Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Sechster Band. (Sechster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17. 
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schäftigt. 1300 Jahre vor 
Christi Geburt faßten die 
Pharaonen diese Idee auf. 
Aber trotz riesigster Anstren 
gungen und Menschenopfer 
scheint das Unternehmen 
damals nicht geglückt zu 
sein. 
Später beschäftigte sich 
Darius-Hystaspes (521 bis 
485 vor Christo) mit der 
gleichen Absicht in Rücksicht 
auf bequemere Handelsver 
bindungen mit Indien. Sein 
Kanalbau gelang, und wie 
uns Herodot mitteilt, führte 
dieser Kanal von einem 
Nilarm zum Roten Meer 
und war so breit, daß zwei 
Schiffe aneinander vorbei 
fahren tonnten. Ptole- 
mäus II. (285—247 vor 
Christo) verbesserte diesen 
Kanal, der aber in der 
Folgezeit versandete und 
erst wieder unter dem rö 
mischen Kaiser Trajan (98 
bis 117 nach Christo), aber 
in bescheidenerer Form, ent 
stand. Im 7. Jahrhundert 
unserer Zeitrechnung wird 
noch von einem Kanal be 
richtet, der von Kairo aus 
an das Rote Meer zog. Erst 
im Mittelalter beschäftigten 
sich türkische Herrscher Ägyp 
tens wieder mit dem Ge 
danken, den Kanal auszu 
bauen (1586). 
Dann wurde der Ge 
danke um die Mitte des 
18. Jahrhunderts neu auf 
genommen und seine Ver 
wirklichung von >Rapoleon 
dem Ingenieur Lepore über 
tragen. Lepore hat sich aber 
bei den Messungen der beiden Meeresspiegel verrechnet, 
und so kam der Kanal damals nicht zustande. Erst als 
der Khedive Said im Jahre 1858 den österreichischen In 
genieur v. Regrelli mit dem Ausbau des Kanals beauftragte, 
wurden die Vorarbeiten derartig gründlich besorgt, daß der 
Plan verwirklicht werden konnte. Er wurde von dem Fran 
zosen Lesseps geschickt ausgenützt und durchgeführt. Am 
25. April 1859 erfolgte der erste Spatenstich bei Port Said. 
Am 16. November 1869 wurde unter glänzenden Feier 
lichkeiten, die dem verschwenderischen Khediven Ismail in 
einer Woche 20 Millionen Mark kosteten, der Kanal eröffnet. 
Die größten Gegner des Kanalbaus ware-n die Engländer, 
an ihrer Spitze Disraeli und Palmerston. Da die Engländer 
damals noch nicht im Besitz von Ägypten waren, befürch 
teten sie eine Schädigung ihres Handels durch die wesentlich 
verkürzte Verbindung der Mittelmeerländer und namentlich 
der französischen Häfen mit der indischen Welt. Allgemeine 
Gründe nrenschlicher Kulturentwicklung waren den Englän 
dern von jeher ganz gleichgültig. 
Die englische Diplomatie hetzte in Konstantinopel ge 
waltig gegen den Kanal, die englische Presse warnte in den 
höchsten Tönen vor dem „Schwindelunternehmen" mit 
der deutlichen Absicht, das Weltkapital zu strenger Zurück 
haltung zu bewegen und damit den Bau unmöglich zu 
machen. 
Lord Palmerston, der zu dieser Zeit englischer Mi 
nisterpräsident war, leistete sich bei dieser Gelegenheit 
ein Schurkenstück bester Güte. Er ließ die Beteiligten in 
der gemeinsten Weise verdächtigen, erklärte amtlich im 
Parlament, daß der Plan unausführbar sei, und daß die 
Kanalunternehmer einfach als Hochstapler zu betrachten seien, 
teilte aber zu gleicher Zeit vertraulich Lesseps mit, daß die 
englische Regierung das Zustandekommen des Planes mit 
aller Kraft fördern würde, wenn Frankreich erlauben würde, 
daß England die Stadt 
Suez ständig militärisch be 
setzen und den Schiffahrts 
verkehr auf dem Kanal über 
wachen dürfte. Naturgemäß 
wurde dieser Vorschlag von 
Frankreich abgewiesen, und 
nun erklärte England dem 
Vizekönig Said, daß Eng 
land Ägypten das Recht 
absprechen müsse, dieses 
Unternehmen selbständig 
durchzuführen. Selbst als 
trotz aller dieser Intrigen, 
zu denen sich auch der be 
rühmte Ingenieur Stephen- 
son herbeiließ, die Arbeiten 
doch in Angriff genommen 
wurden, hörten die eng 
lischen Machenschaften nicht 
auf und brachten das ganze 
Unternehmen wiederholt in 
größte Gefahr. 
Als dann auch der eng 
lische Plan eines Konkur 
renzkanals nicht durchging, 
ließ England die Maske 
fallen und machte sich durch 
den Ankauf von mehr als 
einem Viertel sämtlicher 
Anteilscheine zum Haupt 
aktionär des Kanals und 
damit zu dem Teilhaber, 
der aus dem Kanal den 
größten Gewinn zog. Die 
politische Geschicklichkeit Eng 
lands setzte sich fort, in 
dem es nun aus der Tat 
sache seines finanziellen In 
teresses die Notwendigkeit 
politischer Festsetzung in 
Ägypten ableitete. 
Von 1882 an begann 
der Kampf Englands um 
Ägypten, der im Sudan 
feldzug 1898 seinen Höhe 
punkt erreichte und mit der Einverleibung Ägyptens durch 
England während des Weltkrieges sein vorläufiges Ende 
nahm. 
Die Bedeutung des Suezkanals liegt auf der Hand. Es 
ist die entscheidende Annäherung der indischen, ostasiatischen 
und australischen Welt, ja selbst der.pazifischen Seite Ameri 
kas mit Europa. 
Diese Bedeutung zeigt sich in nachfolgenden Tabellen 
am klarsten. 
Übersicht über den Schiffsverkehr durch den Kanal: 
Jahre 
Anzahl 
der Schiffe 
Neitotonnen 
1870 
486 
436 609 
1877 
1663 
2 355 448 
1883 
3307 
5 776 862 
1893 
3341 
7 659 068 
1901 
3699 
10 824 000 
1905 
4116 
13 134 105 
1910 
4533 
16 581 898 
1911 
4969 
18 324 794 
1912 
5373 
20 275 120 
Anteil der Nationen am Schiffsverkehr 1912: 
England 3254 Schiffe ^ 63,4°/» 
Deutschland .... 698 „ = 14,9 „ 
Niederlande .... 339 „ — 6,1 „ 
Österreich-Ungarn . . 245 „ — 4 „ 
Frankreich 220 „ — 3,9 „ 
Die von der Kanalgesellschaft eingenommenen Ge 
bühren betrugen im Jahre 1912 135 424 000 Franken. 
Phot. A. Grohs, Berlin. 
Reichsgraf Fritz v. Hochberg mit Mitgliedern seiner Sanitätsexpedition 
in Jericho am Toten Meer.
	        
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