Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Sechster Band. (Sechster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17. 
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tiefen Kellergewölbe, die sogenannten „Katakomben" oder 
„Muches". Der Haupteingang dieser sehr alten Schutz 
höhlen, die in Nordfrankreich häufig anzutreffen und schon 
bei Cäsar erwähnt sind, befand sich in Combles gegenüber 
der Kirche. Als das Dorf zum ersten Male beschossen wurde, 
führte der Pfarrer die Einwohner in diese halbvergessenen 
und verschütteten natürlichen Unterstände hinab. Es sind 
trotzdem manche Einwohner durch die französischen Granaten 
ums Leben gekommen bei diesen plötzlichen Feuerüberfällen, 
die aus weiter Entfernung mit den schwersten Kalibern aus 
geführt wurden. Einen gedeckten Zugangswe'g nach Combles 
gab es nicht, der Verkehr ging entweder auf der Straße 
nach Sailly oder durch die nördliche Mulde an dem kleinen 
Wäldchen entlang. 
Am 18. September wurde das Reserveinfanterieregi 
ment im Westabschnitt von Combles eingesetzt. Am 21., 
einem klaren Tage, steigerte sich die Beschießung erheblich. 
Das Feuer wurde von Fliegern aus wenigen hundert 
Metern Höhe geleitet. Auf den Versuch der deutschen 
Truppe, die Flieger mit Maschinengewehren und Schnell 
feiler zu vertreiben, antworteten sie mit Raketen in die 
Richtung des Angriffes. Innerhalb der nächsten fünf 
Minuten war das Feuer feindlicher Batterien zur Stelle 
und lag eine volle Stunde lang auf demselben kleinen Fleck. 
Am 22. September 
abends brachen die Fran 
zosen in den Nachbarab 
schnitt Ziegelei—Priez- 
ferme ein (siehe die Karte 
Seite 126 oben); sie waren 
um zehn Uhr abends im 
Besitz der Ziegelei und 
lagen auf den Höhen südlich 
Frögicourt. Der Vorstoß 
war für die rückwärtige 
Verbindung der Deutschen 
bedenklich und verstärkte 
den Flankendruck des Geg 
ners auf Combles von Süd- 
osten her, wo die Stellung 
ohnedies nicht wider 
standskräftig war. Die 
Meldungen geschahen an 
diesem Tage noch durch 
eine Läuferkette. Als mehr 
als zwei Drittel der ver 
fügbaren Läufer gefallen 
waren, beschränkte man 
sich auf Lichtsignale, die 
mit Sailly gewechselt wur 
den und bis zum letzten 
Tage aufrecht erhalten wer 
den konnten. Telephone 
Kartenskizze 3 zu dem Aufsaß „Die Wahrheit über Combles" 
und Erdkabel gab es dagegen schon längst nicht mehr. 
Eine besondere Schwierigkeit war die Versorgung der 
Trupps mit Wasser und Verpflegung. Fuhrwerke kamen 
kaum bis Sailly (4 Kilometer) vor, geschweige denn darüber 
hinaus. Jeder Mann, der vorging, erhielt zwei Flaschen 
Sauerbrunnen, Fleischkonserven und Brot mit. Äußerst 
gefährdet und auf lange Stunden ganz ungangbar war die 
Verbindung mit den vordersten Gräben des Regiments. 
Von 2000 Flaschen Wasser kamen kaunr 300 vor, in einer 
mühsam herangeschleppten Kiste fanden sich nur noch vier 
unzerbrochene Flaschen. Je vier Mann mußten sich in 
den Inhalt einer einzigen Flasche teilen. Im Dorfe selbst 
gab es unter den Trümmern nur noch einen Brunnen, der 
wenigstens Waschwasser hergab. 
Am 23. September legten die Franzosen zum ersten 
Male ein Sperrfeuer von Gasgranaten hinter Combles. 
4n den Ort selbst gingen Tausende dieser giftigen Ge 
schosse, die Luft war ganz gelb von Qualm und Staub. 
Mit großen Feuerbränden, vor den Eingängen der Keller 
und Höhlen angezündet, versuchte man das Gas zu zerteilen. 
Am 24. fünf Uhr früh machten die Engländer einen 
Gasangriff, den sie beim Vorgehen durch Nebelbomben 
unterstützten. Sie kamen diesmal nicht wie sonst in Ko 
lonnen anmarschiert, sondern sie krochen vorsichtig an der 
Bahn entlang in der Breite von etwa zwei Kompanien 
)um Sturm vor. Es gelang ihnen auch, in den vorderen 
Graben einzudringen, aber mit Handgranaten wurden sie 
wieder hinausgeworfen. Ein Leutnant nahm ein Maschinen 
gewehr auf den Rücken, sprang ihnen nach und schoß von 
einer Brustwehr vernichtend hinter ihnen drein. 
In der Nacht vom 24. auf 25. erhielt Combles ununter 
brochen schwere Gasgranaten. Die Absicht des Feindes 
war klar: er wollte sich den Angriff, der bisher immer miß 
lungen war, so leicht wie möglich machen und das deutsche 
Bollwerk ausräuchern. Daß die Stellungen im südwest 
lichen Halbrand um das Dorf zerschossen waren, meldeten 
ihm seine Flieger. Ein Ausbau inmitten dieses Trommel 
feuers war völlig ausgeschlossen. Jedermann im Graben 
wußte, was bevorstand. Der Sturmtrupp des Regiments 
brachte noch einmal Verpflegung und Wasser vor. Die 
Verwundeten aber konnten nicht mehr abtransportiert 
werden, sie lagen gedrängt in den Katakomben. Bei Tages 
anbruch prasselte das Feuer aus allen Kalibern auf den 
Ort und die rückwärtigen Verbindungen herab. Eine 
französische 15-om-Batterie, die im Priezgrunde stand, 
flankierte die südlichen Gräben ungemein bösartig. Feind 
liche Flieger leiteten das Feuer äußerst genau auf die Ein 
gänge der Katakomben und diejenigen Stellen des vorderen 
Grabens, die noch einigen Schutz versprachen. 
Ein ganz großer Angriff war im Anzuge. Gegen Mittag 
teilte die Division mit, daß Verstärkungen bereitgestellt 
seien. Um zwei Uhr dreißig 
Minuten nachmittags mel 
dete die Regimentsbeobach 
tung, die Franzosen seien 
über die Priezferme hinaus 
vorgerückt, sie ständen be 
reits nahe Frsgicourt. Um 
drei Uhr dreißig Minuten 
wurde die Meldung be 
stätigt, man sah die Fran 
zosen eifrig an ihren neuen 
Stellungen schanzen (siehe 
die Karte Seite 126 un 
ten). Gleichzeitig brachen 
starke englische Schützen 
schwärme, von Kolonnen 
gefolgt, im Norden von 
Combles gegen das vor 
Morval stehende Regiment 
vor. Der Angriff wurde 
durch Flammenwerfer und 
Tanks (siehe auch das Bild 
Seite 84/85) unterstützt. Ei 
nes dieser Ungetüme wurde 
von der deutschen Artil 
lerie Zusammengeschossen. 
Um vier Uhr fünfzehn 
Minuten nachmittags (im 
mer noch des 25. Septem 
ber) kam die Meldung, die Engländer seien am rechten Flügel 
des Abschnittes ins Birkenwäldchen eingedrungen, die Deut 
schen gingen zurück. Um fünf Uhr war Morval vom Gegner 
besetzt. Nun forderte das Regiment sein letztes Bataillon 
zur Verstärkung und zum Schutz der stark bedrohten Verbin 
dung nach rückwärts. Sturmtruppe und Träger wurden 
bereitgestellt. Die Stellung der beiden Bataillone vor 
Combles war unhaltbar geworden. Aber wenn's befohlen 
wurde, sollte sie gehalten werden bis zum Äußersten. 
Der Befehl lautete: Combles ist während der Nacht zu 
räumen. 
Um acht Uhr dreißig Minuten abends begann der Ab 
marsch in die vorbereitete Riegelstellung halbwegs Sailly. 
Jeder trug und schleppte, was er schleppen konnte: die Ver 
wundeten, die Maschinengewehre, die Munition. So ging 
es durch das Sperrfeuer hindurch, das die englischen und 
französischen Geschütze verschwenderisch auf den schmalen 
kilometerbreiten Streifen (siehe die Karte Seite 127) 
zwischen ihren Fronten legten. Die Nacht war dunkel. 
Die Bataillone marschierten 300 bis 400 Meter an der fran 
zösischen Linie vorbei. Alle Geräusche erstickten in den Wir 
beln der tanzenden Geschosse. Der Feind merkte nichts. 
Mit den letzten Gruppen verließ der Ortskommandant 
von Combles, Baron von W., den Ort. Seine Eefechts- 
ordonnanz — er war zugleich Bataillonsführer — geleitete 
ihn. Der Mann machte den Todesweg zum fünften Male 
an diesem Tage. Er hatte einen geheimnisvoll sicheren In-
	        
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