Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/18 
iKortsetzung.l 
Bedeutsame Auftlärungen über die Ursachen der deut 
schen Revolution enthielt eine Flugschrift des früheren 
Reichskanzlers Prinzen Mar von Baden, in der er den Miß 
erfolg aller politischen Unternehmungen der deutschen Re 
gierung seit seinem Amtsantritt damit begründete, daß das 
Waffenstillstandsangebot bereits vorlag, als er 511V Über 
nahme der Kanzlergeschäfte in Berlin eintraf. Damals 
betrachtete er es als einen großen Fehler, den ersten Schritt 
der neuen Regierung in die Öffentlichkeit mit einer Kund 
gebung zu unternehmen, die einen: Eingeständnis der 
Schwäche gleichkam. Das deutsche Volk baute noch auf 
seine militärische Kraft und die Feinde schätzten die militäri 
sche Lage Deutschlands durchaus noch nicht als hoffnungslos 
ein. Anders als die Feinde dachte aber nach der Darstellung 
des Prinzen Mar die deutsche Heeresleitung. Ludendorff 
und seine Umgebung erklärten, die Durchführung der Ab 
sicht des Kanzlers, erst einmal ein Kriegszielprogramm auf 
zustellen, das die Übereinstimmung mxi den Wilsonschen 
Grundsätzen und Deutschlands Bereitwilligkeit, diesen Grund 
sätzen auch schwere nationale Opfer zu bringen, deutlich 
machen sollte, für unmöglich, da mit Rücksicht auf die mili 
tärische Lage unter allen Umständen innerhalb vierund 
zwanzig Stunden ein Waffenstillstandsangebot mit den: 
Ziel eines raschen Friedens gemacht werden müsse. So 
war die Auffassung der deutschen Führer am 1. Oktober. 
Bereits eine Woche später erklärten dieselben Führer, daß 
sie die Verhältnisse an der Front falsch beurteilt und vor 
allem die Widerstandskraft der deutschen Soldaten unter 
schätzt hätten. Diese Einsicht kam aber zu spät; die eingelei 
teten Schritte konnten nicht mehr rückgängig gemacht werden. 
Wilson wurde deutlicher mit seinen Hinweisen auf die Ab 
dankung der Hohenzollern, und in Kiel schien sich der Bürger 
krieg anzubahnen. Auch in Deutschland forderte man die 
Abdankung des Kaisers. Da entschloß sich Prinz Mar zu 
raschem Vorgehen. Er reiste ins Hauptquartier, um den 
Kaiser zu einer Entscheidung zu bewegen. Doch die Er 
eignisse waren nicht mehr aufzuhalten. Um die Leitung der 
Massen in der Hand zu behalten, traten die Arbeiterführer 
schon am 9. November aus der Regierung aus, wodurch 
der Lauf der Dinge eine Beschleunigung erfuhr. 
Die Umwälzung vollzog sich in ganz Deutschland in 
ziemlich gemäßigten Formen. Die Berliner Arbeiter, die an: 
9. November vormittags in die innere Stadt zogen, waren 
freilich auf Widerstand gefaßt. Außer roten Fahnen trugen 
sie auch weiße Plakate, auf denen zu lesen stand: „Brüder! 
Nicht schießen!" Die Besorgnis vor den feldgrauen „Brü 
dern" schwand auch nicht sogleich, als sich zu den Arbeitern 
Soldaten gesellten. Der Oberkommandierende in den 
Marken, General r. Linsingen, hatte umfassende Maß 
nahmen zur Niederhaltung eines Aufstandes getroffen. 
In den Kellern des Schlosses lagen zweitausend Schutz 
männer in Bereitschaft. In den Straßen Berlins zeigten 
sich solche überall in Gesellschaft von starken Militärstreis 
truppen. 
Doch das Militär machte mit den Arbeitern gemeinsame 
Sache. Die erste Truppe, die sich von der alten Ordnung 
abwandte, waren die Lübbener Jäger, die, viertausend Mann 
stark, mit Panzerwagen und Maschinengewehren als Schutz 
in die Hauptstadt gezogen worden waren. Während die 
Arbeiter in musterhafter Ordnung dem Mittelpunkte der 
Stadt immer näher kamen, fuhren Feldgraue auf Kraft- 
wagen mH fliegenden roten Fahnen und Maschinengewehren 
IX. Band. 
Stenay. Im Vordergrund das Gebäude, in dem sich das Oberkommando der deutschen V. Armee befand. 
Nach einer an Ort und Stelle gefertigten Zeichnung des Kriegsmalers H. Vollbehr. 
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