Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/19. 
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Phot. A. Groß, Berlin. 
Phot. Photothek, Berlin. 
rungen das Deutsche Reich bringen mußten. Und doch 
waren trotzdem kurz nach Abschluß des Waffenstillstandes 
täglich Züge mit Tausenden von Gefangenen abgerollt, 
so daß die Zahl der letzteren Ende Dezember 1918 schon 
eine halbe Million überschritt. 
Schwierig war der Abtransport der Gefangenen aus 
den im Norden und Osten Deutschlands gelegenen La 
gern; besonders die Heimsendung der Kranken und Ver 
wundeten erwies sich auf dem Landwege als vorläufig 
unmöglich. Daher verstanden sich die Verbandsmüchte 
endlich dazu, hierfür den Seeweg zu benützen und für 
Kranke und Verwundete Transportschiffe, über die sie 
reichlich verfügten, nach Deutschland zu senden. Die 
Flußmündungen und Einfahrten waren von Minen ge- 
säubert worden; dem Einlaufen der Schiffe stand somit 
nichts mehr im Wege. Ein Teil der Schiffe fuhr nach Ham 
burg, von wo auch der deutsche Dampfer „Batavia" mit 
Gefangenen nach Frankreich abging. Die Engländer 
hatten ein besonders großes Schiff nach Stettin geschickt; 
es war der 9000 Tonnen große Dampfer „Formosa" der 
Peninsular and Oriental Line, der am 21. Dezember 1918 
als erstes englisches Handelschiff seit Kriegsbeginn einen 
deutschen Ostseehafen anlief. Er erschien aber nicht in dem 
schlichten Schwarz, in dein sonst die Dampfer dieser Gesell 
schaft die See befahren, sondern in „Kriegsbemalung", 
die er noch 
von den Zei 
ten des I/- 
Bootkrieges 
her trug. In 
unregel- 
mäßigenFel- 
dern und 
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ren Schiffs- 
rumpf und 
Aufbauten 
mit allen 
möglichen 
Farben be 
malt, und so 
konntenviele 
Deutsche 
zum ersten 
Male sehen, 
zu welcher 
Maskerade 
die 41-Boote 
die feind 
lichen Han 
delschiffe ge 
zwungen 
hatten. — An Bord des Dampfers befanden sich zahlreiche 
Arzte sowie Pflegerpersonal, da er in erster Linie zur Über 
führung Kranker bestimmt war; die Besatzung bildeten zum 
größten Teil Neger und Laskaren. Die Einschiffung der 
nach Stettin zusammengezogenen Engländer war in kurzer 
Zeit beendet, und die „Formosa" dampfte an Swinemünde 
vorbei heimwärts. 
Männer des Tages. 
»Hierzu die obenstehenden Bilder.» 
Einer alten Klage aller einsichtsvollen Kreise, besonders 
des Handels und der Industrie, sollte endlich abgeholfen 
werden durch die längst dringend notwendige Reform des 
deutschen auswärtigen Dienstes. Der neue Staatssekretär 
des Äußern, Graf v. Brockdorff-Rantzau (sieheBild Seite404), 
nahn: diese Angelegenheit kräftig in die Hand und gewann 
für den wichtigsten Teil, den wirtschaftlichen Auslands 
dienst, einen Mitarbeiter, dem der beste Ruf vorausging, 
nämlich den bisherigen Handelsattache der Gesandtschaft in 
Kopenhagen, Doktor Helmut Töpfer, der zum Unterstaats 
sekretär im Auswärtigen Amt ernannt wurde. Von Beruf 
ist er Chemiker und Jndustriekaufmann. Als solcher brachte 
er vor allem die notwendigen Fachkenntnisse mit; auch 
hatte er in Kopenhagen während des Krieges die reichste 
Möglichkeit, sich die erforderliche Praxis für sein ^außer 
ordentlich wichtiges Amt anzueignen. 
Er wurde im Jahre 1879 in Stettin geboren und pro 
movierte 1899 in Breslau auf Grund einer physikalisch 
chemischen Arbeit. — 
Zum Chef des Admiralstabs im Marineanrt wurde 
Konteradmiral Adolf v. Trotha berufen. Er trat am 16. April 
1886Zn den Marinedienst, wurde am 7. Mai 1910 Kapitän 
zur ^ee, später Flügeladjutant des Kaisers und befehligte 
eine Zeitlang die kaiserliche Jacht „Hohenzollern". Fast 
ständig auf der Marinestation der Ostsee tätig, erwarb er sich 
dort gediegene Fachkenntnisse und die allgemeine Wert 
schätzung jener, die mit ihm in nähere Berührung kamen. — 
Viel genannt wurde besonders in den ersten Tagen der 
Umwälzung der Vorsitzende des Marineausschusses in Berlin, 
Obermatrose Tost. Er war damals einer der Hauptführer 
der Berliner Matrosenbewegung und machte sich haupt 
sächlich bekannt durch seine Reden vor dem Reichstags- 
gebüude sowie beim Begräbnis der in: Kampf um das 
Marstallgebäude gefallenen Spartakusleute. 
Die Frau in der Nationalversammlung. 
Von Anna Blos, Mitglied der verfassunggebe,lden National 
versammlung. 
»Hierzu die Bilder Seite 451 Mitte und Seite 463.) 
In den ersten Tagen des Februars 1919 hat man, ich 
möchte fast sagen: endlich auch den Frauen das Mort 
in der Natio 
nalversamm 
lung gege 
ben. Sie ha 
ben ziemlich 
lange darauf 
warten müs 
sen. Die 
Hochflut der 
Spannung 
und Begei 
sterung war 
verrauscht, 
^o hat auch 
dasEintreteu 
der Frauen 
in die De 
batte nicht 
mehr das 
Aufsehen er 
regt, dasman 
vielleicht da 
von erwar 
tete. Es hat 
sichvollzogen 
wie das Ein 
treten der 
Frau in das Parlament überhaupt, das heißt mit solcher 
Selbstverständlichkeit, daß inan heute die vielen Einwände 
gegen die Beteiligung der Frau an der Politik, die man 
noch wenige Monate vorher hören konnte, kaum versteht. 
Allerdings, eines haben die Frauen, außer Frau Juchacz 
(siehe Bild Seite 463 oben), zu betonen vergessen. Man 
hat von verschiedenen Rednern die Meinung äußern hören, 
die Revolution wäre überflüssig gewesen. Das deutsche 
Volk hätte ja schon vorher alles erreicht, was es gewollt 
hätte. Die Frauen hatten vorher durchaus nichts erreicht. 
So demokratisch auch insbesondere die Regierung des 
Prinzen Max zu fein schien, an die Verwirklichung der 
demokratischen Forderung, die Gleichstellung der Geschlech 
ter, hat sie keineswegs gedacht. Das blieb der Revolution 
vorbehalten, die durchaus sozialistisch war und die deshalb 
auch sofort die alte sozialistische Forderung, den Frauen 
alle politischen Rechte einzuräumen, verwirklichte. 
Nun haben He Frauen das Wahlrecht und sind wähl 
bar. Von ihrer' Tätigkeit wird es abhängen, daß ihnen 
die politischen Rechte nie wieder entrissen werden. Dieser 
großen Verantwortung sind sich die weiblichen Ab 
geordneten wohl bewußt. Sie sind sich auch bewußt, 
daß sie in ihrer neuen Stellung ihr Frauentum nicht ver 
leugnen wollen und dürfen. Es berührt angenehm, daß 
keine durch ihr Außeres die Aufmerksamkeit auf sich zu 
lenken sucht, weder durch übertriebene Eleganz noch durch 
Vernachlässigung des Äußeren. Die einzige Frau, die aus 
dem Nahmen fällt, ist die den Unabhängigen ungehörige 
Phot. A. Groß, Berlin. 
Konteradmiral Adolf v. Trotha. 
Chef des Admiralstabs im Reichs 
marineamt. 
Legationsrat Dr. Töpfer, 
ein Stettiner Kaufmann, wurde als 
laufmännifcher Helfer ans dem Wirt 
schaftsleben für die Durchführung der 
Reform des deutschen Auslanddienstes 
zum Nnterstaatssekretär im Auswär 
tigen Amt ernannt. 
Tost, 
der neue Vorsitzende des Marineaus- 
schusses in Berlin.
	        
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