Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18.
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Englischer Soldat auf Schneeschuhen befördert seine auf Schlitten verladene Ausrüstung im
Norden Rußlands.
kohle, die uns ja eigentlich nur allein zu Gesicht kommt,
sondern auch die erheblich größere Kohlenmenge, die für
das Verkehrsbedürfnis verbraucht wird, für die Beleuchtung
der Straßen und schließlich für die Herstellung der mannig
fachen Erzeugnisse, die wir täglich benötigen lind ver
brauchen.
Außerdem führte Deutschland im Jahre für rund 100
Millionen Mark Lampenpetroleum, Automobilbenzin und
Schmieröl ein, das heißt die drei hauptsächlichsten Destillate
des Rohp^troleums. Der Ver
brauch war hier in den letzten
Friedensjahren ziemlich gleich
bleibend, denn der Bedarf an
Automobilbenzin stieg,während
derjenige an Lampenpetroleum
zurückging.
Als der Krieg ausbrach, war
Deutschland die PKroleumein-
fuhr aus den Vereinigten Staa
ten sofmt verschlossen, diejenige
aus Rumänien gewissen Be-
schräickungenunterworfen. Vor
dem K iege bezog es etwa 80
vom Hurdert seiner Rohpetro
leumdestillate aus den Ver
einigten Staaten, etwa 15 vom
Hundert aus Rumänien und
rund 5 vom Hundert aus Ga
lizien. Die galizische Zufuhr
war infolge des RZseneinfalles
nicht ernstlich in Rechnung zu
stellen, und so ergab sich sofort
nach Kriegsausbruch eine gewisse.Petroleum- und Äenzin-
knapphmt. Der Betrieb der Automobile und Flugzeuge
stützte sich damals ausschließlich auf das Benzin, derjenige
der 11-Boote war zum mindesten stark von ihm abhängig.
Es war daher sofort bei Kriegsausbruch eine militärische
Notwendigkeit, alle im Lande vorhandenen großen Ben
zin- und Petroleumvorräte zu beschlagnahmen und für
Heer und Marine zu sichern.
Die Entwicklung des Krieges zu einem industriellen
Kampfe zwang Deutschland zunächst dazu, seine Kohlen
förderung in vollem Umfange aufrecht zu erhalten, nach
Möglichkeit zu er
höhen und die Aus
beute belgischer
und nordfranzösi
scher Gruben mit
zu Hilfe zu neh
men. Es brauchte
ja die Kohle drin
gender als je, ein
mal für den Be
trieb der binnen
Jahresfrist aus dem
Boden gestampf
ten Rüstungsindu
strie, außerdem
aber auch für dü
chemischen Fabri
ken. Denn die
deutsche Chemie
war inzwischen in
emsiger Arbeit da
zu gekommen,
wertvolle Stick
stoffverbindungen,
wie Schwefelam
monium und ben
zinartige Treiböle,
unmittelbar aus
der Kohl - zu gewinnen. So kam es, daß sich die Kohlen
vorräte allmählich verringerten und gegen Ende des Jahres
1916 rine Kohlenknappheit ganz plötzlich und in erschrecken
der W-ise auftrat. Als Beispiel mögen die Berliner Elek
trizitätswerke genannt werden, die in normalen Zeiten
immer einen Kohlenvorrat für etwa ein Vierteljahr hatten.
In den Dezembertagen des Jahres 1914 war der Vorrat
plötzlich so gering geworden, daß er nur noch 14 Tage aus
reichte, und in den folgenden, durch den harten Winter
besonders kritischen Wochen ging er gelegentlich so weit zu
rück, daß er den Bedarf für nur 3 Tage deckte. Und wie hier
bei dem größten Werke dieser Art ging es bei fast allen
anderen Elcktrizitäts- und Gaswerken Deutschlands.' Das
Ausbleiben eines einzigen Kohlenzuges konnte ganze Städte
auf mehrere Tage verdunkeln. Die gleiche Erscheinung,
die bei den Gas- und Elektrizitätswerken besonders auf
fallend zutage trat, zeigte sich auch bei der Versorgung
der eigentlichen Jndustriewerke und weiterhin bei der Ver
sorgung mit Hausbrand. Die
Kohlenkarte hielt ihren Einzug
rmd schränkte den bisherigen
Durchschnittsverbrauch um 30
bis 50 vom Hundert ein.
Die Ursachen di. ser Kohlen
not sind zweifach. Einmal war
der gesamte Kohlenbedarf et
was über die tatsächliche För
derung gestiegen. A.rdersZts
begannen aber auch die Ver
kehrsmittelzuversagen. Es mag
hier nur erwähnt werden, daß
bis tief in den März 1917 hin
ein alle Wasserstraßen unbe
nützbar waren, so daß die ganze
Last der Kohlenversorgung auf
den bereits überlast ten Eis.n-
bahnen ruhte. Der Zustand bis
zum Sommer 1917 wär so,
daß bereits an und für sich zu
wenig Kohlen gefördert wur
den, daß aber selbst diese Kohlen
nicht völlig abgefahren werden konnten, sondern sich auf
den Zechen zu Bergen häuften.
Der Sommer 1917 brachte eine vorübergehende Er
leichterung. Man nahm die Wasserstraßen energisch zu
Hilfe und suchte die Förderung durch weitestgehende Ein
stellung von Arbeitskräften zu erhöhen. So verlief der
an sich milde Winter von 1917/18 günstiger als der
vorangegangene. Überdies begannen sich jetzt allmählich
die Folgen der Eroberung Rumäniens nützlich zu zeigen.
Auf ihrem Rückzüge im Sommer 1916 hatten die Eng
länder dort die Petroleumquellen planmäßig zerstört.
Man hatte tonnen
weise allerlei sper
rige Eisenstücke in
die Rohre der Pe
troleumbrunnen
geworfen, darauf
Dynamitpatronen
gesetzt und Spren
gungen vorgenom
men, dann wieder
ein Gemisch von
Sand und Eisen
dazugegeben und
auf diese Weise die
Quellen bis zur
Brunnenmündung
verstopft. Die Ver
suche, diese zer
störten Brunnen
durch Ausspülen
des Sandes und
Herausholen des
Eisenzeuges mit
Hilfe von Elektro
magneten wieder
frei zu machen,
schlugen größten
teils fehl, so daß
man sich schon im Spätsommer 1916 entschloß, an vielen
Stellen neue Brunnen zu bohren. Diese Brunnen kamen
von 1917 an allmählich in Betrieb; Deutschland konnte
so den ins Ungeheure gestiegenen Bedarf seiner Luftge
schwader und I1-Boote aus den rumänischen Quellen decken.
So hatte sich im Laufe des Jahres 1918 ein einiger
maßen fester Zustand entwickelt. Es fehlte natürlich überall,
nicht nur an Brennstoffen, sondern auch an Ersatzstoffen,
Verkehrsmitteln und Menschenkräften, aber es ging recht
Engl scher Soldat in seiner für Nordrußland bestimmten Aus
rüstung.