Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
363 
Englischer Soldat auf Schneeschuhen befördert seine auf Schlitten verladene Ausrüstung im 
Norden Rußlands. 
kohle, die uns ja eigentlich nur allein zu Gesicht kommt, 
sondern auch die erheblich größere Kohlenmenge, die für 
das Verkehrsbedürfnis verbraucht wird, für die Beleuchtung 
der Straßen und schließlich für die Herstellung der mannig 
fachen Erzeugnisse, die wir täglich benötigen lind ver 
brauchen. 
Außerdem führte Deutschland im Jahre für rund 100 
Millionen Mark Lampenpetroleum, Automobilbenzin und 
Schmieröl ein, das heißt die drei hauptsächlichsten Destillate 
des Rohp^troleums. Der Ver 
brauch war hier in den letzten 
Friedensjahren ziemlich gleich 
bleibend, denn der Bedarf an 
Automobilbenzin stieg,während 
derjenige an Lampenpetroleum 
zurückging. 
Als der Krieg ausbrach, war 
Deutschland die PKroleumein- 
fuhr aus den Vereinigten Staa 
ten sofmt verschlossen, diejenige 
aus Rumänien gewissen Be- 
schräickungenunterworfen. Vor 
dem K iege bezog es etwa 80 
vom Hurdert seiner Rohpetro 
leumdestillate aus den Ver 
einigten Staaten, etwa 15 vom 
Hundert aus Rumänien und 
rund 5 vom Hundert aus Ga 
lizien. Die galizische Zufuhr 
war infolge des RZseneinfalles 
nicht ernstlich in Rechnung zu 
stellen, und so ergab sich sofort 
nach Kriegsausbruch eine gewisse.Petroleum- und Äenzin- 
knapphmt. Der Betrieb der Automobile und Flugzeuge 
stützte sich damals ausschließlich auf das Benzin, derjenige 
der 11-Boote war zum mindesten stark von ihm abhängig. 
Es war daher sofort bei Kriegsausbruch eine militärische 
Notwendigkeit, alle im Lande vorhandenen großen Ben 
zin- und Petroleumvorräte zu beschlagnahmen und für 
Heer und Marine zu sichern. 
Die Entwicklung des Krieges zu einem industriellen 
Kampfe zwang Deutschland zunächst dazu, seine Kohlen 
förderung in vollem Umfange aufrecht zu erhalten, nach 
Möglichkeit zu er 
höhen und die Aus 
beute belgischer 
und nordfranzösi 
scher Gruben mit 
zu Hilfe zu neh 
men. Es brauchte 
ja die Kohle drin 
gender als je, ein 
mal für den Be 
trieb der binnen 
Jahresfrist aus dem 
Boden gestampf 
ten Rüstungsindu 
strie, außerdem 
aber auch für dü 
chemischen Fabri 
ken. Denn die 
deutsche Chemie 
war inzwischen in 
emsiger Arbeit da 
zu gekommen, 
wertvolle Stick 
stoffverbindungen, 
wie Schwefelam 
monium und ben 
zinartige Treiböle, 
unmittelbar aus 
der Kohl - zu gewinnen. So kam es, daß sich die Kohlen 
vorräte allmählich verringerten und gegen Ende des Jahres 
1916 rine Kohlenknappheit ganz plötzlich und in erschrecken 
der W-ise auftrat. Als Beispiel mögen die Berliner Elek 
trizitätswerke genannt werden, die in normalen Zeiten 
immer einen Kohlenvorrat für etwa ein Vierteljahr hatten. 
In den Dezembertagen des Jahres 1914 war der Vorrat 
plötzlich so gering geworden, daß er nur noch 14 Tage aus 
reichte, und in den folgenden, durch den harten Winter 
besonders kritischen Wochen ging er gelegentlich so weit zu 
rück, daß er den Bedarf für nur 3 Tage deckte. Und wie hier 
bei dem größten Werke dieser Art ging es bei fast allen 
anderen Elcktrizitäts- und Gaswerken Deutschlands.' Das 
Ausbleiben eines einzigen Kohlenzuges konnte ganze Städte 
auf mehrere Tage verdunkeln. Die gleiche Erscheinung, 
die bei den Gas- und Elektrizitätswerken besonders auf 
fallend zutage trat, zeigte sich auch bei der Versorgung 
der eigentlichen Jndustriewerke und weiterhin bei der Ver 
sorgung mit Hausbrand. Die 
Kohlenkarte hielt ihren Einzug 
rmd schränkte den bisherigen 
Durchschnittsverbrauch um 30 
bis 50 vom Hundert ein. 
Die Ursachen di. ser Kohlen 
not sind zweifach. Einmal war 
der gesamte Kohlenbedarf et 
was über die tatsächliche För 
derung gestiegen. A.rdersZts 
begannen aber auch die Ver 
kehrsmittelzuversagen. Es mag 
hier nur erwähnt werden, daß 
bis tief in den März 1917 hin 
ein alle Wasserstraßen unbe 
nützbar waren, so daß die ganze 
Last der Kohlenversorgung auf 
den bereits überlast ten Eis.n- 
bahnen ruhte. Der Zustand bis 
zum Sommer 1917 wär so, 
daß bereits an und für sich zu 
wenig Kohlen gefördert wur 
den, daß aber selbst diese Kohlen 
nicht völlig abgefahren werden konnten, sondern sich auf 
den Zechen zu Bergen häuften. 
Der Sommer 1917 brachte eine vorübergehende Er 
leichterung. Man nahm die Wasserstraßen energisch zu 
Hilfe und suchte die Förderung durch weitestgehende Ein 
stellung von Arbeitskräften zu erhöhen. So verlief der 
an sich milde Winter von 1917/18 günstiger als der 
vorangegangene. Überdies begannen sich jetzt allmählich 
die Folgen der Eroberung Rumäniens nützlich zu zeigen. 
Auf ihrem Rückzüge im Sommer 1916 hatten die Eng 
länder dort die Petroleumquellen planmäßig zerstört. 
Man hatte tonnen 
weise allerlei sper 
rige Eisenstücke in 
die Rohre der Pe 
troleumbrunnen 
geworfen, darauf 
Dynamitpatronen 
gesetzt und Spren 
gungen vorgenom 
men, dann wieder 
ein Gemisch von 
Sand und Eisen 
dazugegeben und 
auf diese Weise die 
Quellen bis zur 
Brunnenmündung 
verstopft. Die Ver 
suche, diese zer 
störten Brunnen 
durch Ausspülen 
des Sandes und 
Herausholen des 
Eisenzeuges mit 
Hilfe von Elektro 
magneten wieder 
frei zu machen, 
schlugen größten 
teils fehl, so daß 
man sich schon im Spätsommer 1916 entschloß, an vielen 
Stellen neue Brunnen zu bohren. Diese Brunnen kamen 
von 1917 an allmählich in Betrieb; Deutschland konnte 
so den ins Ungeheure gestiegenen Bedarf seiner Luftge 
schwader und I1-Boote aus den rumänischen Quellen decken. 
So hatte sich im Laufe des Jahres 1918 ein einiger 
maßen fester Zustand entwickelt. Es fehlte natürlich überall, 
nicht nur an Brennstoffen, sondern auch an Ersatzstoffen, 
Verkehrsmitteln und Menschenkräften, aber es ging recht 
Engl scher Soldat in seiner für Nordrußland bestimmten Aus 
rüstung.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.