Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
zeuge, die jetzt für Bombardierungsflüge weit hinter die 
Front eingesetzt wurden, hatten eine beträchtliche Grütze 
und Länge und konnten daher auch eine reichliche Be 
waffnung, bestehend in Maschinengewehren, zürn Selbst 
schutz gegen Luftangriffe mitnehmen. Außerdem hatten 
sie zwei und mehr Motoren, die für jede Antriebskraft 
einen besonderen Maschinenwärter erforderten. Die Tei 
lung der Kraft in verschiedene Quellen bot den Vorteil, 
daß beim Stillstand eines Motors das Flugzeug durch ge 
schickte Steuerung noch mit dem anderen laufenden Motor 
das Heimatgebiet wieder erreichen konnte. 
Der Bau dieser Riesen-Flugzeuge ist natürlich eine sehr 
kostspielige und vor allem schwierige Angelegenheit, die 
nur durch das Zusammenfassen bester Kräfte in Kon 
struktion und Ausführung zu lösen ist. Vor allem müssen 
diese Riesen-Flugzeuge die denkbar beste Flugsicherheit bieten, 
denn alle diese Maschinen werden nur nachts zum Fluge 
angesetzt, da sie tagsüber bei der heute sehr vervollkommneten 
Luftabwehr eine leichte Beute der Flugabwehrkanonen 
werden würden. 
Auch der Feind hat sich im Bau solcher Bombenflug 
zeuge versucht, und unter diesen sind die englischen „Handley- 
Paae", die etwa den deutschen Gotha-Riesen-Flugzeugen 
entsprechen (3 Mann Besatzung, 8 bis 10 Zentner Nutz 
last), und die italienischen „Caproni" mit drei Motoren 
bemerkenswert. Auch die Franzosen hatten in den Typen 
„Caudron" und „Breguet" über das Normalmatz hinaus 
gehende Maschinen gebaut. Doch sind alle diese Arten 
bei einer gewissen Grütze stehen geblieben, während Deutsch 
land das Riesen-Flugzeug in einer Weise weiter ausbaute, 
datz es die Maschinen der Feinde weit überholte. Noch 
kann Näheres über diese „Walfische der Luft" nicht gesagt 
werden, aber ihre Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit steht 
außer allem Zweifel. Und wenn auch der Feind trium 
phierend den Abschuh einiger solcher Flugzeuge gemel 
det hat, so sind sie ihm doch nur als Trümmer in die 
Hände gefallen, und er konnte aus ihnen nicht viel mehr 
als ein notdürftiges Bild des äuheren Eindruckes erhalten. 
Unter diesem Gesichtspunkt ist auch das auf Seite 283 ver 
öffentlichte Bild anzusehen, das zwar dem Laien einen un 
gefähren Begriff von dem neuen deutschen Riesen-Flugzeug 
vermittelt, in vielen Angaben aber ungenau oder falsch ist. 
Die englische Zeitung, der dieses Bild entnommen ist, 
hatte natürlich kein Interesse daran, die Unvollkommenheit 
dieser Darstellung ihren Lesern einzugestehen. 
Der Fliegerüberfall auf das österreichisch 
ungarische Hospitalschiff »Baron Gall". 
Von Kriegsberichterstatter Walter Oertel. 
<Hlerzu das Bild Sette 285.) 
Nahe der Küste liegt das Hospitalschiff „Baron Eall" 
vor Anker. Hoch vom Maste flattert die Fahne mit dem 
Roten Kreuz, auch der Bug ist auf beiden Seiten hell- 
leuchtend weih angestrichen und trägt in der Mitte das 
gleiche Abzeichen christlicher Barmherzigkeit, vor dem früher 
die Kriegführung der Kulturvölker haltmachte. Früher — : 
denn heute nehmen die Bundesbrüder des Verbands, die 
vorgeben, für die Befreiung der Völker und für die Ideale 
der Menschheit zu kämpfen, keine Rücksicht mehr auf den 
alten Grundsatz, datz der verwundete und am Boden 
liegende Gegner nicht mehr bekämpft werden soll. „Schlage 
nie einen Feind, wenn er am Boden liegt," das war einst 
die Regel für die englischen Legionen, die in Spanien 
fochten. Und heute, wo sich die Engländer brüsten, an 
Stelle der Söldner ein Volksheer im Felde stehen zu haben, 
da ist dieser alte, vornehme Grundsatz weggewischt aus dem 
Gedächtnis. 
Auf dem „Baron Gall" liegen die Verwundeten. Die 
reine Seeluft kühlt ihre fiebernden Stirnen, weitzgekleidete 
Schwestern und Arzte leisten ihnen Hilfe und Beistand. 
Sie sind unantastbar, denn jedem kultivierten Gegner ist 
das Abzeichen mit dem Roten Kreuz heilig. Da hört man 
das Surren von Motoren, und hoch am Himmel taucht ein 
feindliches Fliegergeschwader auf, das zum Angriff heran 
braust. Ruhig blicken die Mannschaften, die Arzte und das 
Pflegepersonal, die sich in diesem Augenblick auf Deck be 
finden, gen Himmel, auch einige leichter Verwundete 
richten aus ihren Liegestühlen ihre Blicke auf den Feind. 
Kein Gedanke an Gefahr kommt in ihnen auf, denn weithin 
schimmert die Flagge mit dem Roten Kreuz, der Gegner 
mutz sie unbedingt erkennen und achten. Jetzt sind die 
Flieger heran, schon ist der erste über dem Hospitalschiff. 
Da löst sich plötzlich von dem Flugzeug eine Bombe, ein 
Zischen — und krachend schlägt hart neben dem Lazarett 
schiff eine Bombe auf den Wasserspiegel, gewaltige Wasser 
säulen emporreitzend. Da, noch eine, mitten auf das Deck 
ist sie gefallen. Ein fürchterlicher Krach, umherspritzende 
Splitter, wimmernde Verwundete und zerfetzte Menschen 
körper. In aller Eile wird am Schornstein noch eine 
mächtige Rotekreuzflagge hochgezogen. Die mutz der Feind 
doch sehen. Aber er will nicht erkennen, datz er es nicht 
mit einem Kriegschiff oder wenigstens Handelschiff, sondern 
mit einem Fahrzeug voll menschlichen Elends zu tun hat. 
Bombe auf Bombe saust hernieder, und leider sind auch 
manche Treffer dabei. Das Deck wird durchschlagen, in 
den Lazarettsälen erleiden die Verwundeten neue Ver 
letzungen, manche auch einen raschen Soldatentod. Auch 
unter den Ärzten und dem Pflegepersonal, das treu seinen 
Pflegebefohlenen zur Seite geblieben ist, sucht sich der Tod 
seine Opfer. 
Keine Gegenwehr erfolgt,- ein Hospitalschiff ist ja nicht 
zum Kämpfen eingerichtet. In aller Ruhe können die 
feindlichen Flieger ihr Zerstörungswerk ausüben, eine 
Heldentat, die jedem Völkerrecht und anständiger Ge 
sinnung hohnspricht. 
Dann rauschen sie wieder stolz von dannen; das ganze 
Geschwader kehrt ohne Verluste in den Heimathafen zurück. 
Kein Wunder, denn der Feind» den sie bekämpft haben, 
war ja kein Feind, es war nur das Abzeichen christlicher 
Nächstenliebe — das Rote Kreuz. 
Finnlands wiLtschaftspolitische Ver 
hältnisse. 
Von vr. Richard Pohle, Berlin. 
iHierzu die Bilder Seite 286 und 287.) 
Finnland ist ein nordisches Reich, dessen südliche Ränder 
den 60. Grad nördlicher Breite gerade erst berühren. Trotzdem 
erscheint die Lage des Landes insofern sehr günstig, als ein 
großer Teil seiner Fläche in Form eines Dreiecks tief in die 
Ostsee hineinragt, d. h. indem er vom Finnischen und Bott 
nischen Meerbusen umspült wird. Dadurch ergibt sich 
eine lange Küstenlinie, die infolge zahlreicher Buchten und 
vorgelagerter Felseninseln (Schären) viele Häfen aufzuweisen 
hat. Die Finnländer sind darum auch gute Seefahrer ge 
worden, was sich mit Zahlen belegen läßt; im Jahre 1913 
zählte Finnlands Handelsflotte 4201 Schiffe von 426 307 
Tonnen Gehalt. 
.An Wasser fehlt es dem Innern des Landes gleichfalls 
nicht. Mehr als.elf v. H. der Fläche werden von Seen 
eingenommen, deren Zahl Legion ist. Wem wäre Finnland 
nicht als das „Land der tausend Seen" bekannt! Diese Land 
seen bilden durch ihre Anordnung in langen Reihen mehr 
fach natürliche Verkehrstratzen von großer wirtschaftlicher 
Bedeutung, die ein eigenes Lotsen- und Leuchtturmwesen 
besitzen, während die Flüsse Finnlands als Schiffahrtswege 
kaum in Betracht kommen, da sie zu viele Stromschnellen 
und Wasserfälle ihr eigen nennen. Aber gerade diese 
schäumenden und tosenden Naturelemente bergen ungeheure 
Kräfte in sich, und in ihnen liegt ein Teil der Zukunstswerte 
des Landes noch ungehoben da. Es sind das die „weißen 
Kohlen", deren Betrag auf rund drei- Millionen Pferde 
kräfte berechnet ist, von denen bisher noch nicht fünf v. H. 
ausgenutzt wurden. 
Die karge Natur des an landschaftlichen Schönheiten so 
reichen Landes ist beinahe sprichwörtlich geworden. Fels 
und Gestein berührt der Fuß des Wanderers in Finnland 
tatsächlich auf Schritt und Tritt. Dieser Boden steht in 
dessen noch zu mehr als 57 v. H. unter Wald, und zwar 
unter meist sehr wertvollem, weil langsam und regelmäßig 
heranwachsendem Nadelwald. Deshalb gehört Finnland 
schon durch seine Lage von Natur zu den holzausführenden 
Ländern des Nordens, deshalb sind auch an den Küsten 
plätzen die großen Sägemühlen, im Innern an den Strom 
schnellen und Wasserfällen die Papierfabriken gelegen. 
Wasserkräfte und Wald ergeben die so wichtige Ausfuhr 
möglichkeit des Landes für Holz und Holzprodukte aller 
Art, deren Wert im Zeitraum 1890—1913 von 45 Mil 
lionen Finnische Mark auf 307,4 Millionen F. Mark gestie-
	        
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