Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Sechster Band. (Sechster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17. 
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Serbien und Rumänien den Bewegungskrieg geübt, hatten 
gesiegt und waren als erprobte Kämpfer zum Teil an die 
Westfront zurückgekehrt. Die Engländer besaßen weder 
diese Abung noch entsprechende Schulung; sie waren sehr 
unsicher und litten infolgedessen schwer. Wo immer sie 
in den Besitz deutscher Stellungspunkte kommen wollten, 
hatten sie stets große blutige Verluste. Kleinere Truppe 
kühner Deutscher machten verwegene Vorstöße gegen den 
Feind, griffen ihn mit Handgranaten, Flammenwerfern 
oder auch mit rasch in Stellung gebrachten Maschinen 
gewehren an (siehe Bild Seite 273) und setzten ihm furcht 
bar zu. Das Gefühl, einen zaudernden und entschluß- 
unfähigen Gegner zu bekämpfen, steigerte noch die Sicher 
heit der deutschen Nachhuten, die Fühlung mit dem Feinde 
zu behalten hatten. Massenhaft meldeten sich Freiwillige 
zu besonderen Vorstößen, und Führer wie Mannschaften 
zeichneten sich bei allen 
Unternehmungen, die zur 
Verschleierung des deut 
schen Abzuges ins' Werk 
gesetzt wurden, durch 
Schneid und Findigkeit 
aus. 
Südlich von Arras, 
bei Beaurains, machten 
am 12. März englische 
Abteilungen nach heftiger 
Feuervorbereitung auf 
breiter Front einen Vor 
stoß, bei dem starke Kräfte 
ins Gefecht kamen. Die 
erste englischeWelle drang 
in raschem Ansturm in 
die vorderen deutschen 
Gräben ein und wurde 
dort im Nahkampfe völ 
ligvernichtet. Diezweite, 
ebenso wie die dritte 
Sturmwelle, brach schon 
vor den Hindernissen der 
Verteidiger blutig zusam 
men. Recht ausgiebig 
bereiteten die Engländer 
ihre Angriffe auf Dörfer 
oder Dorfreste im ge 
räumten Gebiete vor. 
Hunderte und Tausende 
schwerer Granaten schos 
sen sie auf Ruinen von 
Siedlungen, die von den 
Deutschen mitunter seit 
mehreren Tagen schon 
nicht mehr besetzt waren. 
Gelegentlich konnten 
deutsche Truppen, die 
gegen die ehemaligen 
deutschen Linien vorgin 
gen, die schwache eng 
lische Besatzung nieder 
kämpfen oder gefangen 
abführen. Am 13. März 
stießen die Feinde nachts 
zwischen Achiet-le-Petit und Erevillers (stehe die Karte 
Seite 244/245) ohne Artillerievorbereitung vor; aber auch 
diese Überraschung wurde ein Mißerfolg, den die Engländer 
mit zahlreichen Toten und Verwundeten bezahlen mußten. — 
Drei Tage später besetzten zwischen Sailly und dem 
St. Pierre-Vaastwald, den weder die Engländer noch die 
Franzosen in monatelangen Kämpfen den Deutschen ent 
reißen konnten, englische, und zwischen Beuvraignes und 
Lassigny auch französische, Truppen die von den Deutschen 
ausgegebenen Gräben. 
Die Franzosen zeigten sich in der neuen Kriegführung 
geschickter als die Engländer. Sie hatten allerdings auch 
nicht so schwere Arbeit wie diese, denn sie sahen gleich ein 
40 Kilometer tiefes Eeländestück frei von Deutschen vor sich, 
auf dem sie sogar Kavallerie vorzutreiben wagten. Auch 
die Deutschen verwendeten auf diesem Stellungstreifen 
Reiterei, die sich durch Kühnheit hervorzutun suchte. Den 
Deutschen glückte dabei manch guter Fang, wenn das 
Reiterhandwerk auch viel schwieriger war als in den ersten 
Kriegsmonaten von 1914, wo die angreifenden Reiter noch 
auf wenig vom Kriege berührtem Gelände ihre Pferde in 
flotten Galopp setzen konnten (siehe Bild Seite 277). 
Aber die weitreichenden deutschen strategischen Maß 
nahmen gaben die Meldungen des Eeneralquartiermeisters 
über die Ereignisse vom 17. März zum ersten Male klaren 
Aufschluß. An diesem Tage hatten die Feinde Bapaume, 
.Peronne, Roye und Royon (siehe die Bilder Seite 274) 
erreicht. Bis zum 23. März stießen sie in eine Linie 
vor, die durch folgende in ihre Hände gekommenen Ort 
schaften bezeichnet wird: Beaurains (südöstlich von Arras), 
Croisilles, Velu (östlich von Bapaume), Rurlu, Etreillers 
(westlich von Peronne), St. Simon (östlich von Ham, am 
Kanal von St. Quentin), Tergnier, Chauny, Couzy, Anizy 
1 und Vailly (an der Aisne). Allein, diese Linie war durchaus 
kein sicherer Besitz der 
Feinde. Während die 
deutschen Meldungen 
über die Ereignisse wenig 
verrieten, berichteten die 
französischen und eng 
lischen oft von deutschen 
Gegenstößen. Am 24. 
März trafen die Feinde 
bei Beaumetz, Roisel und 
östlich vom Corzat-Kanal 
in der Sommegegend 
auf deutsche Sicherungs 
truppen , die ihnen 
schwere Gefechte lieferten 
und dann befehlsgemäß 
auswichen. Nordöstlich 
von Soissons, bei Vre- 
gny, wurden französische 
Bataillone in einem für 
sie verlustreichen Gefecht 
zurückgeschlagen. — 
Der strategische Rück 
zug der Deutschen machte 
den Westmächten einen 
dicken Strich durch die 
Rechnung, denn ihre 
wohlvorbereitete Offen 
sive konnte einstweilen 
nicht zur Ausführung 
kommen, weil sie sich voll 
kommen neuen Verhält 
nissen gegenübersahen. 
Die Deutschen waren 
dem Schlag geschickt aus 
gewichen und hatten 
neue treffliche Stellun 
gen eingenommen, die 
ihnen eine bessere Stütze 
boten als jene, die sie 
mehr zufällig im Jahre 
1914 besetzt hatten. Die 
Londoner Zeitschrift 
„Truth" (auf deutsch 
„Wahrheit") sagte wört 
lich: „Der deutsche Rück 
zug an der Ancre erscheint als die größte Meisterleistung 
des deutschen Eeneralstabes während des Krieges." Wenn 
das von dem Ancrerückzug galt, so paßte die Bemerkung 
noch viel mehr auf die Eesamtabmarschfront Arras— 
Soissons. Das wurde von den Franzosen nach und nach 
auch zugegeben. Die Engländer hatten zu ihrem Teile die 
Mühen, die ihnen der Abmarsch des Gegners auferlegte, 
schon kennen gelernt; sie mußten im versumpften und ver 
schlammten Gebiet der Ancre (siehe die Bilder Seite 275 
und 278 oben) nicht weniger als 200000 Arbeiter zum 
Aufbau neuer Stellungen zusammenziehen. 
Wie vollständig es den Deutschen durch ihren Abmarsch 
und vorher durch bestimmte Teilangriffe gelungen war, die 
feindlichen Pläne zu verwirren, ging daraus hervor, daß 
die Franzosen die Stellung von Ripont, die mit der be 
herrschenden Höhe 185 in die Hand der Deutschen gefallen 
war, unter Anwendung ganz unverhältnismäßig großer 
Mittel und Kräfte wiederzugewinnen trachteten. Am 11., 
Wie es auf dem von den Deutschen im Westen geräumten Geländeftreifen 
aussah.
	        
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