Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Vierter Band. (Vierter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
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wurde. Am 5. Mai büßten die Deutschen leider einen ihrer 
Zeppeline ein, der nach einem Angriff auf militärisch wich 
tige Ziele, unter anderem auf die Kriegschiffe des Vier 
verbandes, im Feuer der Abwehrgeschütze einen Treffer er 
hielt und abstürzte. Schwere Luftgefechte fanden ferner am 
13. Mai mit starken feindlichen Flugzeuggeschwadern statt, 
die auf Mirovca und Doiran Bomben abgeworfen hatten. 
Engländer und Franzosen suchten ihre Streitkräfte auch 
weiterhin durch Heranziehung von serbischen Truppen zu 
verstärken, mit denen sie aber keine sonderlich kriegslustigen 
Soldaten gewannen. Offenbar waren die Serben des 
Kämpfens gründlich müde und entzogen sich dem Zugriff 
der Merverbändler nach Möglichkeit durch die Fahnen 
flucht auf griechischen Boden. 
An der langen russischen Front herrschte in der Berichts 
zeit verhältnismäßige Ruhe. Im S ü d o st e n schoß am 
2. Mai bei Rarancze ein österreichisch-ungarischer Kampf 
flieger ein russisches Flugzeug ab, und auch im Nord osten, 
gegen die Deutschen, hatten die Russen Verluste durch den 
Luftkampf. Am 
3. Mai griffen 
deutsche Luftschiffe 
die Bahn Molo- 
deczno—Minsk, die 
den Russen als 
Hauptverbindungs 
weg hinter ihrer 
Front diente, und 
den Bahnknoten 
punkt Luniniec 
nordöstlich Minsk 
mit gutem Erfolge 
an. Außerdem be 
legte ein Geschwa 
der deutscher Was 
serflugzeuge das 
russische Linien 
schiff „Slawa" im 
Moonsund von 
neuem mit Bom 
ben, mit denen auf 
diesem wie auch auf 
einem russischerM- 
BootTreffer erzielt 
wurden (siehe Bild 
Seite 445). Die 
Russen ihrerseits 
richteten einenLuft- 
angriff gegen die 
deutsche Küstenstation Pissen aus ehemals russischem Boden, 
vermochten aber keine größere Wirkung zu erzielen. 
Nordwestlich Tarnopol kam es am 3. Mai zu größeren 
Unternehmungen österreichisch-ungarischer Erkundungsabtei 
lungen; die Regimentszugehörigkeit der dabei eingebrachten 
Gefangenen ermöglichte wichtige Schlüffe auf russische 
Truppenbewegungen. K. u. k. Flieger belegten Tags 
darauf den Bahnknotenpunkt Zdolbunowo südlich Rowno 
mit Bomben, mit denen am Bahnhofsgebäude, in den 
Werkstätten, am rollenden Material und auf den Schienen 
anlagen Brände erzielt wurden. Auch lebhaftere Geschütz- 
tätigkeit setzte auf diesem Frontabschnitt nun wieder ein, 
wie auch das Vorfeldgeplänkel an Ausdehnung zunahm. 
Am 6. Mai näherten sich russische Torpedoboote der 
Nordostküste von Kurland zwischen Rosen und Markgrafen 
und eröffneten ein länger andauerndes Feuer auf die 
Gegend» das jedoch wirkungslos blieb. — Am 9. Mai ver 
suchten es die Russen südlich der schon so oft heiß umstrittenen 
Stellungen von Earbunowka mit einem starken Vorstoß 
auf schmaler Frontbreite; sie wurden aber unter schweren 
Verlusten abgewiesen. In demselben Abschnitt unternahmen 
die Deutschen am 10. einen Gegenstoß, der sie nördlich des 
Bahnhofs Selburg in den Besitz von 500 Metern der feind 
lichen Stellung brachte und dem Gegner den Beweis lieferte, 
daß die dortige deutsche Front durchaus nicht, wie dieser 
gewähnt hatte, zugunsten Verduns geschwächt worden war. 
Ein deutsches Flugzeuggeschwader belegte am 11. Mai 
den Bahnhof Horodzieja an der Linie Kraschin—Minsk 
mit' zahlreichen Bomben. Auch sonst wurden die Russen 
durch die deutsche Fliegertätigkeit immer empfindlicher be 
helligt. Die russischen Zeitungen führten darüber lebhaft 
Klage und tadelten die Unzulänglichkeit der russischen Ab 
wehrmaßnahmen, denen der Schutz Rigas und anderer 
großer Plätze bisher nicht gelungen fei. Mit einer gewissen 
Anerkennung wurden die Kriegslisten der deutschen Flieger 
geschildert, wie sie sich zum Beispiel plötzlich um viele 
hundert Meter herabließen, als seien sie getroffen worden, 
dann aber aus geringer Höhe doch überraschend ihre ver 
heerenden Bomben abwürfen. 
Am 12. Mai stürmten die Russen nördlich des Bahnhofs 
Selburg, um ihre Schlappe vom 10. wettzumachen. Ihr An 
griff wurde aber durch die deutsche Artillerie schon im Keime 
erstickt. Die Zähigkeit der Deutschen in der Verteidigung 
und ihr Angriffsgeist machten sich um diese Zeit so stark 
bemerkbar, daß der Feind ernstlich besorgt wurde und auf 
die Absicht größerer Unternehmungen auf deutscher Seite 
schloß. Ja man rechnete schon stark mit einem Vorstoß der 
Armee Hindenburg auf St. Petersburg. — 
Auch im Verhältnis zu ihren Nachbarn im Süden und 
im Norden erwuchsen den Russen Schwierigkeiten. Der 
Handelsvertrag, 
den Rumänien 
mit den Mittel- 
mächtenabgefchlof- 
sen hatte, zeigte, 
wie sehr sich dort 
die Stimmung zum 
Nachteil Rußlands 
verschoben hatte. 
Dieses ließ nun auf 
die Einstellung der 
Getreideausfuhr 
nach Rumänien die 
Einschränkung der 
Ausfuhr wichtiger 
anderer Artikel wie 
Soda und Salpeter 
folgen. Die Span 
nung zwischen den 
beiden Staaten 
wuchs so sehr, daß 
in Südbessarabien 
in Erwartung be 
vorstehender Zu 
sammenstöße Teile 
der Bevölkerung 
nach Rumänien 
flüchteten. Auch 
Fälle von Fahnen 
flucht russischer 
Soldaten auf rumänisches Gebiet ereigneten sich so massen 
haft, daß die russische Heeresleitung zu umfassenden Trup 
penverschiebungen schreiten mußte. 
In Schweden herrschte große Erregung gegen Rußland 
wegen der Frage der Befestigung der Alandsinseln. Anfang 
Mai kam diese Frage im schwedischen Parlament zur Sprache. 
Gegen die Befestigung der Alandsinseln berief man sich 
auf einen Vertrag aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, 
der den Russen die Befestigung untersagte; hieran wollte 
man um so mehr festhalten, als bei dem Fortschritt der Luft 
waffe russische Befestigungen auf den rein schwedischen 
Alandsinseln eine ständige Bedrohung Stockholms be 
deuteten. Die Russen ihrerseits argwöhnten, daß die schwe 
dischen Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Luftflotte 
gegen St. Petersburg gemünzt feien. 
Die Besorgnis des Vierverbandes vor dem Eingreifen 
Schwedens in den Krieg wurde so lebhaft, daß England 
selbst vor einem Anschlag gegen das Leben des Königs 
von Schweden nicht zurückschreckte. Wenige Tage vor einem 
von diesem beabsichtigten Besuch einer Pferdeschau im 
Stockholmer Tiergarten wurde der Polizeiminister darauf 
aufmerksam gemacht, daß dem Könige dort Gefahr drohe. 
Infolge dieser Warnung unterblieb der Besuch des Tier 
gartens. Die angestellten Nachforschungen ergaben, daß es sich 
um einen von englischen und russischen Agenten vorbereiteten 
Plan handelte. Es kam zu mehreren Verhaftungen. In Eng 
land und Rußland machte man den Versuch, sich von dem Ver 
dacht durch die Behauptung zu reinigen, daß es sich um einen 
anarchistischen Anschlag gehandelt habe. «Fortsetzung folgt.)
	        
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