Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
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umfangreichen Zusammenstößen. Die Deutschen bauten 
in der Erwartung des Waffenstillstandes rasch ab. Am 
8. November räumten sie in Flandern das Westufer der 
Schelde ganz durch Preisgabe der auf diesem Ufer ge 
legenen Teile von Tournai. Zwischen Schelde und Oise 
sowie westlich von der Maas (siehe die Kunstbeilage und die 
Bilder Seite 321 und 329) zogen die Deutschen ebenfalls 
ab, wobei sich an vielen Punkten heftige Nachhutkämpfe 
entwickelten. Der Feind erreichte in diesen Abschnitten die 
Linie Peruwelz—St.-Ehislain—Maubeuge—Avesnes und 
rückte gegen die Linie Liart—Warby—Sedan vor. Die Rück 
zugsbewegungen stützten sich im Süden auf die östlichen 
Maashöhen und die Woöorefront (siehe Bild Seite 326). 
Die Amerikaner unternahmen hier starke Angriffe, um den 
Deutschen den Abmarsch im Norden zu erschweren. Das 
gelang ihnen an diesem Tage ebensowenig wie am 9. No 
vember, der die Fortsetzung des Rückzuges brachte, wodurch 
den Feinden unter anderem der Weg nach Maubeuge und 
Sedan geöffnet wurde. Tags darauf zeichneten sich das 
brandenburgische Reserve-Infanterieregiment Nr. 207 unter 
dem Oberstleutnant Hennigs und Teile der 192. sächsischen 
Infanteriedivision unter Oberstleutnant v. Ze schau, der das 
Infanterieregiment Nr. 183 führte, aus. Sie hielten den 
Anstürmen der Amerikaner stand und bereiteten ihnen auch 
durch Gegenstöße außerordentliche Schwierigkeiten (siehe 
Bild Seite 327). Der letzte Bericht des deutschen EroßM 
Hauptquartiers vom 11. November, der diese Kunde 
brachte, endete mit der Nachricht: „Infolge der Unterzeich 
nung des Waffenstillstandsvertrages wurden heute Mittag 
an allen Fronten die Feindseligkeiten eingestellt." 
Das war eine Mitteilung, die vom deutschen Volke 
längst heiß ersehnt worden war, rmd doch prompte sie sitzt 
tiefste Niedergeschlagenheit. Die Waffenstillstandsbedin- 
gungen übertrafen an Härte alle Vorstellungen und Erwar 
tungen. Sie lauteten im Auszug wie folgt: 
1. Inkrafttreten sechs Stunden nach Unterzeichnung. 
2. Sofortige Räumung von Belgien, Frankreich, Elsaß- 
Lothringen binnen vierzehn Tagen. Was an Truppen noch 
zu dieser Zeit übrig bleibt, wird interniert oder kriegs 
gefangen. 
3. Abzugeben sind 6000 Kanonen, zunächst schwere, 
30 000 Maschinengewehre, 3000 Minenwerfer, 2000 Flug 
zeuge. 
4. Räumung des linken Rheinufers; Mainz, Koblenz 
rmd Köln werden auf einen Radius von 30 Kilometern Tiefe 
vom Feinde besetzt. 
5. Auf dem rechten Rheinufer sind 30 bis 40 Kilometer 
Tiefe neutrale Zone. Räumung in elf Tagen. 
6. Auf dem linken Rheinufergebiet darf'nichts hinweg 
geführt werden; alle 
Fabriken, Eisenbah 
nen und so weiter 
müssen intakt bleiben. 
7. 5000 Lokomo 
tiven, 150 000 Wag 
gons , 10 000 Kraft 
wagensind abzugeben. 
8. Unterhaltung 
der feindlichen Be 
satzungstruppen durch 
Deutschland. 
9. Im Osten sind 
alle Truppen hinter 
die Grenze vom 1. Au 
gust 1914 zurückzuneh 
men. Ein Termin da 
für ist nicht ange 
geben. 
10. Verzicht auf 
die Verträge von 
Brest-Litowsk und 
Bukarest. 
11. Bedingungs 
lose Kapitulation von 
Ostafrika. 
12. Rückgabe des 
Bestandes der Bel 
gischen Bank, des rus 
sischen und rumäni 
schen Goldes. 
13. Rückgabe der Kriegsgefangenen ohne Gegenseitigkeit. 
14. Abgabe von 100 Unterseebooten, 8 leichten Kreuzern 
und 6 Dreadnoughts. Die übrigen Schiffe werden inter 
niert und überwacht von Alliierten in neutralen oder alliierten 
Häfen. 
15. Sicherung der freien Durchfahrt durch das Kattegatt. 
Wrgräumung der Minenfelder und Besetzung aller Forfs 
und Batterien, von denen aus diese Durchfahrt behindert 
werden könnte. 
16. Die Blockade bleibt bestehen. Deutsche Schiffe 
dürfen weiter gekapert werden. 
17. Alle von Deutschland für die Neutralen verhängten 
Beschränkungen der Schiffahrt werden aufgehoben. 
18. Der Waffenstillstand dauert dreißig Tage. 
Diese Bedingungen waren maßlos und in vielen Punkten 
technisch undurchführbar. Trotzdem blieb dem deutschen 
Rat der Volksbeauftragten nichts anderes übrig, als sie an 
zunehmen. Aber unmittelbar nach Annahme der Bedin 
gungen richtete die deutsche Regierung eine Note an den 
Staatssekretär Lansing, um eine Milderung der ungeheuer 
lichen Bestimmungen zu erreichen. In dieser Note hieß es: 
„Herr Staatssekretär! Überzeugt von der Gemeinsam 
keit der demokratischen Ziele und Ideale, hat sich die deutsche 
Regierung an den Herrn Präsidenten der Vereinigten 
.Staaten mit der Bitte gewandt, den Frieden wieder herzu 
stellen. Dieser Friede sollte den Grundsätzen entsprechen, 
zu denen Präsident Wilson sich stets bekannt hat. Er sollte 
eine gerechte Lösung aller streitigen Fragen und eine dau 
ernde Versöhnung der Völker zum Zweck haben. Der Prä 
sident hat ferner erklärt, daß er nicht mit dem deutschen Volk 
Krieg führen und es in seiner friedlichen Entwicklung nicht 
behindern wolle. 
Die deutsche Regierung hat die Bedingungen für den 
Waffenstillstand erhalten. 
Nach einer Blockade von fünfzig Monaten würden diese 
Bedingungen, insbesondere die Abnahme der Verkehrs 
mittel und die Unterhaltung der Besatzungstruppen bei 
gleichzeitiger Fortdauer der Blockade die Ernährungslage 
Deutschlands zu einer verzweifelten gestalten und den 
Hungertod von Millionen Männern, Frauen und Kindern 
bedeuten. 
Wir mußten die Bedingungen annehmen. Wir machen 
aber den Präsidenten Wilson feierlichst und ernst darauf 
aufmerksam, daß die Durchführung der Bedingungen im 
deutschen Volk das Gegenteil der Gesinnung erzeugen muß, 
die eine Voraussetzung für den Neuaufbau der Völker 
gemeinschaft bildet und einen dauerhaften Rechtsfrieden 
verbürgt. 
Die deutsche Regierung wendet sich daher in letzter 
Die neue württernbergische Regierung. 
Bon links: Baumann, vr. Lindemann, BloS, Kiene, Heymann, Liesching, Crispien.
	        
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