den letzten Tagen doch 
so außerordentlich gewesen, daß Italiens Freunde bedenk 
lich wurden und Cadorna vorwarfen, die gegnerischen Pläne 
viel zu spät bemerkt zu haben, um ihnen von vornherein 
wirksam zu begegnen oder doch wenigstens nach der ersten 
Überraschung die Lage wiederherzustellen. In diese Vor 
würfe stimmte sogar ein Teil der italienischen Presse mit 
ein, während andere Zeitungen über die österreichisch 
ungarische „Verzweiflungsoffensive" zu spotten wagten. 
Inzwischen ging der Siegeszug der Österreicher und 
Ungarn unaufhaltsam weiter. Das Grazer Korps warf den 
Feind am 21. Mai auf der Hochfläche von Lafraun aus 
seiner ganzen Stellung und dehnte die eigene Front bi; 
auf den Gipfel des Mandriolo und die Höhen aus, die sich 
unmittelbar westlich der Grenze vom Mandriolo bis zum 
Astachtal erstrecken. Der Erzherzog-Thronfolger gewann die 
Linie Monte Tormeno—Monte Majo. Die italienischen 
Verluste waren jetzt auf über 24 000 Gefangene und 170 Ge 
schütze angeschwollen. Die ganze 50 Kilometer lange Front 
zwischen Etsch und Brenta war ins Vorrücken gekommen; 
teilweise standen die Truppen schon 8 Kilometer weit aus 
italienischem Boden, von dem bereits rund 50 Quadratkilo 
meter besetzt waren. Von dem 1500 Meter hohen Monte 
Majo aus beherrschten die k. u. k. Truppen die Borcolastraße 
bis vor Arsiero. Auch der Besitz des Monte Tormeno (1300 m) 
war wertvoll, weil er die Heranführung der schweren Ar 
tillerie bis auf 4 Kilometer Entfernung von dem um 
800 Meter tiefer liegenden Arsiero ermöglichte. 
Die Lage war allmählich für das italienische Heer so 
bedrohlich geworden, daß die amtliche Agenzia Stefani es 
an der Zeit fand, die öffentliche Meinung durch das Ein 
geständnis einer „provisorischen Räumung der italienischen 
Stellungen" vorzubereiten. 
Gleichzeitig erließ Erzherzog Friedrich folgenden Armee 
oberkommandobefehl: „Soldaten der Südwestfront! Ver- 
geßt nicht im Kampfe, daß Italien an der Verlänge 
rung dieses Krieges schuldig ist. Vergeßt nicht die Blut 
opfer, die er gekostet hat. Befreit eure Heimat von den 
Eindringlingen. Schafft der Monarchie auch im Südwesten 
die Grenze, deren sie für ihre künftige Sicherheit bedarf!" 
Schon in seinem nächsten Tagesbericht konnte der öster 
reichisch-ungarische Eeneralstab von einem „fluchtartigen 
Rückzug" der Italiener sprechen. Am 22. Mai eroberte das 
Grazer Korps nach Überschreitung der Grenze das an dem 
2000 Meter hohen Monte Verena eingebaute gleichnamige 
italienische Sperrfort, das die Assastraße nach Asiago 
(= Schiegen) beherrscht. Damit war der ganze Abschnitt 
nördlich und südlich des Brentaflusses zwischen Monte Collo 
und Armenterrarücken vom Feinde geräumt, der zudem 
Burgen (siehe Bild Seite 476/477) unter Verlust riesiger 
Mengen an Kriegsmaterial preisgeben mußte. — Auch 
zwischen dem Gipfel des Mezzano am Südende des Zugna- 
rückens und dem Pasubio, dem südlichen Ausläufer des 
Col Santo, drangen die k. u. k. Truppen vor; sie erreichten 
den Anfang des Brandtals, griffen Chiesa, den letzten Ort 
vor dem Passo delle Fugazze an und drückten bereits auf 
den inneren Fortgürtel von Arsiero. 
Mindestens sechs italienische Divisionen waren jetzt schon 
an den Kämpfen beteiligt und hatten ein Viertel ihres 
Bestandes als Gefangene abgeben müssen. Die von den 
Italienern eingebüßten Geschütze wurden alsbald gegen sie in 
Dienst gestellt. Sehr zustatten kam den Siegern der vom 
Feinde in monatelanger mühevoller Arbeit herbeigeführte 
vortreffliche Zustand der Bergstraßen, der die Beförderung 
der schweren Artillerie an ihre Standorte wesentlich er 
leichterte. 
Der 23. Mai brachte den Angreifern einen abermaligen 
großen Erfolg mit der Eroberung des mächtigen italienischen 
Panzerwerkes Campolongo zwischen Arsiero und Asiago 
und der anschließenden schweren Batterien. Den beiden 
italienischen Hauptsperrpunkten war man damit abermals 
ein Stück näher gekommen. — Das Grazer Korps gewann 
die Höhenrücken nördlich des Suganer Tales von Salubio 
bis Burgen und vertrieb den Feind vom Kempelberge. 
Zur Bewältigung des Nachschubes, der in rasch wachsen 
dem Umfang nötig wurde, mußten bereits zahlreiche Züge 
auf den wichtigsten Bahnlinien, wie Mailand—Verona— 
Venedig, dem regelmäßigen Verkehr entzogen und für mili 
tärische Zwecke beschlagnahmt werden. Auffallend groß und 
besonders empfindlich war namentlich der Verlust der Ita 
liener an Geschützen, der sich daraus erklärte, daß sie diese 
auf den höchstgelegenen Bergpunkten zum großen Teil fest 
eingebaut hatten und nun bei dem unwiderstehlichen An- 
Phot. Leipziger Presse-Büro. 
Blick auf Rundschein (Roncegno) im Suganer Tal, das am 19. Mai 1916 von den österreichisch-ungarischen Truppen besetzt wurde.
	        
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