Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Sechster Band. (Sechster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17. 
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aufzulösen. Die Engländer griffen mit starker Infanterie 
vergeblich bei Fampour an; bei Roeur, südöstlich davon, 
schickten sie Reitermassen vor, die in den dichten Feuer 
garben deutscher Artillerie und Maschinengewehrabtei 
lungen furchtbar zugerichtet wurden. Ein Mitkämpfer gibt 
davon folgende anschauliche Schilderung: 
„Aus dem grauen wogenden Morgennebel brachen dunkle 
Massen hervor, die sich mit unheimlicher Schnelligkeit 
näherten. Englische Reiterregimenter waren es, soweit 
das Auge reichte, eine einzige gewaltige Reitermasse. Die 
Kompanien links von uns schossen schon auf weite Ent 
fernung, was aus dem Lauf heraus wollte. Bei uns je 
doch blieb es wie auf Kommando noch still, nur einige 
Hitzköpfe gaben einige Schüsse ab. Die sechs Maschinen 
gewehre, die in der Ferme nebenan lagen, blieben auch 
noch still, obgleich ich sehen konnte, wie die Bedienung un 
geduldig und aufgeregt wurde. Der Führer, ein Ober 
leutnant, ging von einem Gewehr zum anderen und be 
schwichtigte die fiebernde Mannschaft. Noch waren die 
Feinde nicht nahe genug, es dauerte überhaupt länger, als 
wir gedacht hatten, weil die Reiter, von der Infanterie links 
von uns stark unter Feuer genommen, eine scharfe Schwenkung 
machten. Nun hatten wir sie fast in 
der Flanke und zitterten vor Erregung. 
Endlos lang dehnten sich die Minuten. 
Die Spannung aller Nerven war un 
geheuer. Wie durch einen Schleier 
sah ich die graue Masse heranjagen, 
die Offiziere mit hochgeschwungenen 
Säbeln vor der Front der englischen 
und bengalischen Reiter. Ich spürte, 
wie der Boden unter den Tausenden 
von Pferdehufen bebte, und wie das 
Donnern gewaltiger, brechender Mee 
reswogen klang das Nahen der feind 
lichen Massen — drohend, beängsti 
gend. Ich warf einen Blick in die 
Gesichter meiner Leute. Blatz vor Er 
regung waren sie alle, doch von Furcht 
keine Spur. Was kümmerten uns jetzt 
die feindlichen Granaten und Schrap 
nelle, die uns mit ihrem Segen über 
schütteten, die vor, hinter und neben 
uns platzten und manchen braven Ka 
meraden stumm machten! Was küm 
merte uns der freche Flieger, der kaum 
150 Meter über uns hinwegstrich und 
uns aus einem Maschinengewehr be- 
schotz! Wir hatten nur Augen und Ohren für das, was da 
vor uns geschehen sollte. Da waren die verhaßten Eng 
länder, wunderbare Ziele, die wir uns nicht entgehen lassen 
durften. Der lange aufgesparte Hatz, die mühsam zurück 
gedrängte Wut mutzten jetzt ihre Befriedigung finden. Näher 
und näher kamen die Reiterregimenter, jetzt waren sie noch 
300 Meter von uns entfernt, jetzt 280 ... 270 ... 250 Me 
ter und ... da hielt uns nichts mehr zurück, keine Macht 
der Erde hätte uns vom Schietzen abhalten können. Ein 
wilder Schrei ging durch unsere Reihen, ein Schrei, in 
d»m sich all das ungeheure Erleben, die furchtbare Nerven 
spannung der letzten Minuten Luft machte. Da zerriß auch 
der Schleier, der vor meinen Augen gelegen hatte. Klar 
und scharf sah ich den Feind in fast greifbarer Nähe, klar 
und scharf gab ich die Befehle weiter, und ganz ruhig war 
die Hand, die jetzt das Gewehr auf die vordersten Reiter 
richtete. 
Und dann ging's los . Neben mir, hinter mir, 
über mir krachte, sauste und heulte es. Der reinste Hexen 
sabbat um mich herum. Unsere Maschinengewehre rasten 
förmlich, eins suchte das andere womöglich noch zu über 
bieten. Und hinter uns, zwei Feldbatterien, arg zerschossen 
zwar schon, jagten ihre letzte Munition dem Feinde entgegen. 
Und wir, Mann für Mann, schossen — schossen — schossen. 
Wir schossen mit einer wilden Freude, mit einer grimmigen 
Genugruung, endlich einmal mit den Engländern richtig 
abrechnen zu können. Mit gieriger Hast griff ich nach dem 
zweiten Patronenrahmen, nachdem der erste verschossen war. 
Nochmals laden ging nicht mehr. Bier — fünf Pferde, 
schaumüberspritzt, mit braunen heulenden Kerlen darauf, 
waren herangekommen. .Handgranaten 'raus!‘, und ... 
da flog auch schon die erste, von meinem Nebenmann ge 
schleudert, den Pferden vor die Beine, eine zweite kam 
gleichzeitig von woanders her, fast ein Krach, und vor uns 
wälzte sich eine wirre Masse in Todeszuckungen. , Neue 
Pferdeleiber tauchten auf, wilde Schreie gellten an unsere 
Ohren, blutunterlaufene, mordgierige Augen stierten uns 
an, graue Lanzen, blitzende Säbel drohen, verlangen unser 
Leben, wollen uns vernichten . . . Die Handgranaten 
fliegen, und neue zuckende Hügel türmen sich auf. Eine Barri 
kade aus Tier- und Menschenkörpern vor unseren Linien, ein 
Hindernis für die noch Anstürmenden. Doch die Flut hört 
auf, die Reiterwogen ebben zurück. Vergeblich war ihr 
Ansturm, zerschellt ihre wilde Kraft an unseren Linien. 
Die keuchenden Pferde rasen zurück über die Leichen 
ihrer früheren Herren, um dem Tode zu entgehen. Doch 
der Tod folgte ihnen. Aus den Hunderten wurden Tau 
sende, und immer noch mähte der Tod unerbittlich, er 
barmungslos. Unsere Maschinengewehre knatterten weiter, 
das Wasser in ihren Mänteln kochte, glühend heitz waren 
die Rohre — .ganz gleich, wenn die Waffe auch unbrauch 
bar wird, nur weiterschietzen, weiterschietzen!' — 
Auch ich fand jetzt Zeit, neu zu laden und zu schießen, 
wie alles rings um mich her, bis das Krachen, Heulen und 
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Phot. Hanns Eder, München. 
Vorgeschobene Stellung der deutschen Linie an der Straße 2lrras—Cambrai.
	        
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