Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/19. 
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Uber den 
Bevölkerungsausfall 
in Deutschland und in 
Frankreich infolge des 
Krieges. 
Von Dr. W. Camerer, Stuttgart. 
Gewaltig sind die Aufgaben, 
die der Krieg auf dem Gebiete 
der Bevölkerungsbewegung 
ausgelöst hat, und tiefgreifend 
ist seine Einwirkung auf Zahl 
und Zusammensetzung der Be 
völkerung. Schon die unmit 
telbaren Kriegsverluste an 
Menschenleben sind sehr hoch. 
Nicht weniger bedeutungsvoll 
ist aber der Eeburtenausfall, 
hervorgerufen durch die Ab 
wesenheit so vieler Männer. 
Dazu kommt noch die mittelbare 
Einwirkung des Kriegs auf die 
Sterblichkeit der Zivilbevölke 
rung. Diese Ursachen bewirken 
zusammen einen Bevölkerungs- 
ausfall von außerordentlicher 
Höhe. Bon seiner genauen 
und endgültigen Feststellung 
im ganzen und in seinen ein 
zelnen Teilen kann allerdings 
im gegenwärtigen Zeitpunkt 
nicht die Rede sein, wohl aber 
läßt sich auf Grund der schon 
jetzt zur Verfügung stehenden 
Zahlen eine annähernde Schät 
zung versuchen. Da aber die 
Wirkung des Krieges auf die Bevölkerung nur zu einem 
Teil mit Kriegsbeginn einsetzt und bei Kriegsende auch nicht 
gleich völlig aufhört, muß zum mindesten das Jahr 1919 
mit in die Berechnung einbezogen werden. 
Der Bevölkerungsausfall seht sich zusammen aus den 
direkten und den indirekten Kriegsverlusten. Die ersteren 
stellen die Summe der Todesfälle bei den Militärpersonen 
infolge Verwundung oder Krankheit dar. Sie sind für 
Deutschland unter Berücksichtigung der Vermißten bis Ende 
1918 auf etwa 1 800 000 einzuschätzen, doch wird sich diese 
Zahl noch erhöhen, da insbesondere 1919 noch eine nicht 
unbeträchtliche Anzahl von Feldzugsteilnehmern an den 
Folgen von Verwundungen und Krankheiten sterben wird. 
Für Frankreich beträgt die Zahl der Gefallenen und Ver 
mißten etwa 1 300 000. Ob hierin die an Krankheiten 
Verstorbenen mit eingerechnet sind, geht aus der amtlichen 
Mitteilung in der 
französischen Kam 
mer nicht sicher 
hervor. Ihre Zahl 
ließe sich danach 
berechnen, daß in 
Deutschland inden 
zwei ersten Kriegs 
jahren auf hundert 
Gefallene etwa 
acht an Krankhei 
ten Verstorbene 
kommen, ein Ver 
hältnis, das im 
Vergleich zu frü 
heren Kriegen für 
die an Krankheiten 
Verstorbenen recht 
niedrig ist und die 
glänzenden Fort 
schritte in der Be 
kämpfung der 
Kriegserkrankun 
gen zeigt. Betrug 
doch noch im Krieg 1870/71 das 
Verhältnis 100 : 61, während 
in den früheren Kriegen die 
Zahl der an Erkrankungen Ge 
storbenen weit über diejenige 
der Gefallenen hinausging. 
Man müßte unter Annahme 
des genannten Verhältnisses 
für Frankreich also noch rund 
100 000 Tote zuzählen, so daß 
die Eesamtverlustsumme etwa 
1 400 000 betragen würde. Ob 
in diesen Zahlen die Verluste 
der Kolonialtruppen mit ent 
halten sind, ist nicht mit Sicher 
heit festzustellen. 
Die indirekten Kriegsver 
luste sehen sich zusammen aus 
dem Eeburtenausfall und der 
Zahl der bürgerlichen Sterbe 
fälle. Man darf den Ausfall 
an Lebendgeburten für Deutsch 
land bis einschließlich 1919 auf 
etwa vier Millionen schätzen, 
also auf mehr als doppelt so 
viel, als die direkten Kriegs 
opfer betragen. Für Frank 
reich ist der Eeburtenausfall 
für dieselbe Zeit auf etwa ein 
dreiviertel Millionen zu be 
rechnen; er war in dem beseht 
gewesenen Gebiet natürlich be 
sonders groß und betrug bis 80 
v. H. der Friedensziffer. 
Bei der Feststellung der 
Sterbefälle der Zivilbevölke 
rung infolge des Kriegs ist zu 
unterscheiden zwischen denjenigen der Säuglinge und denen 
der Alberjährigen. Die Säuglingsterblichkeit ist in den ersten 
Kriegsjahren deutlich abgefallen; sie betrug 1915 nach 
Helfferich 14,4 v. H. der Geburten, 1916 sogar nur 13,3 
v. H. gegenüber 15,5 v. H. im Jahr 1914 und 15,1 v. H. 
im Jahr 1913. In der letzten Kriegszeit mag sie an ein 
zelnen Orten erheblich, im ganzen aber nur mäßig gestiegen 
sein. In Anbetracht des außerordentlichen Geburtenrück 
gangs ist also eine sehr beträchtliche Abnahme der Säug 
lingstodesfälle gegenüber Friedenszeiten zu erwarten. Man 
kann sie bis einschließlich 1919 auf etwa 600 000 berechnen. 
Umgekehrt haben aber die Sterbefälle der Uberjährigen 
infolge der Ernährungschwierigkeiten durch die Hunger 
blockade, weiterhin durch den Mangel an Ärzten sowie 
durch das Zurückgehen der Gesundheitspflege infolge Man 
gels an Reinigungsmitteln, besonders an Seife, an Wäsche, 
Kleidungstücken 
und anderem, fer 
ner durch körper 
liche Überanstren 
gung nach neuen 
Mitteilungen um 
die erschreckende 
Zahl von etwa 
800 000 zugenom 
men, so daß bis 
Ende 1919 mit 
einerZunahmeder 
Todesfälle bei der 
Gesamtzivilbevöl 
kerung um rund 
400 000 gerechnet 
werden muß. Diese 
Vermehrung der 
Skerbefälle machte 
sich von 1916 ab 
bemerkbar; im 
Jahr 1917 nahm 
sie infolge der im 
mer schärfer wer- 
JllustrierLe Kriegsberichte 
Phot Welt--4>retl-Photo, Wien. 
Die neue Uniform der tschechoslowakischen Offiziere. 
Tuchaufschläge mit Silberstreifen und Nummern an der Mütze und a»n 
Rockkragen. An der Mütze außerdem eine grüne Kokarde mit den in 
Silbkr gestickten Buchstaben „ROS“. 
Phot. Welt-r-reß-Photo, Wien. 
Demonstration in Wien für den Anschluß Westungarns an Deutsch-Österreich.
	        
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