Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Sechster Band. (Sechster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17. 
Phot. Welt-Preß-Photo, Wien. 
Siebenbürgische Flüchtlinge kehren nach der Wiedereroberung ihres Landes durch die Armee Falkenhayn in ihren Heimatort zurück. 
wegs schon eine Beeinträchtigung der Volksgesundheit er 
blickt werden. Denn Fett ist keine zum Leben unbedingt 
notwendige Substanz. Ist sie doch, wie bereits erwähnt, 
durch Kohlehydrate wenigstens bis zu einem gewissen Grade 
ersetzbar. 
Wie man sieht, hat wissenschaftliche Forschung und 
praktische Erfahrung im Verein mit der Not der Kriegs 
verhältnisse zu einer gänzlichen Umwälzung unserer gegen 
wärtigen Ernährung geführt. Der ungesunde, weit über 
das notwendige Matz gesteigerte Eiweitz- und Fleisch 
konsum der Friedenszeiten hat einer im wesentlichen vege 
tarischen Lebensweise Platz machen müssen. Das Massen- 
erperiment, das die Kriegszeit herbeigeführt hat, hat be 
wiesen, datz wir uns mit einem Mindestmatz von Erzeug 
nissen aus dem Tierreich, wenn auch nicht gerade üppig, aber 
doch einigermatzen ausreichend ernähren können. Der alte 
Streit, ob die vegetarische oder die gemischte Kost für die 
Volksernährung und Volksgesundheit den Vorzug ver 
diene» ist damit nicht entschieden — denn man kann auf 
die die Not der Lebenshaltung in höherem Grade als jene 
auszugleichen imstande waren. Aber auch bei diesen ist es 
ohne Entbehrungen und Verzicht auf die Behaglichkeit 
des Lebens nicht abgegangen. 
Und doch sind alle diese Opfer winzig und klein zu nennen 
verglichen mit den Mühsalen, die unsere Helden im Schützen 
graben zu ertragen hatten. Wer in diesen schweren Kriegs- 
läuften sich über Mangel und Entbehrungen beklagt, der 
sollte sich immer wieder an die Unsumme von Gefahren, 
Leiden und Schrecken erinnern, die unsere Brüder fern von 
der Heimat und ihren Lieben zur Ehre und zum Ruhme 
des Vaterlandes täglich und stündlich zu erdulden haben. 
Die geringen Nährschäden, von denen wohl keiner in 
den letzten zweieinhalb Jahren verschont geblieben ist, 
werden zudem in der Friedenszeit binnen kurzem beim 
Zuströmen der früheren Nahrungsquellen ausgeglichen 
werden. Beneidenswert ist aber wahrlich derjenige nicht, 
der nicht von sich sagen könnte, datz er während des Krieges 
freiwillig und selbstlos einen Teil der Sorgen und Mühen, 
Getreide und anderes. Mit diesen Substanzen kann man 
aber doppelt so viel Menschen ernähren als mit dem hier 
bei gewonnenen Fleisch und Fett. Es ergibt sich hieraus, 
datz in Kriegszeiten, in denen äutzerste Sparsamkeit in 
der Verteilung der unentbehrlichen Lebensmittel oberstes 
Gebot sein mutz, besonders die Schweinezucht einer großen 
Einschränkung bedarf, und datz daher die viel kritisierte 
Schweineabschlachtung des Jahres 1915 als eine wohl 
überlegte und vom Standpunkt der Volksernährung durch 
aus gerechtfertigte Maßnahme zu betrachten ist. 
Können wir demnach ohne Gefahren die Herabminde 
rung an Eiweitzsubstanz in unserer Nahrung ertragen, so ist 
bekanntlich der Mangel an Fettsubstanzen, der, abgesehen 
von den ländlichen Kreisen, im ganzen Deutschen Reiche 
herrscht, lebhaft zu beklagen. Zweifellos werden wir fast alle 
mit einer ansehnlichen Fett-, das heißt Gewichtsverminde 
rung aus dem Kriege gehen. Indessen kann darin keines- 
den verschiedensten Wegen zum Ziele kommen — indessen 
steht so viel fest, datz das tierische Eiweitz an Nährwert dem 
Pflanzeneiweitz keineswegs überlegen ist. Hierzu kommt 
aber weiter, datz das pflanzliche Eiweitz felbst in der Kriegs 
zeit sich erheblich billiger stellt als das tierische. 
Trotzdem hieße es das Bild allzu rosig färben, wollten 
wir behaupten, datz unsere augenblickliche Ernährungslage 
als eine besonders befriedigende anzusehen ist. Um der 
ihm aufgezwungenen wirtschaftlichen Blockade erfolgreich zu 
begegnen, hat das deutsche Volk und seine Verbündeten 
ein hohes Matz von Entbehrungen auf sich nehmen und 
sich den schwierigen Ernährungsbedingungen der Kriegs 
zeit mit großer Selbstverleugnung anpassen müssen. Es 
würde eine Verkleinerung des Eemeinsinnes bedeuten, 
wenn wir nicht anerkennen wollten, datz von den armen 
Bevölkerungschichten ein gleiches Matz von Selbstent 
sagung geübt worden ist wie von den oberen Zehntausend,
	        
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