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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18.
Phot. £1:0= und FUlN-Älllt.
Transport einer angeschwemmten englischen Mine über den Strand von Helgoland.
Zufuhr von Getreide und Schlachtvieh. Lösliche Kalisalze,
die nun einmal nicht entbehrt werden können, sind aber in
größeren Mengen nur von uns zu beziehen.
Wir haben also drei unentbehrliche Elemente als Tausch
mittel,- in denr einen sind wir konkurrenzlos, in dem zweiten
haben wir mehr anzubieten als England, und in bezug auf
das dritte, die Kohle, kann England die gestiegenen Be
dürfnisse der europäischen Staaten nicht allein befriedigen.
In der Not des Krieges haben wir riesige Werke an
legen müssen, unr für unsere Sprengstoffabriken die nötigen
Mengen Salpetersäure (über Ammoniak als Zwischen
produkt) herzustellen. Diese Fabriken werden zur Friedens
arbeit frei; wir haben dann also neben dem Kali auch das
zweite unentbehrliche Düngemittel zu verkaufen: nämlich
Stickstoffdünger in Gestalt von Ammoniaksalzen und anderen
Stoffen. Bisher war der am meisten gebrauchte Stickstoff
dünger der Chilesalpeter. Ammonsulfat ist ihm gleichwertig,
auch wohl etwas billiger, und vor allem fällt der weite
Transport über See weg. Andere Stickstoffverbindungen,
die unsere Werke nach Friedenschluß in den Handel bringen
werden, sind dem Chilesalpeter sogar überlegen, da sie noch
stickstoffreicher sind. Wir werden in unseren neuen Werken
bald mehr Luftstickstoff in chemische Verbindungen zwingen,
als in der jährlichen Salpeterförderung Chiles enthalten ist.
Vor allen anderen Staaten haben wir da einen so bald nicht
einzuholenden Vorsprung. Der feindliche Ackerboden hat
die letzten Jahre den Stickstoff fast ebenso entbehren müssen
wie das Kali; denn was an Salpeter aus Chile hereinkam,
wanderte fast ganz in die Munitionsfabriken; die Erzeugung
von Ammonsulfat war gering und konnte die Bedürfnisse
der Landwirtschaft bei weitem nicht decken. — Auch an Teer
farbstoffen lagern in unseren großen Fabriken Vorräte zum
Verkauf; in diesem Zweige der chemischen Industrie sind wir
trotz der englischen, amerikanischen und französischen An
strengungen zunächst noch allen Konkurrenten überlegen.
Unser Vorsprung beruht auf einer besseren Vorbildung un
serer Chemiker, dem engeren Zusammenarbeiten von Wissen
schaft und Praxis; das läßt sich nicht so rasch einholen!
Unschädlichmachen angeschwemmter Minen
auf Helgoland.
(Hierzu die Bilder Sette 382—384.)
Das Bergen von Strandgut ist für die Küstenbevölkerung
meist eine Nebenbeschäftigung, der sich jung und alt gern
widmet. Die einträglichen
Zeiten sind allerdings
längst vorbei, in denen
die geborgenen Güter
Eigentum der glücklichen
Finder waren und in de
nen sich das Gebet: „Herr,
segne unseren Strand"
mehr auf das Anschwem
men von Strandgut als
auf den Fischfang be
zog. Heute sind überall
Strandvögte eingesetzt,
die das angeschwemmte
Gut in Verwahrung neh
men, und jeder, der sein
Eigentumsrecht nachwei
sen kann, bekommt sein
Hab und Gut oder den
Erlös dafür nach Erstat
tung der Bergungskosten
zurück. Während in Frie
denszeiten mitStrandgut
in der Regel nur nach
schweren Stürmen zu
rechnen war, hatte der
Seekrieg mit seinen täg
lichen Versenkungen von
Schiffen eine ungeheure
Menge solcher Güter ge
schaffen. Von der afri
kanischen Küste bis über
die Lofoten hinaus trie
ben täglich Schiffsgüter
an, Grubenholz, Schiffs-
inventar, Kisten mit teuren Stoffen, Fässer mit Wein,
Butter und tausend andere wertvolle Dinge. Täglich
brachten die Zeitungen der Küstengebiete darüber Mel
dungen, und wie vieles mag noch trotz Strandvogt heimlich
geborgen und verwertet worden sein.
Aber es war nicht alles willkommen, was die See an
den Strand warf. Zu Tausenden und aber Tausenden
waren Minen ausgelegt worden, besonders von den Eng
ländern in der Nordsee und vor dem Kanal, um den deutschen
I1-Booten das Handwerk zu legen. Ebbe und Flut sowie
die Meeresströmungen zerrten unablässig an ihren Anker
tauen, bis diese durchgescheuert waren. Dann gerieten die
mit 100 Kilogramm und mehr Schießbaumwolle und son
stigen gefährlichsten Sprengstoffen geladenen Höllen
maschinen ins Treiben, um schließlich irgendwo zum
Schrecken der Strandbewohner in der Nähe von deren
Behausungen zu landen. Allein an der holländischen Küste
trieben bis Ende November 1918 rund fünftausend Minen
an. Manches blühende Menschenleben wurde durch dieses
Strandgut vernichtet und manche Baulichkeit schwer be
schädigt, bis sich die Bevölkerung in sicherer Entfernung
hielt und sich geschulte Minenkommando der ungebetenen
Gäste annahmen. Sind die Minen erst in den Händen von
Fachleuten, so ist ihr Unschädlichmachen leicht. Ein Blick
genügt meist, um ihren inneren Bali zu erkennen, und
schnell ist durch Herausnehmen des Zünders die Gefahr
einer Erplosion beseitigt. Die Sprengladung kann ohne
Gefährdung von Menschenleben herausgenommen und
samt dem Minengefäß in Sicherheit- gebracht werden.
Dank einer guten Organisation hatte Deutschland nur we
nige Unglücksfälle durch angeschwemmte Minen zu ver
zeichnen, trotzdem sein Strand, besonders der von Helgoland,
reichlich mit angetriebenen Minen „gesegnet" war. Viele
als Zierstücke in Matrosengärten, Anlagen und Museen
aufgestellte Minengefäße feindlicher Herkunft zeugen in
ihrer äußeren Unversehrtheit von der Tätigkeit der deut
schen Minenfachleute.
Vergesellschaftung der Produktionsmittel.
Darüber zu berichten, was in der nächsten Zeit geschehen
wird, ist eine Unmöglichkeit. Das vermag niemand, und jede
Befragung an vermeintlich zuständigen Stellen wäre ver
geblich. Auch hier wird man sich kaum über die praktischen
Maßnahmen der nächsten Zeit im klaren sein. Es kann sich