Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Siebenter Band. (Siebenter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17. 
schwindigkeit glitt das Flugzeug über den Boden. Leichter 
werden die Stöße unter den Rädern. Schon meine ich, daß 
wir schweben, da stößt die Maschine noch einmal auf und 
im nächsten Augenblick beginnt sie unerwartet steil zu steigen. 
Jetzt bleibt der Boden unter uns. Der Start ist vorbei. Nach 
der Anweisung konnte ich mich jetzt losschnallen und aufstehen. 
Von dem in der Tiefe des Fahrgestells liegenden Beobachtersitz 
war die Aussicht zu beengt. Und ich wollte sehen! Es kostete 
eine erhebliche Kraftanstrengung, sich gegen den gewaltigen 
Luftdruck aufzurichten. Mich mit beiden Händen an den Ver 
spannungsturm haltend, gelang es mir schließlich: ich stand. Da 
unter uns lag der Platz. Die Halle in seltsamer Verschiebung 
und die Menschen schrägstehend» als stenmten sie sich gegen 
einen heftigen Wind. Da begann plötzlich etwas mein Hirn 
mit gewaltsamem Druck nach außen zu treiben. Ich sah, wie 
sich die Erde unter mir auf der einen Seite jäh aufrichtete und 
zu kreisen begann. Tief war das eine Flügelpaar gesenkt, das 
andere steil gegen den Himmel gerichtet. Ein heftiger Schwindel 
packte mich und die Erde unter mir begann in einem Wirbel da 
vonzurasen. Unwillkürlich sah ich zu dem Führer hinüber. 
Der saß ruhig und unbewegt an seinem Steuer. Die Enden 
seines Umschlagtuchs flatterten im Winde. Es mußte wohl alles 
in Ordnung sein. Ich versuchte es, mich in der Karosserie zu 
verkriechen Es gelang mir nicht. Ich stand und konnte mich 
nicht setzen, weil mich der Luftdruck in der Vollgaskurve ge 
waltsam gegen die rechte Seite des Beobachtersitzes preßte. 
Wie lange die Kurve gedauert hat, weiß ich nicht. Ich weiß 
nur, daß ich mich schließlich wieder setzte, aber vollkommen die 
Orientierung verloren hatte. Doch vermochte ich jc tzt das zauber 
hafte Bild zu genießen, das langsam unter mir wegolitt. Die 
weißen Bänder der Straßen in kleinen Dörfern geschürzt und 
geknotet, durchzogen die grüne Erde wie ein weitmaschiges 
Gewebe. Alle Linien waren scharf, alle Schatten wie aus dem 
Boden gestanzt. Es muß eine erneute Kurve gekommen sein, 
die mich wieder in einen heftigen Schwindel warf. Ich er 
innere mich, daß sich eine riesige grüne Scheibe vor und unter 
Dev Beobachter e'nes von einem deutschen Flieger angegriffenen 
englischen Fesselballons rettet sich mittels Fallschirms. 
Da der Schirm in einer Baumkrone hängen blieb, mußte der Be 
obachter längere Zeit auf Befreiung warten. 
Nach einer englischen Darstellung. 
können, aber sein Gemälde nicht. Mit dem warmen, klin 
genden Tone, den Menschen haben, die nach Stunden äußerster 
Gefahr jeden Augenblick des Lebens auskosten, erzählten die 
Flieger die Geschichte des Gemäldes. Währenddessen schoben 
sich Baum» Haus und See zur Seite und das Innere des 
Schuppens wurde sichtbar. Zwei Flugzeuge standen darin. 
Die gute alte „Abungskiste", auf der Neugierige und Anfänger 
„geschaukelt" werden, und ein neues Flugzeug der hundert 
fach an der Front erprobten Art. Wie es kam, daß für mich 
nicht die llbungsklste. sondern die neue Maschine herausgezogen 
wurde, weiß ich nicht. Einer der Herren stellte mir freund- 
lichst seinen FItegeranzug zur Verfügung. Ein sonderbares 
Kleidungstück. Hose und Jacke zusammenhängend aus welt- 
geschnitleneni dicken Manchester. Dann kam die wildlederne 
Kappe, die, über den Kopf gezogen, nur Nase und Mund ftei 
läßt, die grüne Brille, der Sturzhelm und zuletzt ein langes 
Umschlagtuch, Dabei prallte die heiße Augustsonne auf den 
Platz Aber gestern, bei dem gleichen Wetter, hatte man in 
viertausend Metern Höhe 21 Grad Kälte gemessen. 
Der zweihundertpferdige Motor lief seine Probetouren. 
Silbrig legte sich das von dem Luftzug des Propellers 
umgewandte Gras an den Boden. Abgerissene Halme flogen 
davon und die Leute unter dem Schwanz des Flugzeuges 
stemmten sich mit aller Kraft gegen den Sporn, um das 
Hinterende nicht hochschnellen zu lassen. Man gab mir die 
l tzten Weisungen: „Anschnallen beim Abflug und bei der 
Landung. Beim Eleitslug zuweilen mit zugehaltener Nase Luft 
auf die Ohren blasen, damit die dünnere Lust in den Ohren 
allsgeglichen wird. Sonst gibt es heftige Kopf- und Ohren 
schmerzen!" Dann stieg ich in den Beobachtersih hinter dem 
Führer. Die Herren traten zurück und grüßten mit dem lustig 
überlegenen Lächeln, mit dem man einen Neuling zum ersten 
Male aufsteigen sieht. „Halteklötze los?" „Sind los!" Der 
Motor ging von seiner niedrigen Tourenzahl zu jäh anwach 
sendem Dröhnen und Knattern über. Mit zunehmender Ge- 
Ein ausgehöhlter Baumstamm als Unterkunft für einen englischen 
Beobachtungsposten im Westen. 
Nach einer englischen Darstellung. 
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