Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Generalleutnant v. Falkenhayn, Pbot. E. Bieber, Hofphotograph Berlin. 
Kriegsminister. Generaloberst v. Bülow. 
der Abfahrt. Noch dürfen sie sich's bequem machen. Die 
Gewehre stehen in Pyramiden beisammen; Tornister, Feld 
flasche und Brotbeutel liegen daneben. Man reckt und 
streckt die Glieder noch einmal, ehe man zun: vielstunden 
langen Stillsitzen im dichtbesetzten Wagen gezwungen 
ist. Auch Frauen lind Kinder sind zahlreich herbeigeeilt, 
Verwandte und Bekannte, noch ein letztes Wort mit den 
Tapferen zu wechseln, die vielleicht in wenigen Tagen schon 
auf dem grünen Nasen verbluten, kostbare Opfer für des 
Vaterlandes Ehre und Freiheit ... 
Halb zwölf Uhr nachts. Dichtes Gewölk hat sich über 
der Festung geballt und erfüllt die Straßen, die Plätze 
mit feinem, nebelhaften: Negen, der trotzdem sehr rasch bis 
auf die Haut dringt. Auf dem weitläufigen Bahnhof 
brennen nur die notwendigsten Lichter, um den befürchteten 
Versuchen feindlicher Flieger, Bomben abzuwerfen, keine 
Gelegenheit zum Zielen zu geben. Auf dem Bahnsteig 
stehen marschbereit zwei kriegsstarke Bataillone, grau im 
Grau der nebligen Finsternis, daß man schon die achte, 
zehnte Reihe nicht mehr unterscheiden kann. Eben fährt 
ein Zug ein; einige mit viel Grün verzierte Wagen verraten, 
daß sie Reservisten bringen. Richtig, da winden sie sich 
schon in langer Doppelreihe durch das Gedränge der übrigen 
Ankömmlinge dem Ausgang zu, jeder ein Paket' oder 
Köfferlein mit dem Notwendigsten tragend. „Wo müßt ihr 
euch stellen?" ruft der vorderste Leutnant des einen Batail 
lons. Ein Wirrwarr von Namen ertönt als Antwort, darunter 
zumeist „Wien — Prag — Galizien", und ein besonders 
Kecker schreit mit krähender Stimme: „In St. Petersburg — 
beim Nikolaus!" „Aha — Österreicher!" Ein Lächeln zeigt 
sich für einige Minuten auf den ehernen Gesichtern der Feld 
grauen, und immer wieder tönt's: „Macht eure Sache gut!" 
— „Nur ka Angst net!" Und während ein Herr vom 
Ouartierausschuß die Angehörigen der verbündeten Armee 
zu Labung und kurzer Nachtruhe in eine Kaserne geleitet, 
straffen sich wieder die 2400 Mann in Ernst und Ent 
schlossenheit. Inzwischen ist vom eben eingelaufenen Zug die 
Maschine abgestoßen; zwei starke Schnellzugslokomotiven 
legen sich ans andere Ende. Dann tönen kurz und scharf 
einige Kommandoworte, und wenige Minuten später sind 
die beiden Bataillone in der endlos scheinenden Wagenreihe 
Generalfeldmarschall und Gouverneur 
von Belgien. 
verschwunden. Alle Lampen im Zug werden verdunkelt, 
die Vorhänge heruntergelassen, denn die Lichterschlange 
könnte unterwegs feindlichen Fliegern ein willkommenes 
Ziel bieten. Noch einmal tönt brausend „Die Wacht am 
Rhein", und darauf begeistertes Hurra der Tausende, die 
trotz Nacht und Nebel jenseits der Bahnsperre harrten, 
um den Scheidenden noch ein Lebewohl zuzurufen. Dann 
einige Pfiffe, und langsam verschlingt die Finsternis den 
langen, langen Zug. Wohin? Niemand weiß es, nicht 
einmal die Fahrenden selber. . . 
Unterwegs, jenseits des Rheins! Schon hat man in 
der Ferne Kanonendonner gehört. Nun hält der Zug auf 
einem Nebengleis, weil ein anderer mit Feldartillerie vorher 
durchfahren soll. Alles enteilt den dumpfen Abteilen. Wie 
wohl tut die frische Luft, das unbehinderte Recken und Regen 
den steifen Gliedern! Auch der Magen verlangt wieder 
einmal sein Recht. Man holt heraus, was man gerade zur 
Hand hat, und wahrhaft brüderlich wird geteilt. Plötzlich 
lebhafte Unruhe und Kommandorufe in einiger Entfernung. 
„Feindliche Flieger!" Jeder langt nach seinem Gewehr. 
„Laden und sichern!" Da knarrt es schon jenseits des Bahn 
hofs, jenes nervenzerrüttende Geräusch, das man nie ver 
gißt, wenn man es einmal gehört hat: Maschinengewehre! 
Und von den zwei graugelben Vögeln, die man zwischen 
dem leichten Gewölk über der Stadt entdeckte, kann sich 
nur einer heimwärts retten; mit gebrochenen Schwingen 
stürzt der andere nieder. Fliegerlos .. . 
Und nun am Feind! Je näher das Krachen der Ge 
schütze tönt, um so glühender werden die Gesichter, um 
so fester schließen sich die Fäuste um die Waffe. Plötzlich 
hält der Zug auf offener Strecke, und in das Knattern der 
Gewehre, das jetzt auch deutlich jenseits eines Dorfes zu 
hören ist, klingen helle Befehle. Offiziere eilen hin und 
her, Radfahrer und Motorfahrer. Die lange Reihe derer 
entlang, die hastig dem Zug entströmen, läuft das Knacken 
der Gewehrschlösser. Wieder Kommandorufe — und 
wieder — und mit Hurra geht's querfeldein, durch dick und 
dünn, was die Beine leisten können — immer'rem an den 
Feind — den Brüdern zu Hilfe, die sich schon seit Stunden 
mit ihm herumbeißen — 'ran an die Franzosen — für König 
und Vaterland! 
General der Infanterie 
v. Heeringen. 
Pbot. E. Bieber, H^fphotograph, Berlin. 
Generaloberst v. Eichhorn. 
General der Infanterie 
v. Kluck. 
Phot. W. Jacobi, Hosphotograph, Metz. 
Generaloberst 
v. Prittlvit; und Gaffron.
	        
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