Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
folgte der Durchbruch durch die englische Front, dessen 
Vorbereitung von den feindlichen Fliegern dank der ge 
schickten deutschen Maßnahmen und der wirksamen Tätig 
keit deutscher Jagdstaffeln nicht bemerkt worden war. Am 
18. April 1918 äußerte die französische Zeitung „Figaro", 
die verbündeten Flieger hätten sich die bedingungslose 
- Herrschaft in der Luft gesickert und noch nie so wertvolle 
Dienste geleistet wie eben jetzt. Fünf Wochen später durch 
stieß die Armee des Generals v. Boehn die feindliche Front 
an der Aisne, und wieder hatten die Flieger der Gegner 
nicht ein Anzeichen des nahenden Angriffs erkannt. 
Der langgestreckte Höhenzug des Damenwegs mit seinen 
kahlen Hängen, seinen tiefeingeschnittenen Schluchten und 
bombensicheren Höhlen ist von der Natur wie zur Ver 
teidigung geschaffen. In monatelanger Arbeit hatten ihn 
die Franzosen mit allen Mitteln neuzeitlicher Kriegskunst 
zu einer wahren Festung ausgebaut. Ein Angriff gegen 
ihn schien unausführbar, ja undenkbar. Aber in rastloser, 
unauffälliger Erkundungstätigkeit hatten die deutschen 
Flieger jeden Graben, jede Batterie, jeden Minenwerfer 
stand im Lichtbilde festgelegt. Ihre Aufnahmen bildeten 
die Grundlage zu dem bis ins kleinste durchdachten An 
griffsplan. Täglich durchge 
führte große Erkundungen 
brachten die Gewißheit, daß 
der Gegner dem Frontab 
schnitt seit den Märzkämpfen 
keine Verstärkungen zugeführt 
hatte. 
Als am 27. Mai um ein 
Uhr dreißig Minuten morgens 
die Artillerieschlacht losbrach, 
stieg wie mit einem Schlage 
an der ganzen Angriffsfront 
eine lange Reihe von Ballonen 
hoch. Sie überwachten und 
leiteten das Artilleriefeuer mit 
solchem Erfolge, daß nach kür 
zester Zeit nur noch ganz ver 
einzelte feindliche Batterien 
feuerten. Der Sturm gegen 
die feindlichen Stellungen ver 
ursachte daher geradezu erstaun 
lich geringe Verluste. Als die 
deutschen Artillerie- und In 
fanterieflieger gegen sechs Uhr 
morgens Verbindung mit der 
Infanterie aufnahmen, hatte 
diefe an allen Stellen die erste, 
an mehreren Punkten auch die 
zweite feindliche Linie bereits 
durchbrochen. Die leicht be 
weglichen Flugabwehrgeschütze 
folgten der Infanterie dauernd 
in kürzestem Abstand. Wo sich 
der Feind in ausgebauten 
Stützpunkten und Maschinen 
gewehrnestern zur Wehr setzte, wurde er von ihnen, im 
Verein mit der Feldartillerie niedergekämpft. 
Um die Mitte des Tages hatte die deutsche Infanterie 
die Höhe des Kammes, den eigentlichen Damenweg, fast in 
seiner ganzen Ausdehnung überschritten. Die Ballone 
traten den Vormarsch an. Gezogen von acht und mehr 
Pferden, klommen die Ballonzüge schrittweise die steilen, 
von Trichtern durchwühlten Gebirgswege hinan, und bald 
darauf, mit dem weiteren Vordringen der Infanterie, 
ging's den jenseitigen Hang hinab. Eine Leistung, die um 
so anerkennenswerter war, als die Ballone nicht herunter 
geholt wurden und die Ballonbeobachter ihre Tätigkeit 
keinen Augenblick unterbrachen. Einzelne Ballone rückten 
an einem Tage 15 und mehr Kilometer vor. Mehrfach 
blieben die Beobachter nicht nur während des ganzen Tages, 
sondern auch während der Nacht im Korbe. 
Von der deutschen Infanterie rastlos verfolgt, eilten 
die geschlagenen Truppen auf allen Gebirgswegen den 
Aisnebrücken zu. Hier fanden die Schlachtflieger reiche 
Arbeit. Ihr Feuer trieb die feindliche Infanterie zu halt- 
Icüer Flucht. 
Nicht eine einzige Brücke wurde gesprengt. Bei sinkender 
Nacht stellten die deutschen Flieger mit Hilfe von Leucht 
zeichen den Stand ihrer Infanterie fest: sie hatte an mehreren 
Stellen die Vesle erreicht. 
Die feindliche Gegenwehr in der Luft war in den ersten 
Tagen sehr schwach. Die von Leutnant Windisch (siche 
Bild m Band V Seite 381) geführte Jagdstaffel traf west 
lich von Brcrisne auf ein feindliches Geschwader von acht 
Flugzeugen und vernichtete es bis auf zwei. Im übrigen 
hielt sich der Gegner vorsichtig zurück. Zu der Überraschung 
kamen wohl die Umzugsorgen. Am Abend des ersten 
Schlachttages war die deutsche Infanterie bis auf wenige 
Kilometer an die Flughäfen der Gegner bei Fismes und 
bei Braisne vorgestoßen. Der Vormittag des 28. Mai 
brachte die Städte und Flughäfen bereits in deutschen 
Besitz. Ein schweres Kraftwagengeschütz drang mit der 
Infanterie zugleich in Fismes ein. Der Zustand der Flug 
häfen legte Zeugnis von der Verwirrung des Gegners ab. 
In dem Flughafen Magneur war keine Halle und kein 
Benzinlager ln Brand gesteckt worden. Vor den Zelten 
standen fünf Flugzeuge zum Abflug bereit. Sie waren 
im Begriff gewesen, zu „entfliehen", aber eine deutsche 
Schlachtstasfel hielt ihre Besatzungen durch fortgesetzte An 
griffe mit Wurfminen und Maschinengewehrfeuer solange 
im Schach, bis die deutsche 
Infanterie den Hafen erreicht 
hatte. Den Führer eines der 
Flugzeuge traf eine Wurf 
granate beim Durchdrehen des 
Propellers. Auch der Flug 
hafen Bonne Maison Ferme 
fiel unbeschädigt mit vier Flug 
zeugen in deutsche Hand. In 
vier Flughäfen südwestlich von 
Braisne waren die Hallen mit 
mehreren Flugzeugen, die der 
Gegner nicht mehr hatte ret 
ten können, durch Feuer ver 
nichtet. Im ganzen sind wohl 
zwanzig Flugzeuge teils heil, 
teils mehr oder minder beschä 
digt von den Deutschen er 
beutet worden. 
Die Nacht setzt dem Kampfe 
zur Luft kein Ende- Kaum 
ist die Dämmerung verglom 
men, so. zieht hoch durch die 
Luft das Singen der eige 
nen und der feindlichen Flug 
zeuge. Weit im Osten zucken 
Leuchtspurgeschosse in gleich 
mäßiger Folge durch die Nacht. 
Sie weisen deutschen Bom 
benfliegern den Weg. Hoch 
am Himmel glüht ein weißes 
Licht auf und schwebt fünf 
zehn. zwanzig Sekunden lang 
mit dem Winde dahin, dort 
ein zweites, ein drittes. Das 
find die Leuchtschirmraketen, in deren Licht die feind 
lichen Flieger ihr Ziel suchen. Wieder gelten ihre Bomben 
der unglücklichen Stadt Laon. Die Deutschen haben 
lohnendere Ziele gewählt. Die ganze Nacht hindurch 
fallen ihre Minen und Bomben auf die feindlichen Flug 
häfen tm Kamsfraume und auf die im Flugbereich ge 
legenen Bahnknotenpunkte von der Nordsee bis hinunter 
zur Marne Ein aus der Gefangenschaft entflohener 
Deutscher hat die Schreckensbilder, die er während einer 
Nacht in Compiegne beobachtete, anschaulich geschildert. 
Die Wirkung der Angriffe, sagte er, sei kaum noch zu über 
treffen: Bahnhof, Geleise und Anmarschstraßen wurden 
schwer beschädigt, Truppenverladungen so gut wie un 
möglich gemacht. Die Bevölkerung flüchtete scharenweise; 
ihr Zusammenprallen mit anmarschierenden Truppen 
brachte auch diese in wirres Durcheinander. 
Vom dritten Schlachttage an versteifte sich die feind 
liche Gegenwehr auf der Erde und in der Luft. Der Gegner 
hatte alles Entbehrliche an Erd- und Luftstreitkräften von 
den benachbarten Armeen zusammengerafft, um die klaffende 
Front zu stopfen. Aber den Arbeitsflugzeugen und Ballonen 
der Deutschem entging keine Bewegung hinter der feind 
lichen Front. Truppenflieger erkannten am 29. Mai das- 
Pbot. Bild- und Film-Amt. 
Deutsche Luftschifferabteilung im Vormarsch auf Ham.
	        
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