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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18.
verdankten die Deutschen nicht zuletzt auch der ausgezeich
neten Mitwirkung ihrer Flieger und Flugabwehrstreit
kräfte. Ebenso wie die Feinde im Landkriege mit einer
überwältigenden Überzahl technischer Kampfmittel auf
traten, hatten sie auch ihre Luftflotte stark vermehrt. Jede
Kampfhandlung wurde von ganzen Luftbataillonen be
gleitet. In den gewaltigen Luftschlachten mit der riesigen
Überzahl der Feinde stellten die deutschen Flieger aber
immer ihren Mann. Durch Angriff mit Maschinengewehren
und Wurfminen auf dem Schlachtfelde, durch Bomben
angriffe auf alle militärisch wichtigen Punkte
hinter der feindlichen Front und durch
kühne Angriffe auf die feindlichen Flieger
geschwader unterstützten die deutschen Flug
streitkräfte so erfolgreich wie nur je die
Artillerie und die Infanterie, die den
Kampf mit den mächtigen Feindesscharen
mutig aufnahmen.
Die Beuteziffern vom September über
schritten noch die vom Monat August.
Die Deutschen schossen im September an
der Westfront 773 Flugzeuge, davon 125
durch Abwehrkanonen, und 95 Fesselbal
lone ab. Von den vernichteten Flugzeu- -
en erbeuteten die Deutschen 450. Diese
elbst verloren bei den großen Zusammen
stößen in der Luft nur 107 Flugzeuge, ein
Beweis von der unleugbaren Überlegenheit
der deutschen Flieger in der Anwendung
ihrer Waffe. —
Während der Kümpfe an der deutschen
Westfront waren die Italiener untätig
geblieben, obwohl man in Frankreich eine
Unterstützung der Kriegshandlungen durch ein Vorgehen
gegen die österreichisch-ungarischen Linien forderte. Die
Italiener jubelten zwar über den offenbaren Verfall der
Donaumonarchie und hätten gern deren mißliche innere
Lage ausgenützt, doch fühlten sie sich dazu nicht kräftig
genug. Erst am 11. Oktober unternahmen sie gemeinschaft
lich mit Franzosen auf der Hochfläche der sieben Gemeinden,
zwischen Assatal und Monte di Val Bella, einen Angriff.
Ein Vorstoß gegen Asiago scheiterte bereits im Abwehr
feuer der t u. k. Truppen, auf dem Berg Sisemol dagegen
drangen die Angreifer in die Gräben der Verteidiger ein.
Doch da erschienen die Ba
taillonsreserven der Öster
reicher und Ungarn und trie
ben die Eindringlinge unter
schweren Verlusten für diese
aus den Stellungen wieder
heraus. Auch auf dem Ost-
teil der Hochfläche erwehrten
sich die Verteidiger durch
Abwehrfeuer oder im Nah
kampf und durch Gegenstoß
des Feindes, dank dem
Opfermut von Truppen
aller österreichisch - unga
rischen Gaue.
Die im österreichisch
ungarischen Heeresbericht
hervorgehobene Einmütig-
MMr - rB|r . .. 1WBllfflsr keit der Front im Angesicht
Phot. Äouer. des Feindes, der nach die-
semMißerfolge wieder Ruhe
hielt, bestand aber nicht
mehr in der Heimat selbst
einen raschen Lauf; die Zer-
war nicht mehr aufzuhalten.
Der ehemalige
Präsident Graf
31. Oktober 1918 ermordet).
Dort nahmen die Ereignisse
setzung der Donaumonarchie
Kaiser Kart versuchte zwar auf Anraten seiner Regierung,
unter Leitung des Ministerpräsidenten Freiherrn v. Hussarek
(siehe nebenstehendes Bild) und ihm ergebener Politiker einen
Bundesstaat Österreich-Ungarn zu errichten. In diesem soll
ten Tschechen und Südslawen, Ungarn und Ostgalizien, das
in Form eines ukrainischen Kaiserreiches Halicz weiter be
stehen sollte, während den Polen Westgaliziens völlige
Handlungsfreiheit über ihre Zukunft, die sie an der Seite
Österreichs oder des neuen Polens suchen konnten, zugebil
ligt wurde, an Unabhängigkeit grenzende Rechte erhalten
und nur durch Personalunion unter Wahrung der außen
politischen wirtschaftlichen und militärischen Einheitslinie
verbunden sein. Diese einmal von allen Völkern der
Donaumonarchie angestrebte Lösung galt aber setzt schon
als völlig überholt, was durch die weitestgehende Anerken
nung der Förderungen der Tschecho-Slowakenundder Süd
slawen in der Antwort des Präsidenten Wilson vom 19 Ok
tober auf die Rote Österreich-Ungarns vom 4. Oktober
nachdrücklich unterstützt wurde.
Das bedeutete für Österreich-Ungarn
die Umgestaltung nach dem Diktat der
Verbandsmächte, also die Aufteilung Un
garns, die tschecho- slowakische Republik,
den Vereinigten Südslawischen Staat und
in weiterer Folge den Deutsch-Österreichi
schen Staat, der zunächst die unbestritte
nen Gebiete, also Niederösterreich, Ober
österreich, Kärnten, Nordsteiermark, Salz
burg und Deutsch-Tirol umfassen, wäh
rend die deutsch-böhmischen Gebiete, wenn
auch nicht sofort, ihren Anschluß an den
Nächstliegenden deutschen Staat suchen soll
ten. Deutsch-Böhmen ist zum überwiegen
den Teil geschlossenes deutsches Sprachge
biet. Von Trautenau bis zum Riesengebirge •
und nach Westen bis an die bayrische Grenze
erstreckt sich das deutsche Nordböhmen,
dessen wirtschaftlicher Mittelpunkt Aussig,
dessen politischer Teplitz ist. Im Böhmer-
wald leben die Deutschen geschlossen und
in unmittelbarem Zusammenhang mit den
von Elsaß. Bayern, doch hat dieser Landesteil keine
Lothringen. unmittelbare Bahnverbindung mit dem
Norden. Im Süden aber schließt sich dieser
Teil unmittelbar an Deutsch-Österreich an, kann also mit ihm
gemeinschaftlich leben. Die Zahl der Deutschen beträgt
in Böhmen rund 2 160000, in Mähren 664000, in Öster-
reichisch-Schlesien 282000, die Zahl der Tschechen dagegen
3644000, 1599000 und 130000 (siehe die Karte Seite 262).
Selbst die Ungarn wollten nicht nur los von Österreich,
sondern strebten auch nach einem Sonderfrieden und
dachten nicht mehr an die unbedingte Aufrechterhaltung des
Bündnisses mit Deutschland. Aus dem Munde ungarischer
Abgeordneter fiel das Wort: „Ja, wir sind Freunde der
Westmächte und Feinde Deutschlands." Wie rasch vergessen
war die treue Waffenhilfe der Deutschen in den Karpathen
im Jahre 1915, wo sie mit
ihren Leibern einen Schutz-
wall aufgerichtet hatten, um
den Russen den Weg nach
Ungarn erfolgreich zu ver
legen. Wie rasch vergessen
war die aufopferungsvolle
Verteidigung österreichisch-
ungarischen Landes durch die
Helden Linsingens, die die
Russenflut zum Stehen bräch
ten, nachdem k. und k. Sol
daten, voran die Tschechen,
zu Hunderttausenden zu den
Russen übergelaufen waren
und Brussilow Raum für
seine Heereshaufen gewährt
hatten. Wie rasch vergessen
war der deutsche Sturmstoß
vom Herbst 1917, der die
Österreicher und Ungarn der
Sorge um einen Einbruch der
Italiener enthob. Der ehe
malige Pkinisterpräsident Tisza (siehe nebenstehendes Bild),
der vock j her der zuverlässigste Vertreter des Bündnisses
mit Deutschland gewes n war, nahm keinen Anstand, den
Krieg öffentlich als „verloren" zu bezeichnen, den Krieg,
der Ungarn mit deutscher Unterstützung einen beträchtlichen
Gebietszuwachs an seiner rumänischen Grenze gebracht hatte.
Die Selbstsucht der Ungarn ging so weit, die Österreicher durch
Vorenthaltung der Nahrungsmittelzufuhren aus ihrem rei
chen, dank deutscher Hilfe von keinerlei Kriegsgefahr mehr be
drohten Lande einer Hungersnot auszusetzen. — «Forts, folgt.)
Der österreichische Minister
präsident Freiherr Hussarek
v. Heinlein.