Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
auf dem Festland. Damals kämpfte England gegen Frank 
reich. Diesmal, wo es wieder wie im Krimkrieg mit 
Frankreich zusammengeht, ist der Glanz seiner Heerführer 
und Mietsoldaten stark verblaßt. England hat längst auf 
gehört, für das stehende Heer einer kontinentalen Groß 
macht ein gleich- und vollwertiger Verbündeter oder ein 
ebenbürtiger Gegner zu sein. 
Aber die Überrumpelung eines englischen Bataillons 
durch Generaloberst v. Bülow wurde dem „Wiesbadener 
Tageblatt" aus guter Quelle folgendes bekannt: „Das be 
treffende englische Bataillon wurde in einem Militärzug 
an die Front geschafft. Als es an der vorgesehenen Aus 
ladestelle ankam, war diese schon von deutschen Truppen, 
deren Vormarsch inzwischen fortgeschritten war, beseht. 
Der Zug wurde umstellt. Mit den Worten: ,Bitte, meine 
Herren, steigen Sie aus!' wurden die Engländer empfangen. 
Das ganze Bataillon war also sozusagen ,verhaftet'." 
Weniger glimpflich erging es den englischen Sol 
daten, wenn sie wirklich in den Kampf kamen. Wir be 
richten darüber an anderer Stelle (Seite 56). Hier möge 
noch eine kurze Beschreibung ihrer äußeren Erscheinung 
folgen. 
Offiziere und Mannschaften tragen ein und dieselbe 
Uniform von dickem gelblichbraunem Wollstoff. An den 
Füßen haben sie feste gelbe Schuhe, die Unterschenkel 
schützen Wickelbinden aus demselben Wollstoff wie die Röcke 
und daran anschließend mäßig weite Hosen. Der Rock hat 
auf der Brust und an den Seiten je zwei Taschen. Auf einem 
breiten gelben Lederriemen von der rechten Schulter nach 
der linken Hüfte sind fünf Täschchen zu je zehn Patronen 
befestigt, ebensoviel Patronen werden an der Koppel in 
Taschen mitgeführt. Auf dem Kopf wird eine vollständig 
mit Wollstoff überzogene Mütze getragen, selbst der Schirm 
ist überzogen. Als Unterscheidungszeichen zwischen Offi 
zieren und Mannschaften dienen fast unbemerkbare Sterne, 
Tressen oder Winkel aus Gold- oder Silberfäden, gemischt 
mit Wollfäden, die erst auf etwa zehn Meter sich erkennen 
lassen. Selbst die Schotten, deren unbezwingbare Vorliebe 
für ihre überlieferte Tracht man kennt, tragen sie so, daß 
man sie nicht zu unterscheiden vermag. Ihr,Kilt' ist mit 
Khakistosf verkleidet, und der gelbbraune Feldrock wird 
gleichmäßig von den schottischen Reitern, Füsilieren und der 
sogenannten ,Schwarzen Wache' getragen. Rur ihre Kopf 
bedeckung unterscheidet sie von den übrigen englischen 
Truppen. Sie haben ihre längliche Mütze mit der silbernen 
Distel als Agraffe behalten, die zwei herabhängende lange 
Bänder hat, und deren Einfassung ein Band mit farbigen 
Vierecken nach den Regimentsfarben bildet. Die Beine find 
entweder halbnackt und mit schwarzen Strümpfen bedeckt 
oder mit Hosen, die viereckige Muster zeigen. 
Welchen Eindruck das Auftreten der englischen Gäste auf 
einen Augenzeugen machte, schildert er mit folgenden Worten: 
„Die Soldaten sind tapfer und unbesorgt, als ginge es zu 
einem Sportfest. Außerhalb des Dienstes herrscht eine fröh 
liche, manchmal lärmende Unruhe. Immer wieder hört 
man ein Lied, in das alle lachend einstimmen: ,Are 
you downhearted?‘ (Seid ihr niedergeschlagen?) Und 
die Antwort ist ein zuversichtliches ,Nein!'. Vor dem Aus 
marsch nehmen sie ihr Frühstück mit Biskuits und Mar 
melade. Lachend ziehen sie aus ihren Säcken eine Sorte 
von Blechbüchsen nach der anderen hervor. Auf den 
Hügeln um Boulogne ist ein prunkvolles Zeltlager auf 
geschlagen, das so vollkommen ausgestattet ist, daß nicht 
einmal ein Platz zum Fußballspiel fehlt..." 
Etwas „downhearted“ werden sie inzwischen nun wohl 
geworden sein. Haben sie doch sogar Boulogne und 
Ostende schon im Stich gelassen. 
Die Befestigungen von Paris. 
(Hierzu der untenstehende Plan.) 
Das befestigte Paris bildet gewissermaßen das „Reduit", 
die letzte Kampfstellung für Frankreichs Heere, wenn die 
Festungen und Sperrforts erster und zweiter Linie der 
Ost- und Nordostfront überwunden oder durch Einschließung 
unschädlich gemacht sind. Es lohnt sich deshalb wohl, diese 
Riesenfestung etwas näher zu betrachten. 
Die bastionierte Stadtumwallung und die 1870 zum 
größten Teil zerstörten Forts stammen aus den Jahren 
1840 bis 1843. Die Forts sind nach dem Kriege wieder 
aufgebaut und es ist eine weitere, bis zu 14 Kilometer 
vor die Stadtumwallung vorgeschobene Reihe von Forts, 
Batterien, Redouten usw. hinzugefügt worden. Das Ge 
lände der Stadtumwallung sollte um 100 Millionen Franken 
an die Stadtverwaltung behufs Einebnung und Herstellung 
von Parken und dergleichen übergehen und jene Summe 
für Befestigungszwecke verwendet werden. Der inzwischen 
ausgebrochene Krieg verhinderte den Abschluß dieses Ge 
schäfts. 
Der neue, etwa 130 Kilometer weite Kranz von Außen 
forts usw. hat einen Kostenaufwand von 60 Millionen 
Franken verursacht. Die sieben Forts erster Ordnung haben, 
nach älteren Nachrichten, je eine Besatzung von 1200 Mann 
und eine Armierung von 60 schweren Geschützen, die drei 
zehn Forts zweiter Ordnung je eine solche von 600 Mann 
und 24 Geschützen, die etwa 40 Redouten und Batterien 
je eine solche von 200 Mann und 6 Geschützen. 
Eine Einschließung von Paris hat heute mit ganz 
anderen Schwierigkeiten zu rechnen als 1870. Der von 
den Forts umschlossene 
Raum bietet nicht nur 
Unterkunft für ganze Ar 
meen der Verteidigung, 
sondern gewährt auch der 
Hauptstadt für lange Zeit 
die nötigen Subsistenz 
mittel, selbst wenn eine 
eigentliche Verprovian 
tierung bei der Mobil 
machung nicht stattge 
funden haben sollte, und 
die Abschließung der 
Stadt vom Verkehr mit 
der Außenwelt erfordert 
eine gewaltige Truppen 
menge. Ein Bombarde 
ment dieses „Lichtes der 
Welt" ist bei der weit 
vorgeschobenen Lage der 
Forts erst möglich nach 
Wegnahme eines Teils 
dieser Forts mit Hilfe 
von schwerem Geschütz. 
Es werden also die mo- 
d ernsten Angriffsmittel 
Gelegenheit haben, sich 
zu bewähren, sobald es zu 
einem Angriff auf Paris 
kommen wird. 
rtdeDomont 7. 
deMontlignon 
S^CIoudi 
Trou d\Enfer 
B>* de Bois ^Versailles 
d'Arcy 2. 
rtdeS'.Cyfl 
1- %, 
de Bouviers 
Die Eisenbahnen sind 
nicht eingezeichnet. 
Bastion ierher Grundriss 
B ~ Bastion 
Plan von Paris.
	        
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