Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
Türken einzuhandeln. Mali- 
now, ein geborener Russe, 
der durch Naturalisation Bal 
gare geworden war und eine 
sehr ehrgeizige russische Jüdin 
zur Gattin hatte, wußte ge 
nau, daß er seinen Weg nicht 
ohne Widerstand in Bulgarien 
selbst würde beschreiten kön 
nen, und hatte sich ohne Frage 
nach allen Richtungen ge 
sichert. Auf die Unterstützung 
einfluhreicher bulgarischer 
Politiker und eines ausschlag 
gebenden Teils des Heeres 
und seiner höheren Führung 
glaubte er rechnen zu dür 
fen. Außerdem konnte er sich 
auf die Mitwirkung der Ver 
einigten Staaten verlassen, 
die sich mit Bulgarien nicht im 
Kriegszustände befanden, und 
die bei dem Verrat die Hände 
im Spiel hatten. Wie ver 
worren die Lage geworden war, zeigte sich auch darin, daß 
sich König Ferdinand veranlaßt fühlte, seine Töchter nach 
Wien zu schicken, ein augenfälliger Beweis dafür, daß er 
Sorgen wegenderZukunfthegte. Seine persönlicheTreue zum 
Vierbund war ja wohl nicht zu bezweifeln, sein Einfluß auf 
die politische und militärische Haltung Bulgariens reichte 
aber offenbar nicht aus, seine Anschauungen durchzusetzen. — 
Aus der Türkei liefen ebenfalls unerfreuliche Berichte 
ein. Fast gleichzeitig mit dem Vorstoß gegen das bulga 
rische Heer entfesselten die 
Hofphot. Karastojanoff. 
General Sawow, 
der gewesene Oberbefehlshaber der 
bulgarischen Armee. 
Phot. Bert. Jttustrat-Gcs. m. b. H . 
General Lukow, 
einer der bulgarischen Unterhändler, 
die in Saloniki über die Preisgabe 
ihres Vaterlandes an den Verband 
verhandelten. 
Fcinde auch einen neuen, 
von langer Hand ulnsichlig 
vorbereitetenAngriff gegen 
die Türken in Palästina 
(sü he die Bilder Seite 219). 
Wiederholt hatten die Eng- 
lünder vergeblich versucht, 
die türkische Frontlinie: 
nördlich vonJaffa—Straße 
Nabulus—Jerusalem— 
Jordan—Raum von Es 
Salt—Hedjchasbahn (siehe 
die Karte Seite 218) ein 
zurennen. Gelegentlichen 
Waffenerfolgen folgten 
aber starke Rückschläge. 
Den umfassenden neuen 
Angriffsvorbereitungen 
der Engländer waren die 
Türken namentlich mit 
Unternehmungen gegen 
den englischen Brückenkopf 
auf dem östlichen Jordan 
ufer wirksam entgegen 
getreten. Auch dem eng 
lischen Hauptangriff boten 
die Türken entschlossenen 
Widerstand, den die Eng 
länder trotz aller Anstren 
gungen zunächst nicht 
brechen konnten. 
Doch, wie schon bei 
Gaza, so gab der westliche, 
an das Meer angelehnte 
Flügel der Türken auch 
hier nach, weil dieser der 
Beschießung durch schwere 
Schiffsgeschütze ausgesetzt war. Unter Mitwirkung der 
Flotte überwand der westliche Flügel der Engländer den 
rechten der Türken, der auch ant Karntelgebirge noch keinen 
Halt fand. Deit Engländern gelang es, diesen Flügel 
im Süden abzutrennen und ihm im Norden mit Reiter 
divisionen in die Flanke zu kommen, so daß die siebente 
türkische Armee rasch dem Untergang entgegeneilte. Nur 
Bruchteile der türkischen 
Streitmacht erreichten den 
See Genezareth. Die Eng 
länder halten sich bereits 
nach Nazareth vorgearbeitet 
und gingen Ende September 
auch zu schärferen Angriffen 
gegen Tiberias am Westufer 
des Sees Genezareth vor. Das 
Versagen des rechten tür 
kischen Flügels riß auch die 
türkische Mitte ins Verderben. 
Die achte Armee erlitt gleich 
falls große Einbußen an 
Mannschaften und Kriegsge 
rät und mußte sich in ver 
zweifelten Kämpfen nach Nor 
den durchzuschlagen suchen. 
Östlich vom Jocdan war in 
folge de^VerlaufsderKämpfe 
auf dem westlichen Fmßnfer 
um so weniger an die Auf 
rechterhaltung der Kampslinie 
zu denken, als die Hedschas- 
bahn in der Breite der türkischen Aufstellung bereits von 
den durch die Engländer bestochenen Araberstämmen fort 
während angegriffen wurde, deren die Türken nicht völlig 
Herr werden konnten. Längs der Hedschasbahn zogen sich 
auch hier die türkischen Streitiräfte nach Norden zurück. 
Wenn auch die Einbußen der Türken an Gerät und Ge 
fangenen in englischen Berichten reichlich hoch beziffert 
wurden, so unterlag es doch kunem Zw.ifel, daß das ge 
schlagene Heer starke Verluste erlitten hatte. 
Mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln versuchten 
die Türken, die Lage südlich von Damaskus zu retten, weil 
die Engländer mit der Er 
reichung dieses Punktes 
der Verwirklichung ihres 
Planes, eine Verbindung 
zwischen der Front in Pa 
lästina und jener in Meso 
potamien herzustellen, er 
heblich näher gekommen 
wären. Die Eroberung des 
größten Testes von Nord 
palästina gewährte den 
Engländern für den ent 
scheidenden Angriff auf 
Damaskus ohnehin schon 
beträchtliche Vorteile. Sie 
gewannen in Haiffa und 
Akka zwei neue wertvolle 
Hasenvlätze, die durch 
Nebenbahnen— technische 
Musterleistungen des deut 
schen Ingenieurs Meißner 
Pascha — mit der Station 
Damaskus der Hedschas 
bahn verbunden waren. 
Gerade dieser Teil Palä 
stinas war auch deutsches 
Siedlungsland, das mm 
durch die Feinde brachge 
legt wurde. Doch alle An 
strengungen der Türken 
blieben erfolglos. Sie ver 
mochten nicht, sich in Da 
maskus zu behaupten, son 
dern nnißten auch diese 
Stadt ihren Gegnern 
überlassen. — 
Die ereignisreiche Woche sah auch das Innere Deutsch 
lands in lebhafter Bewegung. Die Werbearbeit für die 
neunte Kriegsanleihe setzte ein. und lauter als je im Verlauf 
des Krieges rief man nach einer Neuordnung des inneren 
deutschen Aufbaus. Am 24. September, vormittags zehn 
Uhr, begann eine der inhaltschw .rsten Tagungen des Haupt 
ausschusses des Deutschen Reichstages mit einer ausführ-
	        
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